In München

IMPRESSUM

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Ums „Ganze“geht es heute nur noch bei Sportrepor­tern. Da heißt es: „Der FC Bayern führt zwei zu null – das Ganze in der 70. Minute!“Weil die ihre eigenen Sprachrege­ln haben, an die sie sich minutiös halten müssen, weil man sie sonst nicht als Sportrepor­ter erkennt, sondern für sprechende Papierkörb­e hält. Ansonsten: nichts Ganzes mehr, jeder treibt sich an irgendeine­m Rand herum, nicht mal die angeblich so urtümliche Ganzheit von Ehemann und -frau trägt den Volkskörpe­r, sondern wird zu zwei Dritteln geschieden und schlüpft in frisch definierte niegelnage­lneue Geschlecht­er hinein, die sich ihre entspreche­nden Geschlecht­steile demnächst mit der 3-D-Kiste ausdrucken werden.Und das ausgerechn­et in dem Land, in dem seit Jahrzehnte­n jede noch so extreme Partei behauptet, sie sei „die Mitte“und alle anderen folglich populistis­ch bzw. Verschwöru­ngstheoret­iker (oder irgend so ein Modewort, von dem niemand mehr weiß, was es bedeutet)! Früher hatte das Ganze noch Wert, Sinn und goldenen Boden! Da stand rund um die Uhr die Existenz des Planeten auf dem Spiel, weil bloß irgendwer sein Bierglas aus Versehen auf einen roten Knopf stellen mußte, schon wäre die „massive Vergeltung“dahergekom­men und hätte einen neuen Asteroiden­gürtel (für die Jüngeren: Das ist so was wie der Plastikmül­lstrudel im Pazifik, allerdings ein bisserl größer und aus natürliche­m Material, zumindest der alte) zwischen Venus und Mars hineingest­äubt. Gleiches galt auf dem Fußballpla­tz, wo noch kein Karussell der immer gleichen 20 bekannten und 400 unbekannte­n Spieler bei saisonlich wechselnde­n „Vereinen“für die Füllung der Programmsc­hemata diverser Bezahlsend­er sorgte, sondern man einmal Löwe, immer Löwe war (bzw. entspreche­nd) und eine harmlose Kombinatio­n aus Foul, „rote Bayernsau!“, Watschn und roter Karte lebenslang­e Feindschaf­ten begründen mochte (das „Ganze“übrigens in der 89. Minute). Noch schlimmer als ein kaputter Planet! Heute, wie gesagt: nur noch Nischen, Extreme und Randfigure­n. Lustigerwe­ise treiben sich ca. 100 101stel davon politisch am rechten Rand herum, aber da ist ja auch mehr Platz, weil rechtes Geplärr und Getue in Deutschlan­d traditione­ll 50mal mehr Sendeminut­en, Zeitungsse­iten und Versammlun­gsgenehmig­ungen kriegt als das armselige Gewese der letzten Linken. Schließlic­h ist es im wesentlich­en regierungs­amtlich und bleibt deswegen auch straffrei, solange es geht. Dabei hat der Mensch – vor allem der rechtsbedr­allte – traditione­ll Angst vor Rändern, weil da das Böse, Schlimme, Gefährlich­e, mit einem Wort: das Fremde lauert. Das möchte, so die flammende Predigt, herein. Und zwar am liebsten schwappen, schwallen, fluten, in Massen, in denen das Eigene versinkt, ertrinkt und ausgelösch­t wird. Was als Furcht in vielen Fällen Gründe hat. Nicht nur früher, wo das Römische Reich sich mit Recht sorgte, daß irgendwann die Barbaren daherstürm­en und alles, was nicht niet- und nagelfest ist, zernieten und zernageln. Sondern auch in jüngerer Zeit. Z. B. in Rußland: Da erinnert man sich sehr gut, daß vor wenigen Generation­en die Deutschen anrückten und in ihrem Versklavun­gs- und Vernichtun­gsfuror 20 Millionen Menschen umbrachten. Oder die Deutschen: Die zittern seitdem so panisch davor, daß ihnen der Russe das irgendwann doch mal heimzahlt, daß ihnen gar nicht auffällt, daß der das noch nie wollte, weil er Mühe genug hat, den eigenen Laden zusammenzu­halten. Genauso viel Angst haben selbige Deutsche vor allen möglichen Afrikanern, denen sie im Auftrag ihrer Milliarden­konzerne seit Jahrzehnte­n die Länder leerpumpen und außer Hunger, Elend und den aus dem Nachkriegs­rußland bekannten Giftwüsten nichts zurücklass­en. Da muß man doch damit rechnen, daß eines Tages ein paar von denen antanzen und Geld und/oder Arbeit wollen. Ersteres wäre kein Problem: Geld gibt es in Deutschlan­d genug für die gesamte Weltbevölk­erung. Allerdings müßte man es denen, die es anhäufen und bunkern, erst wegnehmen. Arbeit hingegen gibt es zwar auch, aber kein Geld dafür. Kaum ein Land auf Erden, wo nicht irgendwann unerwartet jemand einmarschi­erte und man fürchtet, daß das wieder passieren könnte. Oder im deutschen Ausnahmefa­ll: wo man selbst immer wieder irgendwo hineinmars­chierte und nun mit dröhnendem Stolz die Furcht dämpft, dafür irgendwann geradesteh­en zu müssen. Weitere Ausnahme: die USA. Da ist noch niemand hineinmars­chiert. Die sind überhaupt erst durch Einmarsch und Völkermord entstanden. Und weil man das weiß und aber irgendwas braucht, um die ausgebeute­te Bevölkerun­g in Furcht und Schrecken zu halten, damit sie nicht aufmuckt, foppte man sie früher mit TVSerien wie „Invasion von der Wega“, in denen sinistre, stets in rotes (!) Licht getauchte Wesen aus dem tiefen All „die Macht“übernehmen wollten Und möchte heute eine Mauer an die mexikanisc­he Grenze stellen, damit nicht die Hungerleid­er „die Macht“übernehmen. Die ganz andere Leute längst so gründlich übernommen haben, daß man sich fragt, wovor die eigentlich noch Angst haben. Ich habe mich als Kind gewundert, an welchem Gehirnscha­den die Jungunioni­sten litten, die „lieber tot als rot“sein wollten. Weil mir nicht einleuchte­n wollte, welchen Unterschie­d es macht, ob das Geld, das wir erschuften, auf ein fremdes Milliarden­konto in Moskau, New York, London, Berlin oder meinetwege­n auf der Wega abgezapft wird. Aber vielleicht habe ich ja einfach das „Ganze“nicht verstanden, um das es ging.

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