LOKALES Verrückter Hahn, tolles Huhn
Mit dem Gallo Pazzo hat sich ein neuer Italiener im Westend angesiedelt, der mehr zu bieten hat, als Pizza und Pasta.
Pizza gibt es bei dem Betreiber Christopher Schroth sowieso nicht, so mancher wird ihn aber noch vom Burgerlokal King Loui zwei Häuser weiter in der Kazmairstraße kennen. Vor einundeinhalb Monaten eröffnete er dann das Gallo Pazzo mit seinem Partner Marco Gallia, der ist hier Küchenchef und stammt aus Venetien, das King Loui hat Chris abgegeben. In seiner neuen Lokalität, die gemütliche Stadtteilkneipe, Bar und Trattoria zugleich ist, wird „New Age Italian Food“gekocht, heißt es auf der Website, mit Esoterik hat das aber zum Glück nichts zu tun, eher mit einer moderneren, fantasievollen Variante der traditionellen Küche des Landes. Marco und Chris haben sich in der Gastronomie kennengelernt und oft über ihre Lieblingsgerichte gesprochen, daraus entspann dann auch die Idee für ein gemeinsames Lokal. „Wir kochen, was wir selbst gerne essen“, meint Chris zur Richtung ihrer Küche, quer durch Italien vom Veneto bis in den Süden geht die Reise, der zweite Koch Lucca stammt aus Neapel. Früher war in dem Eckhaus mal eine Metzgerei angesiedelt, danach schon mal ein Italiener, dann ein Dönerladen. Nun erstrahlen die Räumlichkeiten in dem warmen Glühbirnenlicht einer mediterranen Trattoria, viel dunkles Holz und in Grüntönen gestrichene ZiegelKacheln, geöffnet ist durchgehend ab 11.30 Uhr bis Mitternacht. Ein neues Konzept, dass Chris wie auch die Kollegen vom asiatischen Lokal S.A.M. in der Nachbarschaft ausprobieren, denn öfters stehen Hungrige mit flexiblen Arbeitszeiten nachmittags vor verschlossenen Türen. Mittags macht man auch Zugeständnisse an die Nachfrage, so der Wirt, deshalb werden auch Klassiker wie Lasagne, Pasta mit Bolognese und Ravioli Ricotta e spinaci für ab ca. 5,90 Euro angeboten. Abends brummt der Laden bereits – und das nicht ohne Grund.
Neapolitanische Straßenküche
Die übersichtliche Karte und ein paar Tages/Wochengerichte, die auf kleinen Tafeln an den grüngekachelten Wänden stehen, bieten einen eher unkonventionellen Streifzug durch Italien: Los geht es mit ein paar Vorspeisen, zum Beispiel „Piatto Unico“: hier sind „Gnocco Fritto“(frittierte Pizzateigbällchen mit San Daniele-Schinken umwickelt, neapolitanische Straßenküche, die Lucca eingeführt hat und sehr gut schmeckt) „Tagliatelle di Calamari“und Gemüse der Saison versammelt, ein guter Einstieg für 8,50 (kl.) bzw. 10,80 Euro. Ebenfalls sehr gelungen ist eine Spezialität aus Venetien, die es in München wohl nur hier gibt, meint der Betreiber: „Frico“ist ein gebackener Taiedo-Käse (bisschen ähnlich dem Haloumi) mit einem würzigen Waldpilz-Ragout (7,50). Des Weiteren stehen zwei Suppen (Maronen, Linsen) und vor allem bei den jungen Damen äußerst beliebte bunte Salatkreationen wie „Gallo Pazzo-Salat“mit Hähnchenbrust, Radicchio, Süßkartoffel, Gorgonzola und Chili (13) oder Avocado-Salat mit Birne, Baby Leaf, Quinoa und Gambas (14) auf der Karte.
Sehnsucht nach dem Süden
Die Gnocchi mit selbstgemachter Basilikumcreme, Pinienkernen und Pecorino (8,50) waren sehr ordentlich, konnten aber nicht ganz mit einem wirklich hervorragenden Fenchel-Risotto mit gebackenen Kirschtomaten und Lardo (Zimtspeck) mithalten. Ganz ehrlich – selten außer Haus ein so gutes Risotto (auch von der Konsistenz her) gegessen, à la minute zubereitet, bravo. Jede Woche will Marco jetzt ein wechselndes Risotto auf die Karte setzen – sehr gute Idee. Auch eine Fischsuppe mit Calamari, Gamberi und Seeteufel (14,90) erweckte, bestens abgeschmeckt, den Wunsch nach Meer und Süden, das dazu gereichte Foccacia war auch solo mit Olivenöl ein Genuss. Das Huhn ist in der italienischen Küche (außer „pollo arrosto“) ein eher vernachlässigtes Geschöpf, beim „verrückten Hahn“bekommt man zwei Hühnchenkeulen (mit röscher Haut!) aus dem Ofen auf einem wunderbaren Peperonata mit Tomaten-Paprikasoße und neuen Kartoffeln (15,90). Ein Gedicht das Ganze, die üppige Portion reicht fast für zwei und weckt Erinnerungen an ein Familienrezept, das Ende der Siebzigerjahre kreiert wurde. Wer es noch deftiger möchte: neben zwei Fischgerichten stehen auch Spare Ribs und Rib Eye-Steak (17,90/23) auf der Karte, italienisch angehaucht, versteht sich. Zu Trinken bekommt man, neben Augustiner Bier, Hauswein Rot und Weiß (zurzeit Grüner Veltliner) in der Halbliterkaraffe für 10 Euro, es gibt aber auch offene Weine wie den sizilianischen Roceno Grecianico (0,2 zu 5,90), Primitivo oder einen Lugana Monte Lupo (Fl. 28), alle gut trinkbar.
Fazit: Es scheint, als hätten nicht nur die (jungen) Nachbarn im Viertel auf einen Italiener gewartet, der kulinarisch gekonnt auch mal über den Tellerrand blickt, ohne die Tradition zu vernachlässigen. Der charmante Service, das angenehme Ambiente und die lässige Stimmung – das Gallo Pazzo hat das Zeug zu einem Lieblingslokal und weil das schon einige festgestellt haben, sollte man für abends besser reservieren.
Gallo Pazzo Kazmairstr. 31, 80339 München, Tel.: 089 / 32 79 76 23 Mo bis Fr: 11.30 bis 24 Uhr, Sa: 17 bis 1 Uhr, www.gallopazzo.de