THEATER Sportliche Spektakel
Gelbe Hosen statt Gelbe Westen: Wer Erfolg haben möchte im Leben, muss häufig tragisch leiden
Die Welt ist aus den Fugen. „Von innen zerbricht die mühsam gefügte Welt, eine Kugel von Glas“, sagt Karl V. in der selten gespielten Oper von Ernst Krenek. Der mächtige Monarch sitzt darin einem Mönch gegenüber und blickt auf sein unvollständiges Lebenswerk zurück: Eigentlich wollte Karl ein christliches Großreich begründen. Die Bezüge zur Gegenwart liegen auf der Hand: Nicht nur das Spanien von heute muss gewaltige innere Spannungen aushalten. Regisseur Carlus Padrissa, bekannt für seine spektakulären Bühnenbauten und Inszenierungen wie zuletzt „Turandot“und „Babylon“in München, hat die furiose La Fura dels Baus-Truppe, die er einst mit gegründet hatte, neu zusammengetrommelt. Sie lässt er durch das Zwölftonwerk toben. (Staatsoper, ab 10.2.)
Rauschhaft dürfte auch der Einfach nur Erfolg-Abend von Katja Wachter werden. Sie jagt ihr junges Ensemble durch ein Kurt-Cobain-Schicksal – mit
Drogenmissbrauch, hartem Entzug und anschließendem Selbstmord. (Akademietheater, ab 13.2.)
Ein hartes Stück Arbeit haben sich die Performance-Spezialisten Rudolf Herz und Julia Wahren in Zusammenarbeit
mit Zoro Babel aufgehalst. Desperados 1919 erzählt vom antibolschewistischen Propaganda-Film, mit dem in den Wirren der Räterepublik-Zeit und mitten in München übel Stimmung gegen aufständische Arbeiter gemacht werden sollte. (Hoch X, 20./23.2.)
Auflehnen wollen sich auch die Regisseure der „Warszawa – Munich“-Reihe, allerdings gegen die von ihnen als übermächtig empfundene polnische Theatertradition. Kammerspiele-Intendant Matthias Lilienthal stößt mal wieder ein Fenster auf. Er hat von 14. bis 17. Februar Produktionen aus dem nahen, fernen Nachbarland eingeladen. Ziemlich weit von der Konvention entfernt sich das Anfangsstück Fantasia, dessen Titel man wörtlich nehmen darf. Regisseurin Anna Karasínska fordert nicht nur ihr Publikum, sondern auch die Akteure dazu auf, sich ganz auf ihre Vorstellungskraft zu verlassen. (Kammerspiele, 14./15.2.)
Mit der Kommuna//Warszwa kommt die wichtigste freie Avantgarde-Truppe nach München: Ihre Produktion Cezary Goes to War spielt mit der Biografie des Regisseurs. Er hat seine eigene Lebensgeschichte vier Akteuren im Aerobic-Dress überlassen. Sie hampeln sich mehr oder weniger komödiantisch durch Erinnerungen an seine Militärzeit. (Kammerspiele, 14./15.2.)
Eine Menge lernen dürfte man bei The Polaks Explain the Future. Immerhin richten hier zwei Amateuer-Zukunftsforscher den Blick nach vorn und versuchen zu erklären, wie sich die Dinge im Jahr 2118 entwickeln. (Kammerspiele, 16./17.2.)
Wer sich lieber an Verlässliches, nicht zuletzt im Deutschunterricht gut Ausgeleuchtetes halten möchte, dem kann man ein Zugticket in unsere so nahe, wenn auch streckenweise unerforschte Nachbarstadt empfehlen: André Bücker hat sich dort den Werther-Stoff vorgenommen, der Goethe in Windeseile berühmt machte. Bis hin zu den unschönen Nebenerscheinungen des grassierenden Gelbhosen-Wahns: Zahllose Liebeskummerkrankte richteten die Waffe gegen sich. Der Regisseur hat sich die Oper von Jules Massenet vorgenommen. Hochemotionales Literaturtheater – mit Schuss! (Staatstheater Augsburg, ab 8.2.)
Vom Verfall einst stolzer Persönlichkeiten erzählt die Echokammer. Dort lernt man vier Bewohner eines Pflegeheims kennen, die schon länger dement sind. (Einstein Kultur, ab 21.2.)
Den Körperkult der FitnessstudioFetischisten hat sich das ArtikultTheater für ihre Produktion Körperarchitekten – Eine Materialschlacht vorgenommen. Hier wird kritisches Licht auf eine Gesellschaft gelenkt, die in vielfacher Weise mit sich selber hadert. (Pasinger Fabrik, ab 13.2.)
Vom menschlichen Körper als Wunderwerk berichtet die auch für jüngere Zuschauer sehenswerte Pelle-Inszenierung. Ihre Grundidee: Das größte Organ des Menschen ist seine Haut. Und die ist neben Ohren und Augen die direkteste Verbindung zur Welt. (Theater HochX, 16./17.2.)
Keine Probleme mit ihren wunderschönen Körpern haben zum Glück die Tänzer von Rock the Ballet, die klassisches Ballett, HipHop, Jazz und Pop aufeinandertreffen lassen und daraus fantastische Bühnenskulpturen schaffen. (Prinzregententheater, ab 12.2.)