In München

THEATER Sportliche Spektakel

Gelbe Hosen statt Gelbe Westen: Wer Erfolg haben möchte im Leben, muss häufig tragisch leiden

- Rupert Sommer

Die Welt ist aus den Fugen. „Von innen zerbricht die mühsam gefügte Welt, eine Kugel von Glas“, sagt Karl V. in der selten gespielten Oper von Ernst Krenek. Der mächtige Monarch sitzt darin einem Mönch gegenüber und blickt auf sein unvollstän­diges Lebenswerk zurück: Eigentlich wollte Karl ein christlich­es Großreich begründen. Die Bezüge zur Gegenwart liegen auf der Hand: Nicht nur das Spanien von heute muss gewaltige innere Spannungen aushalten. Regisseur Carlus Padrissa, bekannt für seine spektakulä­ren Bühnenbaut­en und Inszenieru­ngen wie zuletzt „Turandot“und „Babylon“in München, hat die furiose La Fura dels Baus-Truppe, die er einst mit gegründet hatte, neu zusammenge­trommelt. Sie lässt er durch das Zwölftonwe­rk toben. (Staatsoper, ab 10.2.)

Rauschhaft dürfte auch der Einfach nur Erfolg-Abend von Katja Wachter werden. Sie jagt ihr junges Ensemble durch ein Kurt-Cobain-Schicksal – mit

Drogenmiss­brauch, hartem Entzug und anschließe­ndem Selbstmord. (Akademieth­eater, ab 13.2.)

Ein hartes Stück Arbeit haben sich die Performanc­e-Spezialist­en Rudolf Herz und Julia Wahren in Zusammenar­beit

mit Zoro Babel aufgehalst. Desperados 1919 erzählt vom antibolsch­ewistische­n Propaganda-Film, mit dem in den Wirren der Räterepubl­ik-Zeit und mitten in München übel Stimmung gegen aufständis­che Arbeiter gemacht werden sollte. (Hoch X, 20./23.2.)

Auflehnen wollen sich auch die Regisseure der „Warszawa – Munich“-Reihe, allerdings gegen die von ihnen als übermächti­g empfundene polnische Theatertra­dition. Kammerspie­le-Intendant Matthias Lilienthal stößt mal wieder ein Fenster auf. Er hat von 14. bis 17. Februar Produktion­en aus dem nahen, fernen Nachbarlan­d eingeladen. Ziemlich weit von der Konvention entfernt sich das Anfangsstü­ck Fantasia, dessen Titel man wörtlich nehmen darf. Regisseuri­n Anna Karasínska fordert nicht nur ihr Publikum, sondern auch die Akteure dazu auf, sich ganz auf ihre Vorstellun­gskraft zu verlassen. (Kammerspie­le, 14./15.2.)

Mit der Kommuna//Warszwa kommt die wichtigste freie Avantgarde-Truppe nach München: Ihre Produktion Cezary Goes to War spielt mit der Biografie des Regisseurs. Er hat seine eigene Lebensgesc­hichte vier Akteuren im Aerobic-Dress überlassen. Sie hampeln sich mehr oder weniger komödianti­sch durch Erinnerung­en an seine Militärzei­t. (Kammerspie­le, 14./15.2.)

Eine Menge lernen dürfte man bei The Polaks Explain the Future. Immerhin richten hier zwei Amateuer-Zukunftsfo­rscher den Blick nach vorn und versuchen zu erklären, wie sich die Dinge im Jahr 2118 entwickeln. (Kammerspie­le, 16./17.2.)

Wer sich lieber an Verlässlic­hes, nicht zuletzt im Deutschunt­erricht gut Ausgeleuch­tetes halten möchte, dem kann man ein Zugticket in unsere so nahe, wenn auch streckenwe­ise unerforsch­te Nachbarsta­dt empfehlen: André Bücker hat sich dort den Werther-Stoff vorgenomme­n, der Goethe in Windeseile berühmt machte. Bis hin zu den unschönen Nebenersch­einungen des grassieren­den Gelbhosen-Wahns: Zahllose Liebeskumm­erkrankte richteten die Waffe gegen sich. Der Regisseur hat sich die Oper von Jules Massenet vorgenomme­n. Hochemotio­nales Literaturt­heater – mit Schuss! (Staatsthea­ter Augsburg, ab 8.2.)

Vom Verfall einst stolzer Persönlich­keiten erzählt die Echokammer. Dort lernt man vier Bewohner eines Pflegeheim­s kennen, die schon länger dement sind. (Einstein Kultur, ab 21.2.)

Den Körperkult der Fitnessstu­dioFetisch­isten hat sich das ArtikultTh­eater für ihre Produktion Körperarch­itekten – Eine Materialsc­hlacht vorgenomme­n. Hier wird kritisches Licht auf eine Gesellscha­ft gelenkt, die in vielfacher Weise mit sich selber hadert. (Pasinger Fabrik, ab 13.2.)

Vom menschlich­en Körper als Wunderwerk berichtet die auch für jüngere Zuschauer sehenswert­e Pelle-Inszenieru­ng. Ihre Grundidee: Das größte Organ des Menschen ist seine Haut. Und die ist neben Ohren und Augen die direkteste Verbindung zur Welt. (Theater HochX, 16./17.2.)

Keine Probleme mit ihren wunderschö­nen Körpern haben zum Glück die Tänzer von Rock the Ballet, die klassische­s Ballett, HipHop, Jazz und Pop aufeinande­rtreffen lassen und daraus fantastisc­he Bühnenskul­pturen schaffen. (Prinzregen­tentheater, ab 12.2.)

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Beinchen hoch: ROCK THE BALLET
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Und hüpfen: CEZARY GOES TO WAR

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