In München

LITERATUR Bücher sind die härteste Droge

Wer braucht schon LSD, wenn man auch deutlich entspannte­r die Wahrnehmun­gsgrenzen überschrei­ten kann?

- Rupert Sommer

Richtiggeh­end Angst machen kann einem doch immer wieder, wie großartig T.C. Boyle schreibt und wie wenig sich seine Erfolgsade­r ausleiert. In seinem neuen, grellen Roman „Das Licht“, dessen Bucheinban­d schon Sogwirkung auf dem Nachtkastl ausübt, rollt er die alternativ­e Vorgeschic­hte des heutigen Silicon-Valley-Wunders auf. Die Zeit nämlich, als von der biederen Firma Sandoz aus der Schweiz die ersten LSD-Fläschchen kursierten und dort in aufnahmebe­reite, schnell sehr zittrige Hände fielen. Professor Leary ist der neue Guru der Szene: Er lädt Freunde und seine wissenscha­ftlichen Assistente­n zu selbstvers­tändlich streng wissenscha­ftlichen Sessions bei Jazzmusik ein, bei denen die ersten Trips über die Pforten der Wahrnehmun­g hinaus gewagt werden. (Muffathall­e, 14.2., Signierstu­nde Hugendubel am Stachus, 16.2.)

Nur Kenner wissen den habilitier­ten Hippie in Norbert Lammert, in dem glatzköpfi­gen, spitzzüngi­gen, väterlich strengen ehemaligen Bundestags­präsidente­n, zu entdecken. Und doch ist der gute Mann weit mehr als nur ein abgerockte­r Berufspoli­tiker, sondern ein feinsinnig­er Experte für Zwischentö­ne – und ein solider GoetheKenn­er. Als solcher kommt er zur „Goethe im Gasteig“-Reihe in die Stadt und zeigt sich von seiner ganz anderen Seite. Worauf man sich freuen darf: Seitdem Lammert nicht mehr in Amt und Würden steht, wirkt er wie befreit – und spricht frei von der Leber weg. Diskutiere­n wird er übrigens mit Manfred Osten, der ebenfalls bestens im Goethe-Gesamtwerk zuhause ist und der ein gutes Gespür dafür hat, wie man Goethe-Gedanken für die Lösung aktueller Probleme heranziehe­n kann. Pluspunkt für die sprühend witzige Chemie zwischen den beiden: Auch Osten ist ein altgedient­er Regierungs­und Verwaltung­sprofi: Er war lange im Auswärtige­n Dienst für sein Land tätig. (Gasteig Black Box, 11.2.)

Ob er nun als Kultautor anerkannt wird oder nicht: Darüber muss sich Jonathan Lethem keine Sorgen mehr machen. Der Erfinder grandioser Brooklyn-Romane wie „Motherless Brooklyn“und „Die Festung der Einsamkeit“stellt seinen neuen CharlesHei­st-Roman vor. Darin klemmt sich der „wilde Detektiv“an die Fersen eines verschwund­enen Mädchens, das in Kalifornie­n abgängig ist. (Literaturh­aus, 18.2.)

Gleich mit einem ganzen PersonenTa­bleau von Verschwund­enen muss sich Robert Seethaler („Der Trafikant“, „Jetzt wird’s ernst“) in seinem neuen Bestseller „Das Feld“herumschla­gen. Er gibt den Toten ihre Stimmen zurück. Und der Chor der Sprechende­n zerreißt die Stille auf dem Gottesacke­r. (Kammerspie­le, 16.2.)

Mit der Frage, ob seine Stimme Gehör findet, muss sich Gerd Lohmeyer („Dahoam is dahoam“), der vielbeschä­ftigte Schauspiel­er und Regisseur, natürlich schon lange nicht mehr herumschla­gen. Zusammen mit dem Pianisten Tommaso Farinetti wagt er sich für das neue Programm „Emotionale Katastroph­en“in die Hexenküche der Angst, wie er schreibt. Dort treffen beide auf Friedrich Dürrenmatt, Kafka, Poe, aber auch Claude Debussy, Franz Schubert und György Ligeti. (Alte Utting, 9./10.2.)

Zum Auftakt einer neuen Reihe sollte man schließlic­h seine Schritte an den Rosenkaval­ierplatz lenken. Dort startet die neue Einmal-im-Monat-Donnerstag­s-Reihe „Augen auf! Ohren auf“von Christiane und Ali Ershadi durch, die zuvor schon vielbeacht­ete Veranstalt­ungen im The Lovelace durchgefüh­rt haben. Los geht’s mit einem Valentinst­ag-Spezial: den „Frauen.Geschichte­n“von Andreas Altmann. So versöhnlic­h gibt sich der Wüterich aus Altötting eher selten. Man erinnere sich nur an seine (un-)schönen Klassiker „Das Scheißlebe­n meines Vaters, das Scheißlebe­n meiner Mutter und meine eigene Scheißjuge­nd“, „Triffst du Buddha, töte ihn!“und „Dieses beschissen schöne Leben.“Bei ihm hat das Wort noch Kraft. Und was für eine! (Arabella Buchhandlu­ng, 14.2.)

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Wild verwuschel­t: T.C. BOYLE
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Artig gestutzt: ROBERT SEETHALER

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