LITERATUR Bücher sind die härteste Droge
Wer braucht schon LSD, wenn man auch deutlich entspannter die Wahrnehmungsgrenzen überschreiten kann?
Richtiggehend Angst machen kann einem doch immer wieder, wie großartig T.C. Boyle schreibt und wie wenig sich seine Erfolgsader ausleiert. In seinem neuen, grellen Roman „Das Licht“, dessen Bucheinband schon Sogwirkung auf dem Nachtkastl ausübt, rollt er die alternative Vorgeschichte des heutigen Silicon-Valley-Wunders auf. Die Zeit nämlich, als von der biederen Firma Sandoz aus der Schweiz die ersten LSD-Fläschchen kursierten und dort in aufnahmebereite, schnell sehr zittrige Hände fielen. Professor Leary ist der neue Guru der Szene: Er lädt Freunde und seine wissenschaftlichen Assistenten zu selbstverständlich streng wissenschaftlichen Sessions bei Jazzmusik ein, bei denen die ersten Trips über die Pforten der Wahrnehmung hinaus gewagt werden. (Muffathalle, 14.2., Signierstunde Hugendubel am Stachus, 16.2.)
Nur Kenner wissen den habilitierten Hippie in Norbert Lammert, in dem glatzköpfigen, spitzzüngigen, väterlich strengen ehemaligen Bundestagspräsidenten, zu entdecken. Und doch ist der gute Mann weit mehr als nur ein abgerockter Berufspolitiker, sondern ein feinsinniger Experte für Zwischentöne – und ein solider GoetheKenner. Als solcher kommt er zur „Goethe im Gasteig“-Reihe in die Stadt und zeigt sich von seiner ganz anderen Seite. Worauf man sich freuen darf: Seitdem Lammert nicht mehr in Amt und Würden steht, wirkt er wie befreit – und spricht frei von der Leber weg. Diskutieren wird er übrigens mit Manfred Osten, der ebenfalls bestens im Goethe-Gesamtwerk zuhause ist und der ein gutes Gespür dafür hat, wie man Goethe-Gedanken für die Lösung aktueller Probleme heranziehen kann. Pluspunkt für die sprühend witzige Chemie zwischen den beiden: Auch Osten ist ein altgedienter Regierungsund Verwaltungsprofi: Er war lange im Auswärtigen Dienst für sein Land tätig. (Gasteig Black Box, 11.2.)
Ob er nun als Kultautor anerkannt wird oder nicht: Darüber muss sich Jonathan Lethem keine Sorgen mehr machen. Der Erfinder grandioser Brooklyn-Romane wie „Motherless Brooklyn“und „Die Festung der Einsamkeit“stellt seinen neuen CharlesHeist-Roman vor. Darin klemmt sich der „wilde Detektiv“an die Fersen eines verschwundenen Mädchens, das in Kalifornien abgängig ist. (Literaturhaus, 18.2.)
Gleich mit einem ganzen PersonenTableau von Verschwundenen muss sich Robert Seethaler („Der Trafikant“, „Jetzt wird’s ernst“) in seinem neuen Bestseller „Das Feld“herumschlagen. Er gibt den Toten ihre Stimmen zurück. Und der Chor der Sprechenden zerreißt die Stille auf dem Gottesacker. (Kammerspiele, 16.2.)
Mit der Frage, ob seine Stimme Gehör findet, muss sich Gerd Lohmeyer („Dahoam is dahoam“), der vielbeschäftigte Schauspieler und Regisseur, natürlich schon lange nicht mehr herumschlagen. Zusammen mit dem Pianisten Tommaso Farinetti wagt er sich für das neue Programm „Emotionale Katastrophen“in die Hexenküche der Angst, wie er schreibt. Dort treffen beide auf Friedrich Dürrenmatt, Kafka, Poe, aber auch Claude Debussy, Franz Schubert und György Ligeti. (Alte Utting, 9./10.2.)
Zum Auftakt einer neuen Reihe sollte man schließlich seine Schritte an den Rosenkavalierplatz lenken. Dort startet die neue Einmal-im-Monat-Donnerstags-Reihe „Augen auf! Ohren auf“von Christiane und Ali Ershadi durch, die zuvor schon vielbeachtete Veranstaltungen im The Lovelace durchgeführt haben. Los geht’s mit einem Valentinstag-Spezial: den „Frauen.Geschichten“von Andreas Altmann. So versöhnlich gibt sich der Wüterich aus Altötting eher selten. Man erinnere sich nur an seine (un-)schönen Klassiker „Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend“, „Triffst du Buddha, töte ihn!“und „Dieses beschissen schöne Leben.“Bei ihm hat das Wort noch Kraft. Und was für eine! (Arabella Buchhandlung, 14.2.)