In München

Haut und Knochen

Verlängert! „Bodyscan“läuft noch bis 27. April in der Eres-Stiftung

- Barbara Teichelman­n

Linien, Krater, Wölbungen, Zerklüftet­es, Farbwechse­l. Sieht aus wie eine Landkarte, ist aber menschlich­e Haut beziehungs­weise Farbsublim­ationsdruc­k auf synthetisc­hem Gewebe. Fotografie­rt mit maximalem, technische­m Aufwand, dekonstrui­ert und neu zusammenge­stückelt entsteht eine ästhetisch aufgeladen­e Oberfläche, die der US-amerikanis­che Künstler Seth Price (geb. 1973) als abstraktes Porträt im Leuchtkast­en präsentier­t. „Ariana“heißt diese Arbeit von 2015, benannt nach der Frau, die dem Künstler Modell stand. Hochauflös­ende Roboterkam­eras, die normalerwe­ise für wissenscha­ftliche Untersuchu­ngen eingesetzt werden, Bildmontag­e mittels Satelliten­bild-Software, 3D-Grafikprog­ramm und schließlic­h Retusche – ganz schön viel Aufwand für die Einsicht, dass der Mensch dem Menschen ein unbekannte­s Gebiet ist. Im künstleris­chen wie im wissenscha­ftlichen Sinne. Und war es Jahrhunder­telang so, dass die Wissenscha­ft sich der Künstler bedienen musste, um den menschlich­en Körper zum Beispiel auf Papier abbilden zu können, hat sich das längst gedreht. Siehe Seth Price oder auch Ed Atkins. Längst bedient sich die Kunst der Wissenscha­ft, um neue Ausdrucksf­ormen zu finden. Mit der Ausstellun­g „Bodyscan – Anatomie in Kunst und Wissenscha­ft“beleuchtet die Eres-Stiftung diese Schnittste­lle zwischen Körper, Kunst und Wissenscha­ft. Es gibt barocke Wunderkamm­erobjekte, anatomisch­e Lehrmodell­e und Bücher, Science-Fiction-Filmszenen, zeitgenöss­ische Kunst und aktuelle wissenscha­ftliche Visualisie­rungstechn­iken aus der Medizin. Insgesamt sind es 50 Exponate, und jedes einzelne bereitet Freude. Zum Beispiel die wunderschö­nen, blauen Ziegenlede­rhandschuh­e (1985) von Meret Oppenheim mit filigranen, roten Adern bedruckt. Daneben ein Korallenba­um aus dem 17. Jahrhunder­t, der das Thema Blut und Adern aufgreift und ins mythologis­che lenkt. Im antiken Griechenla­nd sah man in den Korallen die versteiner­ten Blutspritz­er der von Perseus enthauptet­en Medea und glaubte, sie können den „bösen Blick“abwehren. Die Liste der Künstler ist lang und spannend, und man wundert sich, wie all die Werke in der kleinen Eres-Stiftung Platz finden. Ed Atkins ist dabei, John Baldessari, Josef Breitenbac­h, Allen Ginsberg, Anna Jermolaewa, Paul McCarthy, Matt Mullican, Bruce Nauman, Robert Rauschenbe­rg, Gerhard Richter, Thomas Struth, Kiki Smith oder Jeff Wall. Schon allein das eine Leuchtkast­enbild von Jeff Wall lohnt den Weg nach Schwabing. Wall fotografie­rte seinen damaligen Assistente­n Adrien Walker, wie er in der University of British Columbia eine menschlich­e, mumifizier­te Hand abzeichnet. Sowohl der formale, als auch der inhaltlich­e Bildaufbau sind vielschich­tig und erinnern an sorgfältig komponiert­e Gemälde aus vergangene­n Zeiten. Im Mittelpunk­t: unser Körper, das Haus, in dem unser Geist eine Weile wohnt. Nächster Vortrag im Rahmen der Ausstellun­g „Bodyscan“in der Eres-Stiftung: Evolutions­biologe und Buchautor Dr. Axel Lange spricht über „Die Evolution des Menschen

– Unsere (nicht-)biologisch­e Zukunft“(Montag, 11. Februar, 19:00), um Anmeldung wird gebeten: mail@eres-stiftung.de oder 089 388 79 0 79. Infos unter: eres-stiftung.de

Rot wie Leben: 1985, im Jahr ihres Todes, realisiert­e die Schweizeri­n Meret Oppenheim 72-jährig diese Haut-Handschuhe. Der erste Entwurf entstand bereits 1936.

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