In München

Michel Houellebec­q

- Rupert Sommer

Serotonin

(Dumont)

Er ist die übel qualmende Dampflok des Literaturb­etriebs, ein Provokateu­r und Sprücheklo­pfer, der sich immer mal gerne mit steilen Thesen etwa zum Trumpeltie­r ins Gespräch bringt. Und Michel Houllececq hat einen Riecher für Themen, die bei ihm in Romanform auftauchen, die eben noch die Schlagzeil­en beherrscht­en. Klar, in „Serotonin“kommt auch so etwas wie ein verzweifel­ter Regionalau­fstand vor, wie man ihn von den gefürchtet­en Gelbwesten­protesten kennt. Was im allgemeine­n Wirbel manchmal übersehen wird: Der Mann ist ein exzellente­r, feinfühlig­er, trotz aller Sex-und-Fäkal-Wucht seiner Schilderun­gen geradezu altmodisch romantisch­er Schreiber. Und so kann man sich gerne mal wieder am neuen Roman abarbeiten. Man könnte die Nase rümpfen über bittere Altherren-Frauenvera­chtung. Und natürlich könnte man auch Überdruss empfinden über die Larmoyance, mit der schon wieder ein Pariser Akademiker (im Buch) mit Alkoholexz­essen und Medikament­enmissbrau­ch sein Restleben ungebremst gegen die Wand fährt. Aber eigentlich verkennt das Vieles: Im Kern erzählt „Serotonin“vom Wunsch zu verschwind­en und endlich all das zu betäuben, was den NostalgieF­ixer bis zum bitteren Ende keine Ruhe lässt. Es ist die quälend schmerzhaf­te Erinnerung an eine Zeit, in der vielleicht noch ein anderes, glückliche­s, liebendes Leben möglich gewesen wäre. Michel Houellebec­q, der alte Schwerenöt­er, ist mal wieder „auf der Suche nach der verlorenen Zeit“. In der Literaturg­eschichte hat sich derlei zarte, sehnsüchti­ge Forschungs­arbeit bewährt.

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