Yoga In Sound (Teil 1)
Jeder hat sie wohl: Musikstücke oder Platten, die unser Leben verändern und regelrechte Gräben in unsere Lebenslinien schlagen. Meine Lieblingsalben stammen zwar aus ganz unterschiedlichen Jahrzehnten und doch vereint sie ein gemeinsamer Nenner: der Blick nach Osten, genauer nach Indien. Die für mich wichtigsten Musik-Veröffentlichungen sind wie ein Audio-Leitfaden in die Untiefen der Indisch-induzierten Philosophie. Was folgt, ist die Antwort auf folgende Frage: Wie wurde aus einem Heavy-Metal-Fan in einem kleinen Dorf ein vor Sonnenaufgang aufstehender Yogi? Die Antwort liegt in diesen beiden Platten.
Cro-Mags The Age Of Quarrel (Profile Records 1986)
Die Cro-Mags waren die erste Band, die die Bhakti Yoga-Tradition erstmals in die Hardcore- und Metal-Stratosphäre trugen. Eine Band so durchzogen von internen Querelen, dass es heute fast prophetisch anmutet, dass ihr erstes (und ohne Zweifel wichtigstes) Werk den Begriff „Quarrel“(zu deutsch: Streit oder Auseinandersetzung) im Titel trägt. Keine andere Platte hat mit ihren 33:44 Minuten Spiellänge (im Kampfsport wäre das wohl „Lightweight“) so viel Power und Kraft. Die Fusion aus Hardcore und furiosen Metal-Riffs hat über die vielen Jahre seit seiner Entstehung nichts an seiner Sinn suchenden Bösartigkeit eingebüßt. Schon das Einzählen von Schlagzeuger Mackie beim Opener „We Gotta Know“gibt die Richtung vor: alles ist echt hier, alles explodiert (wie das Album-Cover unschwer erkennen lässt), alles implodiert (auf die bandinternen Querelen bezogen). Wo andere Acts als Mittelstand-High School-Sportler oder Ex-Hippies positiv Ihre neugefundene Devotion zu Hindu-Göttern zelebrieren, punkten die Cro-Mags noch mit echtem Straßen-Charme und einer gehörigen Portion Attitüde wie im Song „Street Justice“: „Overpower-Overcome Street Justice Street Justice Street Justice“. Aber auch „The Age Of Quarrel“beinhaltet den tiefen Wunsch nach spirituellem Wissen, welches unsere verrückte Existenz auf dem Planeten Erde in transformierende Bahnen lenken kann: „Wasting my time serving my mind / For sense pleasures I can find / Gotta get back, back to the truth / You know it was left behind“(„Seekers Of The Truth“). Verleumdungen, Gerichtsverhandlungen, Messerstechereien, jahrzehntelange Fehden (die bis zum heutigen Tag andauern). Nichts, aber auch gar nichts kann dieses Statement einer Band zugrunde richten, die wie ein Phoenix aus dem Schlamm der Lower East Side entstieg, kurz das Rampenlicht auf einen gänzlich neuen (und echten) Mix aus Metal-Gitarren und Hardcore-Energie richtet, nur um dann im selbst prophezeiten „Quarrel“wieder unterzugehen. Dass die Band mittlerweile in zwei Inkarnationen tourt und dabei eigentlich (trotz mehrerer veröffentlichter Platten) gänzlich auf ihr Debüt-Album setzt, spricht eine klare Sprache. Sänger John Joseph ist mittlerweile mehrfacher Ironman-Triathlet, Autor und noch immer loyaler Anhänger seines Gurus Srila Prabhupada. Wer New York Hardcore, spirituelle Tough-Guy-Texte und musikalisches Yoga in seiner rauesten Form erfahren möchte, muss einen Zwischenstop bei den Cro-Mags einlegen. Natürlich gab es auch andere laute Hindu-inspirierte Bands (z.B. die grandiosen 108), aber nie mehr mit der gleichen Eindringlichkeit wie auf „The Age Of Quarrel“.
White Sun White Sun (Be Why 2015)
Nun aber zur Neuzeit. Wir bewegen uns vom Bhakti Yoga hin zum Kundalini Yoga. Einer Yoga-Praxis, die darauf abzielt die innewohnende KundaliniEnergie zu erwecken und hierzu (statt Gymnastik) dynamisch meditative Technologien benutzt. Keine Band definiert, besetzt und beschreibt Kundalini Yoga so umfassend und schön wie die großartigen White Sun. Das Trio aus Los Angeles sprengt Gender-Grenzen, AltersGrenzen... eigentlich alle Grenzen. Sängerin und Songwriterin Gurujas Khalsa, Produzent und Brazilian Jiu JitsuSchwarzgurt Adam Berry und renommierter Yoga-Meister Harijiwan Khalsa haben es geschafft, einer stetig wachsenden kraftvollen Yoga-Bewegung einen Klang zu geben. Ihre ätherischen Klänge transportieren den geneigten Hörer (aka mich) ohne Umwege sofort in eine meditative Stimmung. Aggression oder Missstimmung ist beim Hören von White Sun gänzlich undenkbar. Kundalini Yoga wurde von seinem Gründer Yogi Bhajan auf den Fundamenten der Sikh-Kultur Indien’s erschaffen. Und gemäß dieser Tradition präsentieren White Sun beinahe alle bisherigen Kompositionen in der wundervoll anmutenden Gurmukhi Sprache. Von allen Bands besetzten White Sun wie keine andere Musikgruppe meine Welt. Sei es die von mir gehaltenen Seminare, Kurse und Yoga-Stunden oder zu Hause auf der Couch. Songs wie „Lakshman“sind der Soundtrack meiner Lehrtätigkeit und meines