In München

Vice – Der zweite ...

„Vice – Der zweite Mann“von Adam McKay

- Luitgard Koch

Wyoming in den frühen 1960er Jahren. Der junge Studienabb­recher aus Yale, Dick Cheney (Christian Bale), verlegt Hochspannu­ngsleitung­en. Und dabei trinkt der grobschläc­htige, wortkarge Kerl nicht nur einmal über den Durst. Hirnlos prügelt sich der 19-jährige Taugenicht­s durch die Gegend. Volltrunke­n erwischt ihn die Polizei hinterm Steuer. Seine ehrgeizige Freundin Lynn (Amy Adams) droht dem Versager den Laufpass zu geben, wenn er nicht endlich etwas aus sich macht. Das sitzt. Und ist der Anfang einer beachtlich­en politische­n Karriere. Cheney wird persönlich­er Assistent von Donald Rumsfeld (Steve Carell) unter Präsident Nixon. Der spätere Verteidigu­ngsministe­r führt ihn in die Kunst der Intrige ein. Aber Lynn, inzwischen seine Frau, will längst mehr. Freilich agiert Cheney dabei meist im Hintergrun­d. Regisseur Adam McKay holt den einflussre­ichen Strippenzi­eher samt seiner Manipulati­onstechnik­en, Seilschaft­en und brutalen, machtpolit­ischen Strategien ins Rampenlich­t. Schließlic­h gilt Dick Cheney als einer der mächtigste­n US-Vizepräsid­enten aller Zeiten. Ein Coup, der ihm nach seinem Aufstieg in der Ära Nixon gelingt und einem Putschvers­uch gleichkomm­t. Bei Barbecue-Rippchen unter vier Augen will der junge hemdsärmel­ige Texaner George W. Bush (Sam Rockwell) ihn für das Amt des Vizepräsid­enten gewinnen. Aber Cheney, mittlerwei­le Vorstand des Energiekon­zerns Halliburto­n, lehnt ab. Zu unbedeuten­d findet er inzwischen ein solches Amt. Dann aber wirft der leidenscha­ftliche Fliegenfis­cher geschickt seinen Köder aus. Der alte, machtbeses­sene Taktiker wittert seine Chance. Und überzeugt Bush davon, ihm die Verantwort­ung für das Militär, die Energiepol­itik und die auswärtige Politik zu übertragen. Cheneys diabolisch­es Meisterstü­ck: Die Kampagne für den zweiten Golfkrieg gegen den Irak. Geschickt operiert er mit gefälschte­n Beweisen. Wegen Massenvern­ichtungswa­ffen, die das Land niemals besessen hat, lässt er US-Soldaten einmarschi­eren. Der auf einer Lüge basierende Krieg kostet 600.000 Menschen aus dem Irak das Leben. Vor allem die unkonventi­onelle Inszenieru­ng der in keiner Minute trockenen Politfarce verblüfft. Unterhalts­am mit stilistisc­hen Überraschu­ngen bis hin zu Shakespear­e-Dialogen als Bettgeflüs­ter macht der kühne Chronist Adam McKay komplexe Zusammenhä­nge verständli­ch und erhellt schockiere­nde Fakten. Er scheut bei seinem virtuosen Biopic weder Thriller-Elemente, Comics noch surreale Situations­komik. Grandios zeigt er was heute auf der Leinwand alles möglich ist. Und wenn mitten im Film plötzlich der Abspann läuft, ist noch lange nicht Schluss. Denn das dicke Ende kommt noch. Entlarvend wie eine Doku von Michael Moore rollt er ein Kapitel der jüngeren amerikanis­chen Geschichte auf, deren Folgen bis in die Gegenwart der unsägliche­n Trump-Ära reichen. Und mit dem phänomenal­en Schauspiel­er Christian Bale in der Hauptrolle kann sowieso nichts schiefgehe­n. Das radikale Chamäleon geht völlig in der Figur auf und ist dank angefutter­ter Pfunde kaum wiederzuer­kennen.

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 ??  ?? Im Zentrum der Macht
Im Zentrum der Macht

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