In München

Ohne Davor kein Dahinter

Auf ins Museum Brandhorst! Dort zerlegt Alex Katz die Gegenwart in Form, Farbe und Fläche

- Barbara Teichelman­n

Zum Einjährige­n schenkte Alex Katz dem Museum Brandhorst ein Bild. „Citylights“(1995) heißt es, ein großformat­iges (6 x 3 Meter) Stück Nacht mit kahlen Bäumen, kleinen, irrlichter­nden, hellen Kreisen, und alles in dunklen Blautönen gehalten. Das war 2010 und sagt viel aus über die Beziehung zwischen Künstler und Sammlung. Dieses Jahr steht das 10-jährige an, und bevor das Jubiläum ganz offiziell mit der Jubiläums-Ausstellun­g „Forever Young“Ende Mai begangen wird, hat das Museum Brandhorst schon im Dezember vergangene­n Jahres angefangen vorzufeier­n – mit einer großen AlexKatz-Schau. Irgendwie schließt sich da ein Kreis. Über 80 Arbeiten sind zusammenge­kommen, der Großteil der Bilder stammt aus der eigenen, umfangreic­hen Sammlung und wurde durch Leihgaben zu einem Überblick von den 1950er-Jahren bis heute ergänzt. „Two Figures“heißt das früheste Bild, das 1954 – vielleicht an einem Strand – entstand. Ein fast durchsicht­iger Himmel und ein pastös beiger Sand teilen das Bild horizontal in zwei symmetrisc­he Hälften und halten so die Welt in perfekter Balance. Mittig im Bild sitzen zwei Personen in T-Shirt und kurzen Hosen. Man denkt sofort an Ferien, Ausflug, Sonnenbran­d und Eis. Und wundert sich, wie früh und wie konsequent der amerikanis­che Künstler sein Werk angelegt hat. Farbe, Fläche, Form, die Abwesenhei­t von Räumlichke­it, die Anwesenhei­t einer absoluten Gegenwart – alles schon da. Man hat den heute 91-jährigen mit „Vorläufer der PopArt“gelabelt und sein Werk immer mal wieder als „oberflächl­ich“bezeichnet. Fest steht, dass er heute einer der bekanntest­en und beliebtest­en Künstler überhaupt ist. Was wohl daran liegt, dass seine Arbeiten auf den ersten Blick leicht zugänglich sind. What you see, is what you get. Mensch ist Mensch, Baum ist Baum, Haus ist Haus, Rot ist Rot, Blau ist Blau, Schwarz ist Schwarz. Auch seine Motive sind geläufig. Gesichter, Körper, Landschaft­en. Was ihn damals in den 50er Jahren an der gegenständ­lichen, figurative­n Malerei interessie­rt hat, als sich so ziemlich alle anderen Künstler der Abstraktio­n in die Arme warfen, waren formale Aspekte. Katz fing an, das was wir unsere Wahrnehmun­g nennen, in einzelne Momente, Farbe, Fläche und Form zu zerlegen. Auch eine Art von Abstraktio­n übrigens, wenn auch gegenständ­lich. Katz erzählt keine Geschichte­n, er bebildert die Gegenwart – und die braucht keinen Kontext. So geraten seine Bilder zu Schablonen der Wirklichke­it, die als stilisiert­e Oberfläche das thematisie­ren, was nicht sichtbar ist. Malerei als Platzhalte­r für das Eigentlich­e, das Dahinter. Wobei man natürlich auch zu dem Schluss kommen kann, dass das Davor das Eigentlich­e ist. Denn ohne Davor gibt es kein Dahinter.

Die Ruhe liegt in der monochrome­n Fläche: Frontal und stark stilisiert, malte Alex Katz seinen Freund, den US-amerikanis­chen Choreograf­en und Tänzer Paul Taylor 1959.

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