Aus der Finsternis ins Farb-Feuerwerk
Spannende neue Stücke, in denen man sich verlieren kann. Und in denen man plötzlich viel Sinn findet
Hinein in die Dunkelheit: Hauptfeldwebel Oliver Pellner und Unteroffizier Stefan Dorsch bekommen einen hochbrisanten Auftrag. Sie sollen im Auftrag der Bundeswehr-Führung den verschollenen Oberstleutnant Karl Deutinger in den staubigen Weiten Afghanistans aufspüren. Dem offensichtlich durchgeknallten einstigen Vorzeigesoldaten hat die brutale Hitze das Resthirn weggebrutzelt. Zwei Kameraden soll er umgebracht haben, nun geisterte er auf irregeleiteter Spezialmission ungebremst und gefährlich durchs Land. Klingelt da was? Na klar. Joseph Conrad. Francis Ford Coppola. Die sofort eintretende Apokalypse. Wolfram Lotz hat mit Die lächerliche Finsternis eine verstörende Textcollage zusammengeklopft, die westliche Zuschauer mit ihren bizarren Konstrukten von der Fremde konfrontieren soll. Dabei hilft viel entlarvend skurriler Humor. So steht im Stück auch ein somalischer Pirat vor dem Landgericht Hamburg. Und er spricht klarstes Hochdeutsch. (Volkstheater, ab 14.3.)
Auch über Korsika brennt die Sonne. Und auf den ersten Blick wirkt alles friedlich, wenn der Eremit Raphael seine Bienen zum Honigsammeln ausschickt. Doch natürlich bricht Gewalt in die bukolische Szenerie: Seit Jahren schon tobt auf der Insel eine blutige Familienfehde – zwischen den Pietra Neras und den Fabianis. Und wer die stolzen Korsen kennt, ahnt, dass friedensstiftende Kompromisslösungen für sie inakzeptabel sind. Immer neue Opfer fordert der böse Blutracheautomatismus. Und im Hintergrund zieht L’Ancêtre, die finstere titelgebende Ahnin, die Fäden. Sie steht für den personifizierten Hass. Es ist ein „Drama lyrique“, an das sich Regisseurin EvaMaria Höckmayer gewagt hat, aber si-
cher kein rein geschmeidiger Stoff. 100 Jahre nach seiner Entstehung kommt das Stück erstmalig auf eine Münchner Bühne. (Prinzregententheater, ab 20.3.)
Warum „Game of Thrones“im Fernsehen schauen, wenn man auch live einen ziemlich deftigen Feierabend erleben kann? Noch so ein Stück, das die Schwarten krachen lässt, dürfte die Wim-VandekeybusChoreografie Die Bakchen – Lasst uns tanzen werden, die auf einen antiken Stoff von Euripides zurückgreift. Im Zentrum steht mit Pentheus ein junger, etwas naiver Herrscher über Theben. Eigentlich sollte er Recht und Ordnung walten lassen, der Faszination der geheimen Orgien jenseits der Stadtmauern kann er sich aber auch nicht entziehen. Und dann gibt es ausgerechnet mit dem Feierteufel Dionysos einen gekränkten Gott, der Pentheus herausfordert. Heftige Verwicklungen, wilde Räusche und großes Durcheinander zeichnen sich ab. (Cuvilliéstheater, ab 15.3.)
Zeitsprung in den nächsten Sündenpfuhl: Klar, der Kit Kat Club steht noch immer auf dem Erlebniskalender des unerschrockenen Berlinbesuchers von heute. Mit Cabaret geht es aber noch einmal zurück in die lasziven 30er Jahre. Jeden Abend steigt im verruchten Amüsierschuppen ein dekadenter Tanz auf dem Vulkan. Und das, während draußen die Braunhemden marschieren. In Zusammenarbeit mit dem English Theatre Frankfurt kommt einer der größten MusicalKlassiker in die Stadt, der bekanntlich auf Christopher Isherwoods „Berlin Stories“basiert. Not to be missed! (Deutsches Theater, ab 15.3.)
„Geschichte ist einfach nur eine Scheißsache nach der anderen“: Man muss schon zugeben, die derbe Schlichtheit dieser Definition hallt dann eben doch eine Zeit lang nach. Zusammen mit sieben Klassenkameraden aus seiner nordenglischen Grammar School wagt ein kluger Junge aus der Arbeiterklasse den Affront, der auch heute noch den selbsternannt feineren Teil der britischen Gesellschaft irritieren würde. Der kantige Kerl aus dem Norden möchte die Aufnahmeprüfungen an den EliteUnis von Oxford und Cambridge absolvieren. Doch kann er die Jury für sich gewinnen? The History Society ist eines dieser Stücke, die den Brexit-Schmerz etwas lindert. (Pepper Theater, 13. bis 17.3.)
Trans-Europa-Einsamkeit: Vielleicht sind die trostlosen AutobahnRaststätten die besten Orte, um die Ort- und Beziehungslosigkeit junger Europäer ganz gut sichtbar zu machen. Es ist der Zufall, der sie alle zusammenbringt: ein belgisches Ehepaar auf ihrem Weg zum Sohn in Schweden, einen lettischen LKW-Fahrer, der mit einer ganz besonderen Fracht unterwegs ist, ein Bildungsbürgerpaar samt Kindern auf beflissener Kulturreise – und zwei Wachleute, die schon bald in Streit geraten. Plötzlich rottet sich vor den Glasfenstern des Rasthauses eine Menschenmenge zusammen: geflüchtete Menschen, die Hilfe einfordern. Doch die Türen schließen sich: „Keiner rein. Keiner raus“, heißt es mal wieder. Jochen Schölch navigiert das Publikum durch den Das Abendland-Abend. Unbedingt sehenswert! (Metropoltheater, 20.3.)
Wem das alles zu trist und grau wird, der kann natürlich gerne auch vom schönen alten Europa tagträumen und gleich nochmal Im weißen Rössl einchecken. Die Inszenierung von Staatsintendant Josef E. Köpplinger kommt auf vielfachen Wunsch zur Wiederaufführung. (Gärtnerplatztheater, ab 14.3.)
Und dann kann man natürlich auch dem inneren Harry Potter den poetischen „Feuer frei“-Befehl geben. Das Duell der Magier bringt die besten bunten Künste auf die Bühne, die der Markt der Illusionisten, Trickser und Verzauberer derzeit so zu bieten hat. Pluspunkt: Das wird ein Vergnügen für die gesamte Familie. Und das Durcheinander aufräumen müssen andere. (Gasteig Carl-Orff-Saal, 9.3.)
Bleibt zum Schluss das Geschäft mit den Träumen: Das philosphisch angehauchte Musiktheater Vom Fliehen und vom Fliegen hilft beim Sprung aus dem Hamsterrad. (Einstein Kultur, 8. bis 10.3.)