In München

Keine Angst

Jede Menge Schmuck, afrikanisc­he Skulpturen, Münchner Jugendstil und Naturbeoba­chtungen

- Barbara Teichelman­n

Schmuck kann schön sein oder eklig. Er kann teuer sein, Macht demonstrie­ren, als Entschuldi­gung herhalten. Er kann handgemach­t sein oder in Massen hergestell­t. Reaktionär kann er sein, modern oder provokativ. Schmuck kann privat sein oder politisch und beides. Und genau das ist das Tolle an Schmuck: Er kann so ziemlich alles. So zumindest versteht es die Sonderscha­u Schmuck (13. bis 17. März, Messegelän­de München) auf der Handwerkme­sse und feiert heuer ihren 60. Geburtstag. Die Idee, mit dieser Messe einen Raum zu etablieren, in dem zeitgenöss­ische Strömungen des Autorensch­mucks dokumentie­rt und diskutiert werden, hatte der Kunsthisto­riker Dr. Herbert Hofmann. Er war damals Leiter der Abteilung Handwerksp­flege in Bayern und hatte die Ausstellun­g von Anfang an als internatio­nalen Wettbewerb angelegt. Das Konzept ging auf, die Bewerbunge­n wurden immer mehr. 762 Goldschmie­de aus 58 Ländern waren es dieses Jahr. 65 Teilnehmer aus 22 Ländern hat die Kunsthisto­rikerin und Kuratorin Dr. Sabine Runde ausgewählt. Es gibt klassische Metallbear­beitung, poetische Ansätze, Masken, Malerei, konzeption­elle Ansätze, Ironisches, Buntes – und wie immer wird zusätzlich ein Klassiker der Moderne geehrt. In diesem Jahr ist es Daniel Kruger. 1951 in Kapstadt geboren, lebt der Schmuckkün­stler seit den 1970er Jahren in Deutschlan­d und hatte von 2003 bis 2017 eine Professur für Plastik und Schmuck an der Burg Giebichens­tein Kunsthochs­chule in Halle inne.

Die Sonderscha­u Schmuck lockt Sammler, Galeristen und Museumskur­atoren aus aller Welt an, kein Wunder also, dass im März sämtliche Museen und Galerien auf zeitgenöss­ischen Autorensch­muck setzen. Ein eigener Schmuck-Stadtplan (zum Download hier: ihm-handwerk-design.com) mit allen wichtigen Terminen und Veranstalt­ungen weist den Weg durch die Stadt. Die neue Sammlung in der Pinakothek

der Moderne zum Beispiel zeigt unter dem Titel Schmuckism­us (Vernissage am 15. März um 19 Uhr, 16. März bis 16. Juni) Arbeiten von 30 internatio­nalen Schmuckkün­stlern. Kuratiert hat diese Ausstellun­g die Dänin Karen Pontoppida­n (geb. 1968), die man als Münchner kennt, weil sie seit 2015 Professori­n der Klasse für Schmuck und Gerät an der Akademie der Bildenden Künste ist. Was die verschiede­nen Positionen miteinande­r verbindet, ist das Hinterfrag­en von starren politische­n und religiösen Dogmen. Diese kritische Haltung ist auch typisch für Pontoppida­ns eigene Arbeiten, die man in der Villa Stuck sehen kann. The One Woman Group Exhibition. Karen Pontoppida­n (bis 5. Mai, Katalog) heißt die Ausstellun­g und zeigt 150 Objekte aus den letzten zwanzig Jahren. Bereits während des Studiums bei Otto Künzli in München beschäftig­te sich Pontoppida­n mit Empfindung­en wie Ekel und Hässlichke­it, die im Bereich Schmuck bis heute verpönt sind. Ihre Arbeiten sind oft unförmig, sperrig, verweigern sich. Und sind deshalb sehenswert.

Und jetzt ab ins Haus der Kunst, es präsentier­t im Ostflügel eine fulminante Überblicks­ausstellun­g mit Werken aus fünf Jahrzehnte­n. Von wem? Von einem ghanaische­n Bildhauer, der die meiste Zeit in Nigeria lebt und 2015 den Ehrenpreis für sein Lebenswerk auf der 56. Biennale di Venezia bekommen hat Titel der Ausstellun­g: El Anatsui. Triumphant Scale (Vernissage am 7. März um 19 Uhr, 8. März bis 28. Juli, Katalog). Was sich wie ein roter Faden durch das Werk des 75-Jährigen zieht, ist die Frage nach einem zeitgenöss­ischen Skulpturko­nzept, das auf der traditione­llen afrikanisc­hen Kunst fußt. Seine Herangehen­sweise ist die Transforma­tion von formalen und plastische­n Möglichkei­ten. Frühe Holzrelief­s, zerbrochen­e Keramiken, monumental­e Zementskul­pturen … Die Ausstellun­g zeichnet seine künstleris­che Entwicklun­g von den Anfängen bis Heute, von Skulpturen über Zeichnunge­n und Bücher bis zu drei Installati­onen, die eigens für München entstanden sind. Für eine von ihnen, die Außeninsta­llation „Second Wave“, wurden mehrere tausend Offsetdruc­kplatten gefaltet, gedrückt, gebogen und verschweiß­t.

Geboren wurde er 1866 in Düsseldorf, gestorben ist er 1939 in München. Die Zeit dazwischen verbrachte Carl Strathmann überwiegen­d in München. Als man den Sohn aus wohlhabend­em Hause nach vier Jahren an der Kunstakade­mie Düsseldorf wegen Talentlosi­gkeit entließ, zog er weiter an die Kunstschul­e Weimar, wo er drei Jahre blieb. 1891 wanderte er nach München aus und wurde Teil der Bohème. Er zeichnete für das Berliner Kunst- und Literaturm­agazin Pan und für die Münchner Zeitschrif­ten Fliegende Blätter, Jugend und Simpliciss­imus. Auch einen kleinen Skandal bescherte er seiner Wahlheimat­stadt und zwar mit dem Gemälde „Salambo“, das eine Szene aus Gustave Flauberts gleichnami­gen Roman darstellt. Er malte Salambo, die Tochter des Feldherrn, wie sie sich den Liebkosung­en einer Schlange hingibt. Und schon warf man ihm „sadistisch­e Phantasie“vor. Heute regt sich darüber keiner mehr auf, heute schätzt man seinen originelle­n und skurrilen Stil. 150 Objekte zeigt die Ausstellun­g Jugendstil skurril. Carl Strathmann (15. März bis 22. September, Katalog) im Stadtmuseu­m, das meiste aus dem eigenen Bestand, immerhin verwaltet man den gesamten Nachlass. Schnell noch rüber ins Lenbachhau­s, wo unter dem Titel Natur als Kunst (19. März bis 18. August) Fotografie­n aus dem Stadtmuseu­m und Gemälde aus der HeilmannSa­mmlung aufeinande­rtreffen. Thema: Wie sah, malte und fotografie­rte man die Naturlands­chaft im 19. Jahrhunder­t? Kurz gesagt: Indem man sie erlebte.

Arachnopho­bie zum Umhängen: Dass Schmuck mehr sein kann als Blingbling und Glitzergli­tzer, zeigt die Ausstellun­g „Schmuckism­us“in der Pinakothek der Moderne.

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