BELÄSTIGUNGEN
Arbeit ist (ich versuche das mal so zu paraphrasieren, daß man dieses Heft eventuell auch in eine Kirche mitnehmen kann) Kot. Das liegt einerseits daran, daß die Arbeit, die auf diesem Planeten stattfindet, zu 99 Prozent vollkommen sinnlos ist und nur dem Zweck dient, Geldvermögen zu vergrößern, die sowieso schon viel zu groß sind. Und nebenbei die Lebensgrundlagen fast sämtlicher Lebewesen zu vernichten. Andererseits ist die Arbeit auch noch so idiotisch organisiert, daß selbst der sinnvolle Bruchteil zur Folter ausartet. Da macht jeder irgendwas, was mit irgendwas zusammenhängt, wovon er keine Ahnung hat. Der eine schleift den ganzen Tag Metallstücke, ohne zu wissen, daß jedes davon in einen Zapfhahn hineingehört, der ohne das Metallstück kein Bier ausspuckt. Der andere zapft Bier, kann das aber nicht mehr tun, wenn das Metallstück kaputt ist. Wüßten beide voneinander (und dazu noch der Braumeister und ein paar weitere Beteiligte), könnten sie den gesamten Vorstand, Firmenchef, Aufsichtsrat und sämtliche sonstigen Profiteure auf den Mond schießen. Das ist der Fließbandeffekt: Wenn in einem Arbeitsprozeß jeder nur noch ein Rädchen ist, das keine Ahnung von seiner eigenen Funktion und dem Gesamtzusammenhang hat, kann man alle prima ausbeuten. Banal, wissen wir seit Charlie Chaplin und Henry Ford. Letzterer hat das nämlich erfunden. Angeblich. Und ist damit unfaßbar reich geworden. Das nennt man heute gerecht. Schließlich war es seine Idee, Menschen an ein Fließband zu stellen, um sie zu demütigen, zu entmündigen, auszuquetschen und langsam zu töten und damit Geld anzuhäufen, das er niemals ausgeben konnte, das den anderen aber fehlte. Der hat das „verdient“, weil Idee ist Idee und Arbeit nur Arbeit. Stimmt aber gar nicht, war gar nicht die Idee vom Ford. Arbeit durch Maschinen zu organisieren und kontrollieren zu lassen, darauf waren andere schon vor ihm gekommen. Die wollten im späten 19. Jahrhundert die Schlachthöfe effektiver machen, damit mehr und billigeres Fleisch herausquoll, mit dem man mehr und billigere Arbeiter ernähren konnte. Wer sich ein Bild vom Ausmaß des Schreckens in den Tötungsanstalten machen möchte, lese Berichte aus jener Zeit. Kurz gesagt: Es war ein Höllenpfuhl von Blut, Schweiß und Scheiße, von Angstgebrüll und Seuchenschleim, der da tobte, ein Sinnbild des Elends der menschlichen „Entwicklung“, das Maler wie Otto Dix erst darzustellen wagten, als man bald darauf daran ging, Menschen auf ähnlich infernalische Weise zu Hunderttausenden abzuschlachten, und das „Weltkrieg“nannte. Nun also traten die Erfinder auf den Plan und hatten hochfliegende Pläne, die allesamt einem Zweck und Ziel dienten: Mechanisierung! Daß die Schlachthöfe Vorrang hatten, lag an der befürchteten Renitenz des Menschen: Nicht lange zuvor waren die Opfer der ersten Mechanisierungsprojekte bandenweise durch die Lande gezogen und hatten die Maschinen, die ihre Arbeit in Müll verwandeln sollten, zu Klump geschlagen. Viecher, dachte man, sind gefügiger. Schließlich sind sie blöd, und wenn mal eines aufbegehrt, ist das egal, weil es sowieso zu Wurst zermanscht werden soll. Die Sache ging grandios schief. Sämtliche Mechanisierungsversuche endeten in wüsten Aufständen: Die Tiere fanden die Maschinen zu Recht noch verdächtiger als die immerhin vertrauten Menschen. Sie warnten sich gegenseitig, rotteten sich zusammen, waren nicht mehr zu bändigen, trampelten die neuen Anlagen kaputt, und wenn es gar keinen Ausweg mehr gab, stürzten sie sich als Selbstmordattentäter ins Mechanikgetriebe hinein, wobei ihre gepeinigten Leiber so sehr zerschunden wurden, daß man sie höchstens noch der Fastfood-Industrie andrehen hätte können, die es aber noch nicht gab. Einen eitrig vernarbten Sonntagsbraten wollte keiner kaufen, und so gab man das Projekt erst mal auf und beschloß, statt dessen den Menschen in die Maschine zu zwingen. Der nämlich hatte sich schon lange zuvor Kirchtürme in die Dörfer stellen lassen, die per Glockenschlag verkündeten, wann die Arbeit losgeht, weil es sieben Uhr ist. Der feierte das auch noch als Beginn der Neuzeit nach dem verschnarchten Mittelalter. Und so begann der Triumphzug von Henry Ford und Konsorten. Dem die Viecher irgendwann auch nicht mehr entkamen, weil die Macht des angehäuften Reichtums derart immens wurde, daß er sich buchstäblich alles leisten konnte. Und weil man nach dem zweiten Weltkrieg wußte, wie man so was organisiert. So stehen wir heute da und preisen die Götter der sinnlosen Arbeit. Und nirgendwo erinnert ein Denkmal an das Schlachtvieh, das sich als einzige Bevölkerungsschicht des industriellen Zeitalters zumindest zeitweise der Unterwerfung unter die Logik der Geldvermehrung widersetzte und in diesem heroischen Kampf zwar das eigene Leben nicht retten, aber immerhin ein Zeichen setzen konnte: Es geht anders, wenn wir wollen. Daran erinnert übrigens auch ein anderes Viech, das durch die Mechanisierung ebenso seinen Job verlor wie ein großer Teil der Menschheit: die einstige Brief-, heute sogenannte Stadttaube. Im Gegensatz zum arbeitslosen Homo sapiens läßt die sich von Ämtern, Hetzpresse und „öffentlicher Meinung“weder zwingen noch die Laune vermiesen, und es ist ihr wurst, daß man sie genauso verachtet wie den arteigenen Nichtsnutz: Sie flattert fröhlich durch das industrielle Chaos und scheißt (buchstäblich) auf alles. Ein Vorbild?