Simone Meier
Kuss
(Kein & Aber)
Eine dringliche Bitte vorneweg. Eigentlich heißt es ja ohnehin: Never judge a book by its cover. Aber diesmal ist das wirklich bitterer Ernst: Unter wirklich gar keinen Umständen vom grell-kitschigen Heile-Welt-Vogeltapete-Einband ablenken lassen! Genau so einen Fehler hat nämlich auch Gerda, die mit ihrem Yann frisch, aber eben gar nicht glücklich verheirate Gattin in ihrer Verblendung offenbar auch gemacht. Eben noch war sie, wenn auch gelangweilte, unterforderte, aber immerhin voll berufstätige Grafikerin in einer Werbeagentur. Nun ist sie Rund-um-die-Uhr-Ehefrau – und Hausmutter (ohne Kinder). Die Vorgarten-Idylle im neuen Häuschen ist bilderbuchmäßig. Nachbarn, Ex-Kollegen und Verwandte fragen dreist, wenn das erste Kind endlich kommt. Und der Horror ist unermesslich. Gerda dämmert, was für einen brutal-dummen Fehler sie gemacht hat. Sie hat sich selbst in den Vogel-VögelKäfig gesperrt. Fürs Frustsaufen ist sie noch zu jung. Für einen echten Ausbruch ist sie zu feige. Stattdessen steigert sie sich in raffinierte, aber eben auch absurde Sexkapaden hinein: Endlich einen OneNight-Stand mit Yanns feschem Arbeitskollegen. Oder heimlich auf den Strich gehen. Oder sonst wie ausflippen. Vielleicht sogar der abgerockten Journalistin aus der Villa gegenüber die Augen auskratzen. Irgendwas! Simone Meier spielt im Gefängnis der Geschlechterrollen Katz und Maus und bereitet nicht nur Feministinnen lustvolle Albträume. Ein sündiges, böses Vergnügen!