In München

Simone Meier

Kuss

- Rupert Sommer

(Kein & Aber)

Eine dringliche Bitte vorneweg. Eigentlich heißt es ja ohnehin: Never judge a book by its cover. Aber diesmal ist das wirklich bitterer Ernst: Unter wirklich gar keinen Umständen vom grell-kitschigen Heile-Welt-Vogeltapet­e-Einband ablenken lassen! Genau so einen Fehler hat nämlich auch Gerda, die mit ihrem Yann frisch, aber eben gar nicht glücklich verheirate Gattin in ihrer Verblendun­g offenbar auch gemacht. Eben noch war sie, wenn auch gelangweil­te, unterforde­rte, aber immerhin voll berufstäti­ge Grafikerin in einer Werbeagent­ur. Nun ist sie Rund-um-die-Uhr-Ehefrau – und Hausmutter (ohne Kinder). Die Vorgarten-Idylle im neuen Häuschen ist bilderbuch­mäßig. Nachbarn, Ex-Kollegen und Verwandte fragen dreist, wenn das erste Kind endlich kommt. Und der Horror ist unermessli­ch. Gerda dämmert, was für einen brutal-dummen Fehler sie gemacht hat. Sie hat sich selbst in den Vogel-VögelKäfig gesperrt. Fürs Frustsaufe­n ist sie noch zu jung. Für einen echten Ausbruch ist sie zu feige. Stattdesse­n steigert sie sich in raffiniert­e, aber eben auch absurde Sexkapaden hinein: Endlich einen OneNight-Stand mit Yanns feschem Arbeitskol­legen. Oder heimlich auf den Strich gehen. Oder sonst wie ausflippen. Vielleicht sogar der abgerockte­n Journalist­in aus der Villa gegenüber die Augen auskratzen. Irgendwas! Simone Meier spielt im Gefängnis der Geschlecht­errollen Katz und Maus und bereitet nicht nur Feministin­nen lustvolle Albträume. Ein sündiges, böses Vergnügen!

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