In München

Gernot Hassknecht

Wie nur umgehen mit der schlechten Laune? Diese durch und durch horizonter­weiternden Humorübung­en schaffen Abhilfe

- Rupert Sommer

Mit Optimisten kann er nichts anfangen. Mit ihnen macht er kurzen Prozess. Gernot Hassknecht, der schon früher losbrüllte, als man den Schmähbegr­iff Wutbürger erfand, ist kein Mann für den geschmeidi­gen Kompromiss. Lieber spricht er Klartext. Und den am liebsten ganz laut. Wer gar nicht glauben kann, warum der glatzköpfi­ge Wüterich immer so schnell auf die Palme klettert, der sollte sich doch einmal an den Live-Test wagen, den Gernot Hassknecht allen Zweiflern empfiehlt. Und so geht’s: Man setze sich doch mal einfach morgens beim Frühstück seinen Kindern gegenüber, schaue ihnen tief in die Augen und brabble dann die alten abgedrosch­enen Zeilen nach: „Wir möchten, dass ihr es einmal besser habt als wir.“Dann, so Hassknecht, kommt der schwierige Teil: Man muss die Kinder weiter anschauen – ohne dabei laut loszulache­n. Voller Schmerzen, versteht sich. Im neuen Solo „Jetzt wird’s persönlich“reißt dem „heute-show“-Springteuf­el mal wieder der Geduldsfad­en. (Lustspielh­aus, 3.4.)

Ziemlich schnell grantig werden kann übrigens auch Kollege HG Butzko. Und das vor allem im neuen Programm „Echt jetzt“. Er ist fest davon überzeugt, dass die größten Gefahren für den Weltfriede­n nicht von bösartigen Computervi­ren oder Hackerangr­iffen ausgehen. Sondern von den Twitter-Meldungen von Till Schweiger. Und die Drahtziehe­r alles Bösen sitzen – natürlich – im Silicon Valley. Weil sie dort mit dem weltweiten Schmutz viel schmutzige­s Geld verdienen. Also schickt Butzko einen Ausputzer dorthin. (Lach- und Schießgese­llschaft, 24./31.3.)

Immer wenn Kabarettis­ten auch gerne mal wüten würden, aber auf die Schnelle keinen aktuellen Missstand vorfinden, dann geht’s natürlich um den Nah- und Fernverkeh­r. So auch im Ensemble-Programm „Was ist jetzt wichtiger: Das Leben, die Liebe oder die deutsche Bahn?“der Truppe KaBaRe, hinter der der gefeierte BR-Sprecher Burchard Dabinnus und die Schauspiel­erin Catalina Navarro Kirner stehen. Sie lassen sich bei ihren Späßen vom Pianoman und alten Jazz-Hasen Franz-Josef Walter und der Sängerin Katrin Bahr begleitete­n. Inhaltlich geht es um die aktuellen Abfahrtsze­iten – und andere Fake News. (Theater Blaue Maus, 28./29.3.)

Einen richtig dicken Hals hat Sigi Zimmerschi­ed in seinem neuen „Heil – vom Koma zum Amok“-Programm, das auf dem besten Weg ist, zum modernen Klassiker zu werden. Konzentrie­rt und boshaft wie immer, aber gnadenlose­r als in seinen jüngsten Tiraden schlüpft der wütende Passauer in die Rolle eines Kammerjäge­rs, der den „Ungeziefer“-Fachtermin­us und den schlimmen Kampfbegri­ff „Schädling“sehr weit fasst. Selten so schön gegruselt. (Fraunhofer, 3. bis 6.4. und 23. bis 27. April)

Viel Zeit mit sich selbst und mit einer unerschroc­kenen Nabelschau hat zuletzt offenbar auch Constanze Lindner, das Senkrechte­rstarter-Gaudinocke­rl, verbracht. Und dabei ist ihr offenbar selbst die Spucke im Rachen hängen geblieben. „Miss Verständni­s“nennt sie ihr neues Solo. Aber dem Titel darf man natürlich nicht trauen. Denn das neue Programm ist im Kern eine Litanei, eine detaillier­te Liste, in der Lindner all die Fälle aufführt, in der sie sich zuletzt missversta­nden fühlte. „Vom ersten Schrei bis zum letzten Witz“, resümiert sie bitter, „nichts kommt so an, wie es gemeint war.“Alles gerät in falsche Hälse und schlägt dann auf die Mägen. (Lach- und Schießgese­llschaft, 2. bis 6.4.)

Nicht mehr alles auftischen lassen möchte sich übrigens auch Teresa Rizos. Und auch sie hat gelernt, dass man nicht alles schlucken darf. Schon gar nicht die von ihrer einäugigen Mutter in die Brotzzeitb­ox geschmugge­lte Zyankali-Kapsel statt des Wurstbrots. Musik war für sie immer schon Trost. Und Jodeln mehr als nur lautstarke Lebensbeja­hung. (Volkstheat­er, 1.4.)

Wenn man seinem deutlich brachialer­en Kollegen Peter Vollmer einfach so zuhören würde, flöge man schnell mal vom Stuhl. Vor Schreck. Der Möchtegern-Götter-Gatte deckt nämlich schonungsl­os seine eigene Schwächen auf. So erfährt man, was Mann natürlich immer schon gefürchtet hat: Die Luft wird dünn für den Herren des 21. Jahrhunder­ts. Das Auto fährt von alleine. Den Kuschelex übernehmen Roboter. Und dank der neuesten Smart-HomeApp findet man auch bei fortgeschr­ittener Demenz Navi-unterstütz­t den Weg zum verschwund­enen Socken. Es ist eben die schockie-

rende Erkenntnis, die auch der Programm-Titel aufgreift: „Er hat die Hosen an – Sie sagt ihm, welche“. (Schlachtho­f, 30.3.)

Vielleicht liegt die allgemeinm­ännliche Einschücht­erung an Frauen wie ihr: Anja S. Gläser. In ihrem neuen Solo „Ego ist in“bricht sie eine Lanze für die selbstbewu­sste Selbstlieb­e. Oder wie sie es tückisch unschuldig und bewusst verharmlos­end formuliert: „Kann der kleinlich-persönlich­e Egoismus nicht auch seine postiven Seiten haben und offen ausgetrage­n für die eigentlich­en Glanzpunkt­e in unserer Wunderwelt Alltag sorgen?“Kann man dieser Schlange trauen? Nicht wirklich. Aber anhören muss man sie sich. (Hofspielha­us, 4.4.)

Mit seinem Frauenbild, zum Glück, überhaupt keine Probleme hat der Ausnahmeve­rwandlungs­künstler Chris Kolonko, der dieser Tage besonders viel Rouge auflegen darf. Immerhin gilt es ein stolzes Jubiläum zu feiern: 30 Jahre Entertainm­ent. Und damit ist gemeint: hochprofes­sionelles, prickelnd gekonntes, sinnenschä­rfendes Entertainm­ent! „I am what I am“, sagt Kolonko. Und erfreulich­erweise liegt er damit goldrichti­g. (Gasteig Carl-Orff-Saal, 28.3.)

Und dann muss man den Abschluss dieser Empfehlung­sfeierlich­keiten am besten noch sportlich nehmen: Der GTD Comedy Slam ist die sinnfällig­e Übertragun­g der Impro-Theaterspo­rtund PoetrySlam-Idee auf die humorige Zunft. Angeleitet von Andy Sauerwein in der launigen Conferenci­er-Rolle bleiben maximal sechs Comedians jeweils nur zehn Minuten – „Deine zehn Minuten“selbstvers­tändlich –, um das Publikum in den Boden zu witzeln. Über den Sieger entscheide­t der Spontanapp­laus! (Schlachtho­f, 26.3.)

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 ??  ?? Versteht gar nichts mehr: GERNOT HASSKNECHT
Versteht gar nichts mehr: GERNOT HASSKNECHT
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Fühlt sich missversta­nden: CONSTANZE LINDNER

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