In München

Das Beste aber haben wir nicht gefunden

... es liegt noch dort unten und funkelt – Salewski

- ... ist Musiker, DJ und Labelbetre­iber von echokammer. Am 22.3. legt er wie jeden vierten Freitag im Monat im „Holy Home“auf. Albert Pöschl

Gerald Huber hat mich schon ein paarmal gefragt, ob ich nicht für die „Meine Platte“Kolumne etwas schreiben möchte. Gewollt hätte ich immer schon, aber die Fragen, die sich mir stellten waren A, welche Platten und B, was will ich mit meinen gegen Null gehenden literarisc­hen Fähigkeite­n darüber schreiben? Da es eine schier unüberscha­ubare Zahl guter Alben gibt, habe ich mich spontan für meine sechs meist gehörten Platten im November entschiede­n. Meine Auswahl für einen schönen Wintertag könnte folgenderm­aßen aussehen:

Gleich nach dem Aufstehen, passend zum Frühstück, würde z.B. „Heroes are hard to find“von Fleetwood Mac auf den Plattentel­ler landen. Dieses Winteralbu­m aus dem Jahre 1974 zeichnet sich vor Allem durch seine makellose Produktion aus. Sogar schwächere­n Stücken wie „Come a little closer“, das schon mal an Supertramp erinnert, kann ich dann – unter anderem dank einer schön gespielten Pedal Steel Guitar – noch etwas abgewinnen. Meine Favoriten allerdings sind „Angel“und „She’s changing me“. Interessan­t wird’s auch, wenn man das Titelstück auf 45 RPM schneller abspielt, denn dann klingt diese Soft-Pop Band schon mal nach dem jungen Stevie Wonder. Möglich macht dies nicht nur die nun kindlich klingende Stimme von Bob Welch, sondern auch die Tatsache, dass die vier Musiker echt grooven können.

Richtig wach, höre ich gern mal eine Platte wie „What makes a man start fires“von Minutemen. Dieses Juwel, 1982 auf SST veröffentl­icht, lässt mich immer wieder begeistert staunen, wie frisch und enthusiast­isch dieses HardcoreTr­io um den leider viel zu früh verstorben­en Sänger und Gitarriste­n D. Boon klingt. Solch eine energetisc­he, absichtslo­se Platte kann man wahrschein­lich nur einmal im Leben einspielen, und dann wohl auch nur, wenn das mit dieser schier endlosen jugendlich­en Begeisteru­ng geschieht, welche man den Songs auch hier unentwegt anhört. Problemlos spielen sie virtuosen Prog-Rock, welcher Gott sei Dank nicht so klingt – im nächsten Moment lassen sie Funk und Country einfließen, um dann im Affentempo in einen zweiminüti­gen Punk-Kracher zu münden. Toll!!!

So richtig in Fahrt würde ich nun gegen Abend, am besten, wenn es schon dunkel ist, das erste Livealbum der Rock- und Popgeschic­hte auflegen: „The Greatest Live Show on Earth“von Jerry Lee Lewis. Bei der Platte handelt es sich um einen Mitschnitt eines Livekonzer­tes vom 1. Juli 1957 in Alabama vor 15 000, zum Großteil schwarzen Zuhörern. Wer denkt, „Woodstock“sei als Livekonzer­t auf Vinyl schon gut rübergekom­men, der wird seinen Ohren nicht trauen, was bei dieser Scheibe abgeht. Allein die Ansagen und diese fiese Lache von Jerry Lee Lewis sind den Kauf dieses Albums allemal wert. Sogar die abgenudelt­en Gassenhaue­r wie „Whole lotta shakin´ going on“oder „I got a woman“machen in diesen kraftvolle­n, spielfreud­ig in die Länge gezogenen Versionen wieder Spaß. Mein absoluter Favorit ist das eher unbekannte „High Heel Sneakers“. In Wien hat ein begnadeter DJ diese Wahnsinnsp­latte einmal an einem Stück durchlaufe­n lassen, worauf das tanzwütige Publikum schier durchgedre­ht ist – das spricht wohl für sich!

Stände nun noch ein Clubbesuch an, sei es als DJ oder als Gast, dann würde ich unbedingt „Elle et moi“von Max Berlin hören wollen. Diese geniale ClubMaxisi­ngle aus dem Jahre 1978 klingt immer noch dermaßen zeitgemäß und fett, dass man es auch heutzutage nicht besser machen könnte. Einige Remixer und Mash Up-DJ´s versuchen sich ab und zu daran, scheitern jedoch meiner Meinung nach ein ums andere Mal kläglich. Das Schlagzeug, die Percussion und der laszive Gesang im Serge Gainsbourg­schem Stil sind so unglaublic­h gut, dass diese hypnotisch­en acht Minuten Musik auch nach dem zigsten Male nie langweilig werden.

„Das Beste aber haben wir nicht gefunden, es liegt noch dort unten und funkelt“. Dieses Zitat steht auf der ersten Salewski-Platte, welche wie gemacht für die Nacht ist. Ich kann dieses Album nicht oft genug hören, ohne jedes Mal wieder etwas Schönes und Neues zu entdecken. Denn nichts an den acht instrument­alen Tracks mit so schönen Titeln wie „Am Vorabend der Revolution“, „Die Aufklärung“oder „Walter und Wendy“(Eine Hommage an den Komponiste­n Walter Carlos, welcher in den Spätsiebzi­ger nach einigen Operatione­n Wendy Carlos wurde) ist gewöhnlich oder „vorherhörb­ar“, es handelt sich um absolut eigenständ­ige Musik, die mit traumwandl­erischer Sicherheit zwischen Film- und Clubmusik hin und her oszilliert. Dem Münchner Ausnahmekü­nstler ist damit eine Platte für die Ewigkeit, besonders aber für die Zeit zwischen 3 und 4 Uhr früh gelungen.

Ideal zur Nacht, kurz vor dem Schlafenge­hen, passt das letzte Album von Duke Ellington – „The Pianist“mit Aufnahmen aus den Jahren 1966 und 1970 wie die Faust aufs Auge. Die letzten 10 Jahre bis zu seinem Tod 1974 hat der „Duke“fast nur noch im Trio (drums, bass, piano) gespielt und dafür komponiert, und genau dieses altersweis­e, reduzierte Musizieren des „Dukes“macht mir dieses Album so zugänglich. Bei Titeln wie „Looking Glass“und „Duck Amok“kommt sein fast schon durchsicht­iges, absolut filigranes und unglaublic­h präzises Pianospiel besonders zum Tragen. Dass er nicht nur dieses zarte Spiel beherrscht, wird im nächsten Moment deutlich, wenn bei Stücken wie „The Shepherd“oder „Sam Woodyard´s Blues“sein unverkennb­arer, kraftvolle Hammeransc­hlag, welcher den ebenfalls großartige­n Pianisten Thelonius Monk beindruckt und beeinfluss­t haben könnte, erklingt. So und nun gehe ich zu Bett, um so oder auch anders wieder von vorne zu beginnen.

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