Das Beste aber haben wir nicht gefunden
... es liegt noch dort unten und funkelt – Salewski
Gerald Huber hat mich schon ein paarmal gefragt, ob ich nicht für die „Meine Platte“Kolumne etwas schreiben möchte. Gewollt hätte ich immer schon, aber die Fragen, die sich mir stellten waren A, welche Platten und B, was will ich mit meinen gegen Null gehenden literarischen Fähigkeiten darüber schreiben? Da es eine schier unüberschaubare Zahl guter Alben gibt, habe ich mich spontan für meine sechs meist gehörten Platten im November entschieden. Meine Auswahl für einen schönen Wintertag könnte folgendermaßen aussehen:
Gleich nach dem Aufstehen, passend zum Frühstück, würde z.B. „Heroes are hard to find“von Fleetwood Mac auf den Plattenteller landen. Dieses Winteralbum aus dem Jahre 1974 zeichnet sich vor Allem durch seine makellose Produktion aus. Sogar schwächeren Stücken wie „Come a little closer“, das schon mal an Supertramp erinnert, kann ich dann – unter anderem dank einer schön gespielten Pedal Steel Guitar – noch etwas abgewinnen. Meine Favoriten allerdings sind „Angel“und „She’s changing me“. Interessant wird’s auch, wenn man das Titelstück auf 45 RPM schneller abspielt, denn dann klingt diese Soft-Pop Band schon mal nach dem jungen Stevie Wonder. Möglich macht dies nicht nur die nun kindlich klingende Stimme von Bob Welch, sondern auch die Tatsache, dass die vier Musiker echt grooven können.
Richtig wach, höre ich gern mal eine Platte wie „What makes a man start fires“von Minutemen. Dieses Juwel, 1982 auf SST veröffentlicht, lässt mich immer wieder begeistert staunen, wie frisch und enthusiastisch dieses HardcoreTrio um den leider viel zu früh verstorbenen Sänger und Gitarristen D. Boon klingt. Solch eine energetische, absichtslose Platte kann man wahrscheinlich nur einmal im Leben einspielen, und dann wohl auch nur, wenn das mit dieser schier endlosen jugendlichen Begeisterung geschieht, welche man den Songs auch hier unentwegt anhört. Problemlos spielen sie virtuosen Prog-Rock, welcher Gott sei Dank nicht so klingt – im nächsten Moment lassen sie Funk und Country einfließen, um dann im Affentempo in einen zweiminütigen Punk-Kracher zu münden. Toll!!!
So richtig in Fahrt würde ich nun gegen Abend, am besten, wenn es schon dunkel ist, das erste Livealbum der Rock- und Popgeschichte auflegen: „The Greatest Live Show on Earth“von Jerry Lee Lewis. Bei der Platte handelt es sich um einen Mitschnitt eines Livekonzertes vom 1. Juli 1957 in Alabama vor 15 000, zum Großteil schwarzen Zuhörern. Wer denkt, „Woodstock“sei als Livekonzert auf Vinyl schon gut rübergekommen, der wird seinen Ohren nicht trauen, was bei dieser Scheibe abgeht. Allein die Ansagen und diese fiese Lache von Jerry Lee Lewis sind den Kauf dieses Albums allemal wert. Sogar die abgenudelten Gassenhauer wie „Whole lotta shakin´ going on“oder „I got a woman“machen in diesen kraftvollen, spielfreudig in die Länge gezogenen Versionen wieder Spaß. Mein absoluter Favorit ist das eher unbekannte „High Heel Sneakers“. In Wien hat ein begnadeter DJ diese Wahnsinnsplatte einmal an einem Stück durchlaufen lassen, worauf das tanzwütige Publikum schier durchgedreht ist – das spricht wohl für sich!
Stände nun noch ein Clubbesuch an, sei es als DJ oder als Gast, dann würde ich unbedingt „Elle et moi“von Max Berlin hören wollen. Diese geniale ClubMaxisingle aus dem Jahre 1978 klingt immer noch dermaßen zeitgemäß und fett, dass man es auch heutzutage nicht besser machen könnte. Einige Remixer und Mash Up-DJ´s versuchen sich ab und zu daran, scheitern jedoch meiner Meinung nach ein ums andere Mal kläglich. Das Schlagzeug, die Percussion und der laszive Gesang im Serge Gainsbourgschem Stil sind so unglaublich gut, dass diese hypnotischen acht Minuten Musik auch nach dem zigsten Male nie langweilig werden.
„Das Beste aber haben wir nicht gefunden, es liegt noch dort unten und funkelt“. Dieses Zitat steht auf der ersten Salewski-Platte, welche wie gemacht für die Nacht ist. Ich kann dieses Album nicht oft genug hören, ohne jedes Mal wieder etwas Schönes und Neues zu entdecken. Denn nichts an den acht instrumentalen Tracks mit so schönen Titeln wie „Am Vorabend der Revolution“, „Die Aufklärung“oder „Walter und Wendy“(Eine Hommage an den Komponisten Walter Carlos, welcher in den Spätsiebziger nach einigen Operationen Wendy Carlos wurde) ist gewöhnlich oder „vorherhörbar“, es handelt sich um absolut eigenständige Musik, die mit traumwandlerischer Sicherheit zwischen Film- und Clubmusik hin und her oszilliert. Dem Münchner Ausnahmekünstler ist damit eine Platte für die Ewigkeit, besonders aber für die Zeit zwischen 3 und 4 Uhr früh gelungen.
Ideal zur Nacht, kurz vor dem Schlafengehen, passt das letzte Album von Duke Ellington – „The Pianist“mit Aufnahmen aus den Jahren 1966 und 1970 wie die Faust aufs Auge. Die letzten 10 Jahre bis zu seinem Tod 1974 hat der „Duke“fast nur noch im Trio (drums, bass, piano) gespielt und dafür komponiert, und genau dieses altersweise, reduzierte Musizieren des „Dukes“macht mir dieses Album so zugänglich. Bei Titeln wie „Looking Glass“und „Duck Amok“kommt sein fast schon durchsichtiges, absolut filigranes und unglaublich präzises Pianospiel besonders zum Tragen. Dass er nicht nur dieses zarte Spiel beherrscht, wird im nächsten Moment deutlich, wenn bei Stücken wie „The Shepherd“oder „Sam Woodyard´s Blues“sein unverkennbarer, kraftvolle Hammeranschlag, welcher den ebenfalls großartigen Pianisten Thelonius Monk beindruckt und beeinflusst haben könnte, erklingt. So und nun gehe ich zu Bett, um so oder auch anders wieder von vorne zu beginnen.