Emotionale Schwingungen
Die Hochsaison hat nachdenkliche Künstler zu bieten, die Licht in den grauen November zaubern
Er war einer der Newcomer des letzten Jahres: Jungstötter. Obwohl, so ganz stimmt das natürlich nicht, denn Fabian Altstötter gründete in frühester Jugend die recht erfolgreiche Band Sizarr, diese machte ihn bundesweit bekannt. Von Landau führte der Weg über Stationen nach Berlin und aus Altstötter wurde Jungstötter, der mit dem wunderbaren Album „Love Is“Vorbildern wie Scott Walker, Mark Hollis und Nick Cave huldigt, ohne zu kopieren. Im Gegenteil: Jungstötter ist neben Jesper Munk ein neuer Berliner Crooner, der mit seinen dunklen Balladen die Nacht beschwört, die ja bekanntermaßen in Berlin nie endet. (9.11. Rote Sonne) Die beiden Bands hatten sich schon einmal 2005 zusammengetan, um die EP „In The Reins“herauszubringen, jetzt wurde die Zusammenarbeit zwischen
Calexico und Iron & Wine aber noch einmal intensiviert: Unter dem Titel „Years To Burn“veröffentlichten sie ein gemeinsames Album und kommen nun auch auf Tour, um dieses wirklich sehr gelungene Werk live vorzustellen. Dabei treten sie nicht hintereinander auf, sondern stehen quasi als eine Gruppe auf der Bühne. Man darf sich also auf ein musikalisches Gipfeltreffen freuen, bei dem sich die Mischung von Mariachi, Rock und Jazz von Calexico mit dem Steelgitarren-Folk von Iron & Wine aufs Beste verbindet. Pflichttermin. (11.11. Muffathalle) Seit Veröffentlichung ihrer ersten EP 2008 gehören die Villagers aus Dublin zu den angesagten Vertretern der irischen Kommen mit den BLACK LIPS im Doppelpack: DEERHUNTER Folkszene. Sie verweben breit angelegte Klangwelten mit poetischen Texten und einem Gespür für emotionale Schwingungen. Doch bereits vor der Gründung der Band galt der Frontmann Conor J. O’Brien als Songwriter mit großer Zukunft. Gestartet als Soloprojekt, rekrutierte er nach Erscheinen der ersten EP „Hollow Kind“die geeigneten Mitstreiter, um Villagers zur echten Band zu formen. Mit dem Album „Darling Arithmetic“gelang dann der Durchbruch: Wunderbar intime Songs, instrumentiert mit Gitarre, Piano, Mellotron und allerlei Eigenwilligem wie etwa geblasenen Kämmen. Nun kommt O’Brien mit einer siebenköpfigen Band angereist, um das neue, fünfte Album „The Art Of Pretending To Swim“vorzustellen. (12.11. Strom)
Nick Waterhouse hat prominente Fans wie den Garagen-Mystiker Ty Segall, den Retro-Futuristen und R&B-Bandleader Leon Bridges und das Quartett Allah-Las aus LA, dessen erste zwei Alben er charmant im Westcoast Sixties Sound produzierte und auf denen er auch selbst mitspielte. Seine Platten klingen wie aus der Zeit gefallen und mit seinem neuen, von Paul Butler (Michael Kiwanuka, Devendra Banhart) co-produzierten und selbstbetitelten vierten Album will er es nochmal wissen, denn so professionell klang der Mann aus San Francisco noch nie. Live wird das bestimmt wieder eine coole Tanzparty mit Retrocharme. (12.11. Technikum) Kollegen der Zunft wie John Cale und Michael Stipe haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie Fans von Elbow aus Manchester waren und sind. Ihre Platten erhielten x-fach Gold- und Platinauszeichnungen, und die letzten beiden stiegen direkt auf eins in die britischen Charts ein. Dieser bittersüße, traurig-zornige Brit-Pop mit gefühlvollen Kompositionen, mit bombastischen und pompösen Arrangements, mit wütenden und ironischen Ausfällen kommt auch hierzulande an. Nun kommen die Briten mit ihrem neunten Album „Giants Of All Sizes“im Gepäck vorbei, auf dem sie eher ruhigere Töne anschlagen. (12.11. Tonhalle) Gitarrist Max Kakacek und Schlagzeuger und Sänger Julien Ehrlich (Unknown Mortal Orchestra) haben sich in Chicago während eines sehr strengen Winters unter dem Projektnamen
Whitney zusammengefunden. Das Ergebnis war das 2016 veröffentlichte Album „Light Upon A Lake“, zehn fantastische und soulige Countrysongs, eingespielt mit engen Freunden. Es folgten Tourneen rund um den Globus, die den Ruf von Whitney auch als tollen Liveact weiter festigten. Als fast schon sommerlich kann man die Musik bezeichnen, das neue Album „Forever Turn Around“schließt direkt an den Vorgänger an und zaubert dabei etwas Sonne in die kalte Jahreszeit. (14.11. Strom) „Münchner Legenden“versammeln sich: Mit Land Of Sex & Glory steht die wohl dienstälteste GarageRock’n’RollTrashPunk-Band der Stadt auf der Bühne, wer immer schon einmal wissen wollte, wie eine Mischung aus AC/DC, Cramps und den Sex Pistols klingt, sollte die Show des Trios nicht verpassen. Bei Eisner sind ebenfalls gute alte Bekannte von Bands wie Condom und Spika In Snüzz versammelt, Gitarrist und
DJ Reini „Duke“Eggersdorfer nennt das Ganze Acid Trash, der ein bisschen nach Link Wray, MC5, Jon Spencer und Slayer klingen soll. Dritter im Bunde ist das Disco-Krautrock-Duo Wildes, dürfte ein netter Abend werden. (14.11. Unter Deck) „Why Hasn‘t Everything Already Disappeared?“, der Titel des achten Studioalbums von Deerhunter ist doch hoffnungsvoller, als er auf den ersten Blick erscheint. Auch die Musik der Indierockband aus Atlanta, die ihre eigenen Songs einst als Ambient-Punk bezeichnete, klingt auf dieser Platte so berührend wie nie zuvor. Vorbei der Noiserock der Nullerjahre, als Kammerpop könnte man die Musik heute bezeichnen. Mit dabei beim Doppelkonzert sind die Black Lips, ebenfalls aus Atlanta, die für den lauteren Teil des Abends zuständig sind, das Garagepunk-Quintett macht seit Jahren mit wüsten Bühnenperformances von sich reden. (16.11. Technikum) „Quiet Signs“heißt das dritte Album von Jessica Pratt aus Los Angeles und die so zerbrechlich scheinende Künstlerin hat diesmal ein eher kraftvolles Werk geschaffen. Pratt arbeitete vier Jahre an den Songs, legte wie eine Bildhauerin, Schicht für Schicht die Form und Struktur der Lieder frei, herausgekommen ist eine beeindruckende Platte. Tolle Songs, die allerbeste kalifornische und englische Folk-Elemente der Sechziger und Siebziger Jahre verbinden und trotzdem absolut zeitgemäß klingen. (18.11. Kammerspiele, Kammer 2) Mit seinen vier gefeierten Soloalben und unzähligen Kollaborationen, gehört
Kevin Morby zu den interessantesten Künstlern der letzten Jahre. Jetzt lieferte er mit dem Doppelalbum „Oh My God“einen vorläufigen Höhepunkt seines Schaffens ab. Das Konzeptalbum produzierte er zusammen mit Sam Cohen, der bereits bei Morbys Durchbruchsalbum „Singing Saw“hinter den Reglern saß. Nun stellt er das Werk bei einem intimen Solokonzert vor, man darf gespannt sein, wie die großartigen Songs dann total reduziert klingen. (21.11. Feierwerk Hansa 39)