STADTLEBEN
... und Pop im Festspielhaus. Münchner Ausgehorte lassen die Grenzen zwischen E- und U-Kultur immer mehr verschwimmen
„Cross the Border – Close the Gap“– unter diesem programmatischen Titel forderte 1968 der amerikanische Literaturwissenschaftler Leslie A. Fiedler in einem Essay, den er im Playboy veröffentlichte, dass die streng gezogene Grenze zwischen Hoch- und Popkultur eingerissen werde. Nun, 51 Jahre später, ist dieser Ansatz auch (im) In München angekommen und etabliert sich in der EventSzene der Landeshauptstadt. Immer öfter liest man von klassischen Konzerten in Clubs und anderen eher von Party geprägten Locations. Auf der anderen Seite öffnen Orte, die bislang eher als exklusive Horte der Hochkultur galten, auch dem Pop ihre Pforten: So zum Beispiel die Münchner
Kammerspiele, die unter dem Intendanten Matthias Lilienthal auch in Puncto Popularmusik zu einem interessanten Ort geworden sind. Bereits zum vierten Mal wird hier am 13. und 14. Dezember, kuratiert von den bayrischen Musik-Heroen The Notwist, die Alien Disko ausgerufen. Das bedeutet für die Zuschauer*innen elektronische Experimente zwischen Pop und Indie an sämtlichen Spielorten des Theaters mit Acts aus aller Welt. In der Philharmonie am Gasteig gehören Pop-Konzerte von Acts wie Peter Kraus
(16.11.) und Lisa Stansfield (2.12.) neben Aufführungen großer Orchester-Kompositionen schon länger ins Programm. Doch auch hier ist das Booking mit Konzerten von den 80s-Dance-Pionieren New Order oder den Klangavantgardisten von den Einstürzenden Neubauten in den letzten Jahren noch viel experimentierfreudiger geworden. Und genau so zeigt sich auch die Münchner Clubszene. In der Milla läuft am 6. und 7. November bereits zum zweiten Mal das Progressive Chamber Music
Festival, bei dem, unter der Ägide von Geigenstar Gregor Huebner („Ortsgespräch“, Nr. 21), die Grenzen zwischen Kammer- und zeitgenössischer Musik weit aufgesprengt werden. Den eingangs erwähnten Herrn Fiedler hätte das wohl nicht nur wegen seines Nachnamens erfreut. Ebenso der Auftritt des Kaiser Quartetts (10.12.), das schon mit so großen Pop-Klassik-Chimären wie Chilly Gonzales zusammengearbeitet hat. Am 8.12. spielt dort Hania Rani, einer der Shootingstars der modernen Klassik. Für den Auftritt der irgendwo zwischen Tiersen, Einaudi und ganz eigenem Stil tanzenden Pianistin verlosen wir zeitnah Tickets auf unserer Website. Ein großes Verdienst in der Etablierung klassischer Konzerte in ungewohnten Nachtleben-Settings muss nicht zuletzt auch der innovativen Veranstaltungsreihe BMW
Clubkonzert beigemessen werden. Hierfür spielen Formationen aus dem Personal der Münchner Philharmoniker in bekannten Clubs der Szene. Shostakowitsch im Bob Beaman, Bach im Harry Klein oder Ligeti in der roten Sonne? Alles schon dagewesen! Das nächste Konzert der Reihe findet am 16.11. im Pacha statt. Ein Streichtrio spielt Dvořák und Kodály bevor vier Musiker vom Schlagwerk sich fünf perkussiveren Werken von Živković, de Mey, Loevendie u.a. widmen. Ganz ohne Beats geht’s im Club eben doch nicht.