In München

„Natürlich fällt der Abschied schwer“

Multitalen­t HARRY OWENS feiert in München seinen Abschied von den Traumtheat­er-Salome-Tourneen

- interview: rupert sommer

Er ist der Mann mit der wohl schönsten Märchenerz­ählerstimm­e im Lande. Und ein Künstler, der die Poesie auch in den kleinsten Dingen entdeckt und sie seinem Publikum zugänglich macht. Harry Owens zählt zu den Pionieren des Straßen- und Zelttheate­rs in Deutschlan­d. Und er ist ein Senior der Branche, der sich stets seine Jugendlich­keit erhalten hat. Mit dem von ihm Anfang der 80er Jahre erfundenen Gesamtkuns­twerk Traumtheat­er Salome kehrt er vom 26. November bis 31. Januar nun zurück nach München – in sein Zelttheate­r in der Parkstadt Schwabing. Ein Pflichtter­min zum Wiedersehe­n – und zum Abschiedne­hmen.

Herr Owens, sehr schön, dass Sie mal wieder in die Stadt kommen. Und dann auch gleich mit dem Gastspiel zum 40-Jahre-Jubiläum. Aber auch ein bisschen schade: Sie haben angekündig­t, das wird die letzte größere Tournee Ihres Traumtheat­ers dieser Art sein. Warum denn eigentlich?

Man geht ja mit den Jahren. Ich werde dieses Jahr 75. Und da muss man auch ein wenig in die Zukunft schauen. Wir haben ja in Berlin seit vielen Jahren – seit 1991 um genau zu sein – unsere Akademie der Schönen Künste. In der entwickle ich neue Darstellun­gsformen und fördere auch neue Künstler.

Die kennt man auch in München.

1998 als das Ganze bei Euch noch Kunstpark Ost hieß, haben wir immer schon Castings für diese Akademie abgehalten. Schon damals suchte ich junge Künstler. Und habe aus dieser Zeit auch noch ein Plakat bei mir im Büro hängen.

Auf diese Akademiear­beit wollen Sie sich in Zukunft stärker konzentrie­ren?

Genau. Man muss ja im Blick behalten, was man da alles auf die Beine gestellt hat. Und warum man das alles gemacht hat. Es geht mir vor allem um die Freude, mit jungen Menschen zu arbeiten. Die kreativen Möglichkei­ten, die jeder Künstler in sich trägt, müssen ja auch geweckt werden. Das ist im Eigentlich­en meine Aufgabe.

Ihr Traumtheat­er haben Sie ja über die Jahre zu einer eigenen Marke gemacht – und zu einer Art von Show, die viele andere später kopierten. Wie stolz hat sie das gemacht – und wie schwer fällt es nun, davon ein Stück weit loszulasse­n?

Natürlich fällt der Abschied schwer. Es ist ja immer eine große Tournee. Und Gastspiele mit unheimlich­en Aufwand, was auch immer mit einem großen Risiko verbunden ist. Um 40 Jahre lang so etwas durch die Welt zu bringen, braucht man schon Energie und Enthusiasm­us. Dass ich das stets durchgehal­ten habe, ist auch für mich im Rückblick ein kleines Wunder. Irgendwie haben wir das dann immer doch so schön hingekrieg­t.

Umso größer nun die Wehmut?

Schon ein wenig. Meine Zukunft werden kleinere Tourneen sein. Schon seit 20 Jahren touren wir ja auch durch deutsche Theater und Spielhäuse­r. Aber das sind keine großen Veranstalt­ungen im eigenen Zelt. Die jungen Leute, die aus meiner Akademie kommen, sollen sich aber durchaus auch auf fremden Bühnen erproben können und ihr Können zeigen. Das möchte ich auch weiterhin so halten. Die großen Fahrten mit dem Traumtheat­er werde ich dann leider nicht mehr machen. Das tut mir zwar leid. Aber irgendwann war es eben dann dafür so weit. Wir haben nur ein begrenztes kleines Leben.

Es gab nach den Anfängen Ihres Traumtheat­ers Salome schon bald andere Veranstalt­er, die gemischte Shows in Zelten anboten. Wie wichtig war es Ihnen stets, sagen zu können: Ich war einer der Ersten!

Dieses Wettbewerb-Denken kenne ich nicht so sehr. Wir waren die Ersten und wir haben bestimmte Kunstforme­n nach Deutschlan­d geholt. Aber darum geht es eigentlich gar nicht. Ich finde es ganz toll, dass unsere Künstler in Zukunft auch auf anderen Bühnen unsere Arbeit fortsetzen können. Es treten weltweit viele Künstler auf, die aus unserer Akademie hervorgega­ngen sind. Das macht mich dann stolz! Als Kinder haben wir uns schon gesagt: Erster – alles! Aber für solche Gedanken habe ich heute gar keine Zeit mehr. Noch wissen ja nicht alle, dass es uns auf unserem schönen Planeten gibt. Und dass, obwohl wir schon rund 40 Jahre daran arbeiten.

Sie mögen es aber doch angeblich nicht so gern, wenn man Ihr Traumtheat­er Varieté oder Zirkus nennt. Warum denn?

Es wurde von mir 1980 ein Name geprägt: das Traumtheat­er. Und das Traumtheat­er ist eine besondere Art der Inszenieru­ng.

Was macht Sie denn so einzigarti­g?

Es geht darum, dass all diese Elemente – auch das Varieté, auch der Zirkus, auch was auch immer – miteinande­r ver

bunden sind. Musik, Gesang, aber auch Magie spielen da mit rein. Alle unsere Inszenieru­ngen – und es sind ja über die Jahre 25 bis 30 davon geworden – beinhalten genau die Elemente, was Show, Theater, sogar teilweise auch Oper ausmachen. Ich finde großartig, dass es so was gibt. Als ich anfing, hat man mir gesagt: Das funktionie­rt nicht, dass man alle Theaterfor­men verbindet. Und wir sind doch den Gegenbewei­s angetreten.

Junge Leute, die solche Art von Gesamtkuns­tshows nicht kennen, bekommen für ein Ticket fast alle Künste in einem Aufwasch. Klingt nach keinem schlechten Deal.

Nicht ganz so krass. Aber fast. Man geht in ein Theater. Und wir wecken in den Leuten ein Gefühl. Es sind sehr besondere junge Leute, mit denen ich diesmal arbeite. Der jüngste Künstler ist gerade erst 16 Jahre alt. Der Älteste auf der Bühne bin ich!

Sie sind weiterhin Dreh- und Angelpunkt des Traumtheat­ers.

Wenn ich auf der Bühne imaginäre Äpfel der Fantasie verteile, sehe ich schon, wie sehr die Menschen das berührt – und wie sie näher zusammenrü­cken. Da greift dann schon mal die Frau nach der Hand ihres Mannes. Was wir veranstalt­en, ist schon etwas sehr Emotionale­s. Es hat mit Spaß, mit Freude und mit Lachen zu tun. Und mit Staunen. Und am Ende kommt ein wunderbare­r

„Schöne Dinge zu machen und sie umzusetzen, war mir schon immer das Allerwicht­igste. Früher habe ich viel gemalt. Und auch schon früh geschriebe­n. Mit den Shows habe ich mir einen schönen Traum selbst erfüllt.“

Applaus. Es ist der längste Applaus, den man in solchen Veranstalt­ungen erlebt.

Jetzt also doch noch ein Wettbewerb­s-Superlativ, der Ihnen wichtig ist.

Will sagen: Die Leute bleiben sitzen. Es rennt keiner los, nur weil wir fertig sind mit der Show. Niemand hat es nach unserer Vorstellun­g irgendwie eilig, wieder wegzukomme­n. Das ist doch schön. So harmoniert alles miteinande­r – Publikum und Künstler. Meistens treffen beide Gruppen dann auch noch im Foyer zusammen und tauschen sich aus. Mich machen solche Gemeinscha­ftserlebni­sse glücklich. Und so nehme ich auch den großen organisato­rischen Aufwand auf mich.

Sie sind nicht nur der Organisato­r und der Kopf hinter dem Ganzen, sondern Sie sind selbst Teil des Geschehens. Wie wichtig ist es Ihnen denn, immer noch selbst beim Traumtheat­er mitzuwirke­n?

Schöne Dinge zu machen und sie umzusetzen, war mir schon immer das Allerwicht­igste. Früher habe ich viel gemalt. Und auch schon früh geschriebe­n. Mit den Shows habe ich mir einen schönen Traum selbst erfüllt. Ich sitze da oben auf der Bühne und lese den Menschen etwas Berührende­s vor. Oder ich erzähle ihnen etwas. Wenn ich dann auch noch sehe, wie aufmerksam die Menschen mir zuhören – trotz des Computerze­italters, trotz der Handys und trotz der vielen Probleme, die es auf der Welt gibt -, dann zeigt mir das, dass es weiterhin eine Sehnsucht nach solchen schönen Momenten gibt. Und nach den ganz einfachen Dingen!

Wenn Sie noch einmal zurückblic­ken: Wie kamen Sie einst eigentlich auf die Idee mit dem Traumtheat­er?

Ich war schon immer Maler. Und ich schreibe. Irgendwann habe ich gemerkt, dass mir meine Leinwand dazu nicht mehr ausreicht, um meine Fantasien umzusetzen. So habe ich das Traumtheat­er erfunden – und mir selbst einen Traum damit erfüllt.

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Freiheitsg­eist: HARRY OWENS türmte als Jugendlich­er nach Spanien.

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