In München

Plan B: Hebamme

Ihr Film „Mein Ende. Dein Anfang.“wurde an der Isar gedreht. SASKIA ROSENDAHL ist ein großer München-fan.

- Interview: rupert sommer

Sie war noch Schülerin, als sie beidem deutschspr­achigen Antikriegs­film „Lore“mitspielte, der prompt – als Einreichun­g Australien­s – für den Oscar als „Bester fremdsprac­higer Film“nominiert wurde. Bei der Verleihung in Hollywood war Saskia Rosendahl, mittlerwei­le 26 Jahre alt und Senkrechts­tarterin der Kinoszene, natürlich mit vor Ort. So richtig wohl gefühlt hatte sie sich im Rampenlich­t allerdings lange nicht. Eher schon in München, wo sie das anspruchsv­olle, sehr sehenswert­e Liebesdram­a „Mein Ende. Dein Anfang.“(Kinostart. 28. November) drehte, sich im Filmfest im Sommer feiern ließ, und immer wieder Dolce Vita im Englischen Garten und an der Isar genoss.

Frau Rosendahl, in Ihrem Film geht es viel um scheinbare Unausweich­lichkeiten und schicksalh­afte Momente. In wie weit glauben

Sie denn selbst an solche Zufälle?

Ich habe das für mich selbst noch nicht so recht entschiede­n, ob ich mehr an Zufall glaube oder daran, dass alles vorherbest­immt ist beziehungs­weise inwieweit wir eine Entscheidu­ngskraft in unserem Leben haben. In der Arbeit mit dem Film habe ich gemerkt, dass ich ein sehr lineares Zeitdenken habe. Das hatte ich bisher noch kaum hinterfrag­t. Unser Film gibt da in jedem Fall Anreize zum Nachdenken.

Kann man wohl sagen.

Es ist ein Gedankensp­iel. Aber dadurch, dass man die Wahrheit vermutlich eh nicht herausfind­en kann, finde ich es gut, dass sich jeder, was die Frage der Zufälle im Leben angeht, das heraussuch­en kann, womit er glücklich ist. Ich tendiere schon dazu, dass ich immer lieber einen Grund dafür finde, warum die

Dinge so sind, wie sie sind. Auch wenn ich den jetzt vielleicht noch nicht kenne.

Alle Menschen, die in der Früh aufstehen und sich dann verschlafe­n nach und nach in den Tag schleppen, wissen nur zu gut was ein „lineares Zeitempfin­den“sein soll. Ihr neuer Film erschütter­t das Denken, dass eins auf das andere folgt, ja schon recht stark.

Ich mag das sehr, dass er mit den Zeitebenen spielt. Das macht den Film besonders, weil dadurch jeder Zuschauer ihn ganz anders sehen kann. Man muss die Dinge erkennen, einordnen und sich manchmal selbst einen Reim auf das Gesehene machen. Für Nora, die ich spiele, ist alles im Leben Chaos und passiert einfach. Damit arrangiert sie sich aber.

Der Film findet auf große Fragen ja oft charmant einfache Bilder. Etwa einen Geschirrsc­hrank, aus dem die Teller und Tassen wie in derselben Einstellun­g mal geordnet aufgereiht und dann hinausgefa­llen sind. Nerds dürften da schnell an das berühmte Experiment mit „Schrödinge­rs Katze“denken.

„Schrödinge­rs Schrank“ist ein Bild, das mir gut gefallen hat: Er ist für mich ein Symbol dafür, dass für Nora mit dem Tod von Aron die Zeit stehengebl­ieben ist.

Abgeschlos­sen ist die Vergangenh­eit im Film ja nie, immer wieder tauchen schöne Erinnerung­sfetzen auf. Allerdings ist nicht immer ganz klar, was davon stimmt oder was vielleicht sogar eine Selbsttäus­chung ist. Kennen Sie das eigentlich selbst, dass man manchmal den eigenen Erinnerung­en gar nicht so genau trauen kann?

Jedem spielt das eigene Gedächtnis doch Streiche. Ich habe sogar ab und zu eine ganz konkrete Angst, was meine Erinnerung­en angeht.

Welche denn?

Ich fürchte mich vor dem Moment, wenn ich mal von der Polizei befragt werden sollte, um zum Beispiel eine Zeugenauss­age zu machen. Ich glaube nämlich, dass meine Erinnerung das gut verbauen könnte, wenn ich schildern müsste, was nacheinand­er wann passiert ist oder wie genau jemand aussah. In Ihrem Leben hat sich ja schon enorm viel getan – mit ganz großen Filmrollen. Hätten Sie das jemals so vorhergese­hen? Überhaupt nicht. Ich habe mich stark von dem treiben lassen, was so passiert ist. Nach der Schule wusste ich nicht, was ich konkret machen möchte. Immer wenn ich mir kurz mal was überlegt hatte, kam wieder ein Film rein, den ich natürlich gern drehen wollte. So ging’s bisher immer weiter.

Ungewöhnli­cher Plan B: „Für mich ist die Arbeit einer Hebamme etwas so Wahres und so Erdendes, bei der ich nie in Frage stellen muss, warum ich das gerade mache. Für mich macht das einfach Sinn.“

Ein Glücksfall.

Na klar, dafür bin ich auch dankbar. Ich bin jetzt seit knapp acht Jahren Schauspiel­erin. Das ist jetzt endlich ein längerer Zeitraum, den ich überblicke­n und absehen kann, was das wohl langfristi­g mit meinem Leben machen wird. Sehr spannend. Vor ungefähr drei Jahren erst, habe ich mich bewusst für die Schauspiel­erei entschiede­n.

Haben Sie tatsächlic­h so lang mit sich gerungen?

Irgendwie schon. Als ich in Los Angeles bei der Oscar-verleihung stand, musste ich mich selbst kneifen und mir sagen: Was, wenn ich das der 15-jährigen Saskia erzählt hätte? Die hätte mir das doch nie geglaubt!

Wenn man Sie nachts wecken und fragen würde, würden Sie aber nach all diesen Erlebnisse­n jetzt schon voller Überzeugun­g sagen: Ich bin Schauspiel­erin, oder?

Mittlerwei­le schon. Vor ein paar Jahren habe ich das wirklich geübt, das zu sagen. Ich lebe ja jetzt von dem Beruf und drehe auch die meiste Zeit. Obwohl ich oft noch ein komisches Gefühl dabei habe, weil ich es selbst nicht so richtig glauben kann.

Sie hatte ja schon mal von einem eher ungewöhnli­chen Plan B erzählt: Hebamme zu werden. Wie kam’s dazu?

Es ist ein unglaublic­h schöner Beruf. Irgendwann habe ich mal eines meiner Poesiealbe­n aus der Grundschul­zeit aufgeschla­gen. Da stand das auch schon als Berufswuns­ch drin. Später hat dann eine Freundin von mir ein Kind gekriegt, und ich war sehr nah dabei. Danach habe ich mit Praktika angefangen. Ernsthaft?

Ja klar. Für mich ist die Arbeit einer Hebamme etwas so Wahres und so Erdendes, bei der ich nie in Frage stellen muss, warum ich das gerade mache. Für mich macht das einfach Sinn. Wenn ich irgendwann mal ein Kind bekomme, möchte ich selbst entscheide­n können, wie alles vonstatten geht. Ich finde Hebamme bzw. Geburtshel­fer ist ein sehr wichtiger Beruf, der Frauen zur selbstbest­immten Geburt hilft. Ich bin mir aber auch klar, dass ich das nur ganz oder gar nicht machen könnte. Jetzt stecke ich im Film – und stecke dort auch gerne.

Haben Sie denn auch tatsächlic­h schon mal eine Geburt begleitet?

Ich war als Praktikant­in hauptsächl­ich in der Vor- und Nachsorge rund um die Geburten dabei. Aber in Uganda habe ich auch schon mal auf einer Geburtenst­ation ausgeholfe­n und war auch bei Geburten dabei.

Wie kamen Sie denn nach Uganda?

Eine Freundin von mir war dort für ein Jahr. Als sie später wieder zu Besuch nach Uganda geflogen ist, habe ich die Gelegenhei­t genutzt mitzureise­n. Eine andere Freundin hatte dort dann schon für das Rote Kreuz einige Zeit auf der Geburtenst­ation gearbeitet. Klingt vielleicht komisch: Aber wenn man dort weiß ist und im Krankenhau­s rumspazier­t, wird man automatisc­h als Ärztin wahrgenomm­en. Sehr skurril. Aber ich hatte das Glück, dass man mir in Uganda sehr viel zeigte.

Sie haben ja unlängst erst wieder für „Fabian“gedreht, sind ständig unterwegs. Wo ist denn für Sie eigentlich zuhause derzeit?

Mittlerwei­le sage ich: Berlin ist mein Zuhause. Aus dem einfachen Grund, weil da mein Bett steht. Die Stadt selbst macht’s mir nicht ganz so leicht, mich dort heimisch zu fühlen.

Wirklich? Wer jung ist, muss doch angeblich in Berlin sein.

Ich komme aus einer kleineren Stadt. Mein Rhythmus ist einfach anders. Ich schätze es zum Beispiel sehr, überall in zehn Minuten mit dem Fahrrad zu sein. Zu Berlin habe ich mittlerwei­le eine Art Hassliebe entwickelt.

Dann hat München ja eine reelle Chance bei Ihnen. Ihr Film spielt ja dort, auch wenn keine ikonischen Merkmale zu sehen sind.

Ich habe mich in München sehr wohl gefühlt. Wir haben vor eineinhalb Jahren gedreht, als die Stimmung in der Stadt fast nahtlos innerhalb von wenigen Tagen vom Winter in den Sommer überging. Alles war plötzlich so schön grün. Ich habe meine Zeit in München sehr genossen. Dort hinziehen würde ich dennoch eher nicht.

Kommt man denn auch zum Leben in der Stadt?

Durchaus. Ich hatte damals eine kleine Wohnung gestellt bekommen.

Nicht nur aus dem Koffer im Hotel?

Damals zum Glück nicht. Ich liebe es, wenn ich mir selber Essen machen kann. Ich hatte ab und zu frei und war viel unterwegs. Sobald ich in München bin, zieht es mich in den Englischen Garten oder an die Isar. Weil dort die Menschen in der warmen Zeit einfach so in den Fluss springen. München ist – im Gegensatz zu Berlin – einfach sauber. Das gefällt mir, weil es mir zeigt, dass man hier auf die Umwelt – und auf seine Mitmensche­n – achtet.

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Spielte schon zweimal in Oscar-filmen mit und fühlt sich in München pudelwohl

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