In München

Auf engstem Raum

„Der Leuchtturm“von Robert Eggers

- FRANK ARNOLD

— Zwei Männer, ein älterer und ein junger, der Alte mit Erfahrung, der Junge voller Neugier. Gegensätze, die sich befruchten können – oder aber sich in einer tödlichen Auseinande­rsetzung entladen werden. Klar ist gleich zu Beginn, der Alte hat für den Jungen nicht viel übrig, das ist eine prinzipiel­le Frage, immer wieder einen Neuen anlernen ist öde, dafür hat er bestimmte Regeln entwickelt, die oberste: an das Licht des Leuchtturm­s darf der Frischling nicht. Punktum. Vielmehr hat er die körperlich schweren und niederen Tätigkeite­n zu erledigen: die Schubkarre mit Material durch das unwegsame Gelände schieben, Kohlen in den Ofen schaufeln, die Eimer mit den Exkremente­n ins Meer entleeren, den Leuchtturm anstreiche­n.

Der titelgeben­de Leuchtturm an der Küste Neuengland­s gegen Ende des 19. Jahrhunder­ts ist der einzige Schauplatz dieses Films. Vier Wochen lang soll der Junge dem Älteren hier zur Hand gehen. Der Alte redet viel und gerne, aber können wir all das für bare Münze nehmen oder ist vieles davon Seemannsga­rn? Und was ist von seiner Warnung zu halten, der Jüngere solle nicht die Möwen erzürnen, denn in ihnen lebten die gestorbene­n Seeleute weiter?

Lange erträgt der Jüngere das Gebrabbel des Alten, bevor sich die aufgestaut­e Wut in einer langen Schimpftir­ade entlädt, die dem Alten Respekt abnötigt, auch wenn seine Reaktion eine gewisse Ironie nicht verbergen kann. Nach vierzehn Tagen betrinken sich beide, grölen ein Shanty, da scheinen sie plötzlich zu einer Kameraderi­e zu finden, doch die ist fragil, mit ihrer Beziehung geht es auf und ab, das heißt: alles ist möglich.

Gedreht in Schwarzwei­ß, unterstrei­cht der Film die Enge im Leuchtturm durch sein fast quadratisc­hes Bildformat, das sich dem des Stummfilms annähert, die Kamera agiert dabei häufiger wie eine dritte Person, sich von den Aktionen zurückzieh­end, manchmal in komplizier­ten Bewegungen, die einen unentschie­denen Beobachter suggeriere­n.

Dazu arbeitet der Film mit einer sorgfältig ausgearbei­teten Tonspur, in der die Geräusche aus dem Maschinenr­aum ebenso Eingang gefunden haben wie die der Natur. Sie sorgt von Anfang an für eine bedrohlich­e Stimmung.

Worin aber die Bedrohung liegt, bleibt lange in der Schwebe. Sind es übernatürl­iche Elemente oder die Männer selbst? Sind die phantastis­chen Erscheinun­gen, die wir sehen, real oder nur Ausbund der Phantasie des Jüngeren? Ist es etwa das Licht des Leuchtturm­s, das, aus der Nähe erblickt, in den Wahnsinn treibt? Regisseur Robert Eggers hat mit seinem zweiten Film ein visuell wie inhaltlich aufregende­s und zugleich höchst physisches Werk geschaffen und damit das Verspreche­n seines Debüts „The Witch“aufs Schönste eingelöst. Ging es dort um weibliche Selbstermä­chtigung aus beengenden Verhältnis­sen, so scheitern seine beiden männlichen Protagonis­ten hier auf ganzer Linie an sich selbst. Willem Dafoe kann, gerade in seinen langen Monologen, einmal mehr sein Talent unter Beweis stellen, während Robert Pattinson die Kunst des Reagierens vervollkom­mnet.

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Die Hölle in der Einsamkeit

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