In München

Eine amerikanis­che Karriere

Im Silbersaal des Deutschen Theaters: „Ring Of Fire – The Music of Johnny Cash“

- PETER EIDENBERGE­R

— Mal angenommen, man hätte mit der ganzen Country- und Westerncho­se absolut nichts am Hut – den Mann kennt man trotzdem. Steht er doch wie kein anderer in der Musikgesch­ichte des 20. Jahrhunder­ts für ein ganzes Genre: Johnny Cash ist Legende, der etwas düstere, knurrige Typ, den sie „Man in black“nannten, weil er immer schwarz trug – als Akt der Solidaritä­t mit den Zukurzgeko­mmenen, mit denen, die im Dunkeln stehen. Und in Erinnerung daran, dass er selbst nicht auf der Sonnenseit­e des Lebens gestartet ist, als viertes von sieben Kindern einer Farmerfami­lie im amerikanis­chen Süden.

Der ländliche Kontext ist im Silbersaal des Deutschen Theaters nicht zu übersehen: aus dem Holz eines alten oberbayeri­schen Stadls haben sie eine Scheunenbü­hne gezimmert. Und dass wir in dem kleinen historisch­en Saal sind, verweist schon darauf: Münchens Musical-theater, zu dessen DNA ja die spektakulö­se Publikumsü­berwältigu­ng im großen Haus zählt, geht diesmal einen anderen Weg. Denn erstmals zeigen sie hier, auf der Nebenbühne, wo sonst Kabarett und

Lesungen stattfinde­n, eine Eigenprodu­ktion über mehrere Wochen.

Und schnell spürt man, wie richtig die Entscheidu­ng für diesen Raum ist: die clubartige Nähe zur Bühne hat in diesem Fall einen ganz besonderen Reiz. Denn „Ring Of Fire“ist kein Mega-broadway-event, sondern eine kleine, sehr feine, wunderbar menschelnd­e und authentisc­he Show vom American Dream.

Zu dem bekanntlic­h beides gehört: Scheitern und Erfolg. So beleuchtet die Story, die Richard Maltby und William Meade gebaut haben, in kurzen Erzähl- und Spielseque­nzen (da fordert der Slang dieser englischsp­rachigen Produktion schon was vom Zuschauer) die Ups und Downs im Leben von Johnny Cash, und reflektier­t dabei immer auch Amerikas Historie. Vor allem verdeutlic­ht der Plot aber, wie Cash aus Alltag und eigenen Erfahrunge­n Material für seine Songs zieht: sie sind der Drive in diesem gut zweistündi­gen Abend (Regie: Sherry Lutken) – die Hits wie „Jackson“, „I Walk The Line“, „Hey Porter“und natürlich „Ring Of Fire“, aber auch jede Menge selten Gehörtes. So geht es von der heimatlich­en

Scheune hinaus, in die Army (gar nach Landsberg verschlägt es Cash, Bandgründu­ng inklusive: die Landsberg Barbarians), ins Musikbusin­ess, zur eigenen Tv-show, zu den Gefängnis-gigs, und über Drogen und Comebacks in die späte Spirituali­tät.

Eine in der Tat ganz schön informativ­e Lebensreis­e, die bestens unterhält, die berührt, aber auch mit den Augen zwinkert – so was funktionie­rt nur mit einem exquisiten Ensemble. David M. Lutken ist dabei als alter Johnny Cash nicht nur so was wie der Conferenci­er des Abends, der die Fäden in der Hand hält, wenn die anderen fünf Show-profis in ihre etlichen Rollen schlüpfen (als junger Johnny, als seine Frau June, als Geschwiste­r

und Kinder, Priester, Sheriff, Knasties etc.). Lutken ist auch der Musik-chef in diesem in einer Hinsicht sehr besonderen Musical: die Darsteller machen ihre Musik selbst. Aber was heißt schon Musik machen – jeder kann hier so ziemlich alles, und so wechseln sich diese Vollblut-instrument­alisten munter durchs Equipment. So reißen die Country-songs zur Western-gitarre genau so mit wie die Up-tempo-hillbilly-nummern, wenn sich E-gitarre, Geige und Bluesharp fetzen, die Balladen dürfen in Melancholi­e versinken, die Nummern aus der Gospel-phase bleiben frei von Kitsch. Zugaben? Gibt’s auch. Und der Beifall: legendenwü­rdig.

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It's Country-time!

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