Eine amerikanische Karriere
Im Silbersaal des Deutschen Theaters: „Ring Of Fire – The Music of Johnny Cash“
— Mal angenommen, man hätte mit der ganzen Country- und Westernchose absolut nichts am Hut – den Mann kennt man trotzdem. Steht er doch wie kein anderer in der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts für ein ganzes Genre: Johnny Cash ist Legende, der etwas düstere, knurrige Typ, den sie „Man in black“nannten, weil er immer schwarz trug – als Akt der Solidarität mit den Zukurzgekommenen, mit denen, die im Dunkeln stehen. Und in Erinnerung daran, dass er selbst nicht auf der Sonnenseite des Lebens gestartet ist, als viertes von sieben Kindern einer Farmerfamilie im amerikanischen Süden.
Der ländliche Kontext ist im Silbersaal des Deutschen Theaters nicht zu übersehen: aus dem Holz eines alten oberbayerischen Stadls haben sie eine Scheunenbühne gezimmert. Und dass wir in dem kleinen historischen Saal sind, verweist schon darauf: Münchens Musical-theater, zu dessen DNA ja die spektakulöse Publikumsüberwältigung im großen Haus zählt, geht diesmal einen anderen Weg. Denn erstmals zeigen sie hier, auf der Nebenbühne, wo sonst Kabarett und
Lesungen stattfinden, eine Eigenproduktion über mehrere Wochen.
Und schnell spürt man, wie richtig die Entscheidung für diesen Raum ist: die clubartige Nähe zur Bühne hat in diesem Fall einen ganz besonderen Reiz. Denn „Ring Of Fire“ist kein Mega-broadway-event, sondern eine kleine, sehr feine, wunderbar menschelnde und authentische Show vom American Dream.
Zu dem bekanntlich beides gehört: Scheitern und Erfolg. So beleuchtet die Story, die Richard Maltby und William Meade gebaut haben, in kurzen Erzähl- und Spielsequenzen (da fordert der Slang dieser englischsprachigen Produktion schon was vom Zuschauer) die Ups und Downs im Leben von Johnny Cash, und reflektiert dabei immer auch Amerikas Historie. Vor allem verdeutlicht der Plot aber, wie Cash aus Alltag und eigenen Erfahrungen Material für seine Songs zieht: sie sind der Drive in diesem gut zweistündigen Abend (Regie: Sherry Lutken) – die Hits wie „Jackson“, „I Walk The Line“, „Hey Porter“und natürlich „Ring Of Fire“, aber auch jede Menge selten Gehörtes. So geht es von der heimatlichen
Scheune hinaus, in die Army (gar nach Landsberg verschlägt es Cash, Bandgründung inklusive: die Landsberg Barbarians), ins Musikbusiness, zur eigenen Tv-show, zu den Gefängnis-gigs, und über Drogen und Comebacks in die späte Spiritualität.
Eine in der Tat ganz schön informative Lebensreise, die bestens unterhält, die berührt, aber auch mit den Augen zwinkert – so was funktioniert nur mit einem exquisiten Ensemble. David M. Lutken ist dabei als alter Johnny Cash nicht nur so was wie der Conferencier des Abends, der die Fäden in der Hand hält, wenn die anderen fünf Show-profis in ihre etlichen Rollen schlüpfen (als junger Johnny, als seine Frau June, als Geschwister
und Kinder, Priester, Sheriff, Knasties etc.). Lutken ist auch der Musik-chef in diesem in einer Hinsicht sehr besonderen Musical: die Darsteller machen ihre Musik selbst. Aber was heißt schon Musik machen – jeder kann hier so ziemlich alles, und so wechseln sich diese Vollblut-instrumentalisten munter durchs Equipment. So reißen die Country-songs zur Western-gitarre genau so mit wie die Up-tempo-hillbilly-nummern, wenn sich E-gitarre, Geige und Bluesharp fetzen, die Balladen dürfen in Melancholie versinken, die Nummern aus der Gospel-phase bleiben frei von Kitsch. Zugaben? Gibt’s auch. Und der Beifall: legendenwürdig.