Opernstoff
Unerhört, unaufführbar, ungeliebt, ungespielt
— Warum hört man eine Oper von der Musikkonserve? Der Komponist des Stückes hat Handlungsort, Schauspiel und Musik zu einem Gesamtkunstwerk verbunden, die Musik ist nur Teilstück eines Werkes. Eine Oper hören ist nicht eine Oper erleben. Es fehlen Bühne, Darsteller, präsente Musiker, Raum und Stimmungen. Doch trotz der „Celibachesken“Einwendungen, bin ich für die Konserve: es schafft dem Kunstinteressierten die Möglichkeit, sich einem unpopulären oder wenig gespieltem Sujet zu nähern und es zu (teil-)erfahren.
„Jawoll, Herr Hauptmann“antwortet die geschundene Kreatur, die Musik wirkt bedrohlich. Das Libretto ist einem kleinen gelben Heftchen entnommen, das heute Schullektüre ist. Ursprünglich im Original sehr schlecht lesbar, weshalb Alban Berg die Oper Wozzeck nannte. Kommiss und Erniedrigung, menschliche Schwäche und doch erbarmungslose Ehrlichkeit, gekleidet in 12-Tongewand (früher: atonale Musik), die mir als beste Lösung für diese Themen gilt.
Noch ein unerhörtes Stück, Bernd Alois Zimmermanns Die Soldaten: „unspielbar“und „unaufführbar“war lange Zeit die Beurteilung von Intendanten und Dirigenten. Die Soldateska und die unweigerliche Vernichtung von Unschuld sind Thema, die gut an der „Overkill“-gegenwart wegen der Collagen und Überlappungstechnik verarbeitet ist. Die Musik: natürlich nicht „schön“, aber eindringlich, gewaltsam, nachdenklich machend.
Ernst Kreneks Jonny spielt auf ist nahezu vergessen. Es war ein Welterfolg in den späten 20ern Jahren und ist mit rassistischen, musikalischen, nationalistischen und menschlichen Vorurteilen besetzt. Die Nazibonzen verboten das Stück, zuviel Jazzelemente und die schwarze, talentierte Hauptfigur. Heute klingt es fast wie eine Prophezeihung, wenn es am Schluss heißt: „Die Stunde schlägt der alten Zeit, / die neue Zeit bricht jetzt an. / Versäumt den Anschluss nicht. / Die Überfahrt beginnt / ins unbekannte Land der Freiheit. / Die Überfahrt beginnt, / so spielt uns Jonny auf zum Tanz. / Es kommt die neue Welt übers Meer / gefahren mit Glanz / und erbt das alte Europa durch den Tanz.“
Anno 1920 kommt Die tote Stadt vom 23 jährigen Erich Wolfgang Korngold auf die Bühne. Ein Stück mit fast barocken Zügen, geht es doch um die Vergänglichkeit und Abschied vom Leben. Eine Liebesgeschichte ohne Happy End. Korngold konnte sich während der bitteren Nazi-jahre in die USA retten. Das Wunderkind, das sich zum Opernkomponisten wandelte und schließlich in Amerika als Filmmusikhandwerker seinen Platz fand. „Glück, das mir verblieb“erscheint mir das Duett, das die Situation der emigrierten Künstler beschreibt, die überlebten, aber nicht mehr in Ihrem Umfeld arbeiten konnten.
Der Autor ist Privater Musikarchivar und manchmal findet er noch einen Tonträger, den er kauft. Er betätigt gern die „Play”taste des Cd-spielers, ist aber ansonsten ein musikalischer Analphabet. Was ihn allerdings nicht hindert, Musik zu hören.