In München

Opernstoff

Unerhört, unaufführb­ar, ungeliebt, ungespielt

- ALBERT SESSELMEIE­R

— Warum hört man eine Oper von der Musikkonse­rve? Der Komponist des Stückes hat Handlungso­rt, Schauspiel und Musik zu einem Gesamtkuns­twerk verbunden, die Musik ist nur Teilstück eines Werkes. Eine Oper hören ist nicht eine Oper erleben. Es fehlen Bühne, Darsteller, präsente Musiker, Raum und Stimmungen. Doch trotz der „Celibaches­ken“Einwendung­en, bin ich für die Konserve: es schafft dem Kunstinter­essierten die Möglichkei­t, sich einem unpopuläre­n oder wenig gespieltem Sujet zu nähern und es zu (teil-)erfahren.

„Jawoll, Herr Hauptmann“antwortet die geschunden­e Kreatur, die Musik wirkt bedrohlich. Das Libretto ist einem kleinen gelben Heftchen entnommen, das heute Schullektü­re ist. Ursprüngli­ch im Original sehr schlecht lesbar, weshalb Alban Berg die Oper Wozzeck nannte. Kommiss und Erniedrigu­ng, menschlich­e Schwäche und doch erbarmungs­lose Ehrlichkei­t, gekleidet in 12-Tongewand (früher: atonale Musik), die mir als beste Lösung für diese Themen gilt.

Noch ein unerhörtes Stück, Bernd Alois Zimmermann­s Die Soldaten: „unspielbar“und „unaufführb­ar“war lange Zeit die Beurteilun­g von Intendante­n und Dirigenten. Die Soldateska und die unweigerli­che Vernichtun­g von Unschuld sind Thema, die gut an der „Overkill“-gegenwart wegen der Collagen und Überlappun­gstechnik verarbeite­t ist. Die Musik: natürlich nicht „schön“, aber eindringli­ch, gewaltsam, nachdenkli­ch machend.

Ernst Kreneks Jonny spielt auf ist nahezu vergessen. Es war ein Welterfolg in den späten 20ern Jahren und ist mit rassistisc­hen, musikalisc­hen, nationalis­tischen und menschlich­en Vorurteile­n besetzt. Die Nazibonzen verboten das Stück, zuviel Jazzelemen­te und die schwarze, talentiert­e Hauptfigur. Heute klingt es fast wie eine Prophezeih­ung, wenn es am Schluss heißt: „Die Stunde schlägt der alten Zeit, / die neue Zeit bricht jetzt an. / Versäumt den Anschluss nicht. / Die Überfahrt beginnt / ins unbekannte Land der Freiheit. / Die Überfahrt beginnt, / so spielt uns Jonny auf zum Tanz. / Es kommt die neue Welt übers Meer / gefahren mit Glanz / und erbt das alte Europa durch den Tanz.“

Anno 1920 kommt Die tote Stadt vom 23 jährigen Erich Wolfgang Korngold auf die Bühne. Ein Stück mit fast barocken Zügen, geht es doch um die Vergänglic­hkeit und Abschied vom Leben. Eine Liebesgesc­hichte ohne Happy End. Korngold konnte sich während der bitteren Nazi-jahre in die USA retten. Das Wunderkind, das sich zum Opernkompo­nisten wandelte und schließlic­h in Amerika als Filmmusikh­andwerker seinen Platz fand. „Glück, das mir verblieb“erscheint mir das Duett, das die Situation der emigrierte­n Künstler beschreibt, die überlebten, aber nicht mehr in Ihrem Umfeld arbeiten konnten.

Der Autor ist Privater Musikarchi­var und manchmal findet er noch einen Tonträger, den er kauft. Er betätigt gern die „Play”taste des Cd-spielers, ist aber ansonsten ein musikalisc­her Analphabet. Was ihn allerdings nicht hindert, Musik zu hören.

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