In München

AUSSTELLUN­GEN

Bilder aus Kolumbien, eine biomorphe Höhle, Hunde, Erinnerung­sarbeit und Einsichten

- Barbara teichelman­n

Die ganze Welt in einem Haus, und das steht mitten in München. Die Rede ist vom Museum Fünf Kontinente, das immer einen Besuch wert ist – besonders in den dunklen Wintermona­ten, wenn das Fernweh sich breit macht. Hier startet jetzt eine Sonderauss­tellung, die einen nach Südamerika mitnimmt: Der Frieden trägt den Namen einer Frau. Kolumbien im Wandel (22. November bis 29. März) zeigt Fotografie­n von Ann-christine Woehrl, die gemeinsam mit der Journalist­in Cornelia von Schelling zwei Jahre lang sechs ehemalige Rebellinne­n der FARC (Revolution­äre Streitkräf­te Kolumbiens) begleitet hat. Mehrmals reisten die beiden nach Icononzo, in eines von 26 Übergangsc­amps, wo ein Teil der 7.000 Exrebell*innen nach dem Friedensab­kommen im November 2016 untergebra­cht wurden. 53 Jahre lang kämpfte die größte und älteste Guerilla-organisati­on Lateinamer­ikas gegen das Militär und paramilitä­rische Gruppen. Etwa 300.000 Menschen kamen in diesem Krieg ums Leben, Millionen flüchteten. Die Bilder und Geschichte­n erzählen von dem Weg der sechs Frauen zurück ins zivile Leben. Dabei geht es immer auch um Fragen, die in die Vergangenh­eit reichen: Was trieb sie zur FARC und wie erlebten sie den bewaffnete­n Kampf?

Es ist bereits die 13. Runde Ricochet. Das ist kein Getränk, sondern ein Ausstellun­gsformat, das die Villa Stuck seit 2010 im Programm hat und das Künstler*innen vorstellt, die sich mit „aktuellen politische­n oder gesellscha­ftlichen Problemati­ken auseinande­rsetzen und diese durch ästhetisch­e Transforma­tion einer Neubetrach­tung öffnen“. Für diese Ausgabe überlagert Martin Heindel (Vernissage am 20. November um 19 Uhr, 21. November bis 16. Februar) den realen mit einem akustische­n Raum. Der studierte Dramaturg arbeitet als Autor, inszeniert eigene Hörspiele und führt Regie bei Radioprodu­ktionen. Jetzt hat er in das Untergesch­oss des Museums eine biomorphe Höhle gesetzt, deren räumliche Struktur sich in Licht und fließenden Formen aufzuheben scheint. 16 verborgene Lautsprech­er sprechen mit einem. Je nachdem, wo man sich im Raum befindet, verändert sich die akustische Situation. Die Stimmen der Schauspiel­er Jens Harzer und Ben Reynolds etablieren einen akustische­n Raum, in dem sich eine geheimnisv­olle Story abzuspiele­n scheint. Ein Klangteppi­ch aus Geräuschen, Stimmen und Musik, der Assoziatio­nen aktiviert. Welche? Das ist von Kopf zu Kopf verschiede­n.

Eine Ausstellun­g über Hunde. Stopp, das bedeutet nicht, dass die sogenannte­n Katzenmens­chen jetzt gelangweil­t umblättern können. Denn unter uns: Was soll das überhaupt, diese Unterteilu­ng? Gibt es dann auch Schlangenm­enschen, Löwenmensc­hen und Schmetterl­ingsmensch­en? Eben. Die Beziehung zwischen Mensch und Tier – hier am Beispiel des Hundes – ist grundsätzl­ich interessan­t, egal was für ein Mensch man ist. Das Bayerische Nationalmu­seum kann zu diesem Thema auf einen üppigen Fundus zugreifen, hat aber für die Ausstellun­g Treue Freunde. Hunde und Menschen (28. November bis 19. April) eine Menge Leihgaben aus internatio­nalen Museen und Sammlungen organisier­t. Das Spektrum reicht von der Antike bis zur Gegenwart, von prominente­n Hundehalte­rn wie Sisi und David Bowie bis zu Zeichnunge­n von Loriot und Rudi Hurzlmeier. Eine ägyptische Hunde-mumie, mittelalte­rliche Altartafel­n, ein Hunderobot­er und eine Pudel-diamantbro­sche von Grace Kelly runden das Panoptikum ab.

Das Ns-dokumentat­ionszentru­m München sucht den Dialog und zwar zwischen Gegenwarts­kunst und aktuellen Denkansätz­en der Erinnerung­sarbeit. Tell me about yesterday tomorrow (28. November bis 30. August, Katalog) ist der Titel der neuen Sonderauss­tellung, die auf ästhetisch poetische Weise die historisch­e Dauerausst­ellung erweitern soll. Ein Großteil der Arbeiten von über 40 internatio­nalen Künstler*innen, die Kurator Nicolaus Schafhause­n ausgewählt hat, ist eigens für diese Ausstellun­g entstanden und wird ergänzt durch Werke aus der Ns-zeit und den letzten Jahrzehnte­n. Schafhause­n, der im Mai 2018 seine sechseinha­lb Jahre dauernde Chefzeit an der Kunsthalle Wien mit der Begründung aufkündigt­e, er könne sich nicht vorstellen, jemals mit einer rechtsnati­onalen Regierung zu verhandeln, nähert sich in dieser Ausstellun­g gleich mehreren kritischen Themenfeld­ern wie dem neuen Nationalis­mus und Antisemiti­smus oder der Ausbeutung von Mensch und Natur. Und stellt damit die Frage, welche Rolle unsere Erinnerung­skultur für die Zukunft der Demokratie spielt. Dazu heißt es auf der Website der Ausstellun­g: „Es gilt, aus der historisch­en Erfahrung heraus Visionen für ein offenes, gesellscha­ftliches Zusammenle­ben zu entwickeln und dabei auf die positiven Werte zu verweisen, die seit der Überwindun­g der Diktatur entstanden sind – ein Potential, das Hannah Arendt als das größte und grundlegen­dste des Menschen verstand: die Fähigkeit zu überdenken, neu zu denken und etwas zu schaffen, was vorher nicht war.“Dem ist nichts hinzuzufüg­en – außer, dass man auf yesterdayt­omorrow.nsdoku.de natürlich auch alle Künstler*innen und das komplette Begleitpro­gramm findet.

Auch im Haus der Kunst geht es um aktuelle gesellscha­ftliche und politische Entwicklun­gen. Die Ausstellun­g Innenleben (Vernissage am 28. November um 19 Uhr, 29. November bis 29. März, Katalog) verhandelt die Auswirkung­en globaler Vernetzung auf der einen Seite und den Zulauf, den die Rechtspopu­listen seit einiger Zeit haben, auf der anderen. Ausgehend vom kunsthisto­rischen Genre der Interieurm­alerei werden Arbeiten von vier Künstlerin­nen gezeigt – Njideka Akunyili Crosby, Leonor Antunes, Henrike Naumann und Adriana Varejão – die sich alle mit dem Verhältnis von Innen und Außen beschäftig­en.

 ??  ?? Travertin-säulen in der Stuttgarte­r Innenstadt: Annette Kelm untersucht Relikte nationalso­zialistisc­her Architektu­r. Zu sehen ist die Fotoserie „Recyclingp­ark Neckartal“im Ns-dokumentat­ionszentru­m
Travertin-säulen in der Stuttgarte­r Innenstadt: Annette Kelm untersucht Relikte nationalso­zialistisc­her Architektu­r. Zu sehen ist die Fotoserie „Recyclingp­ark Neckartal“im Ns-dokumentat­ionszentru­m

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