In München

Manche Freunde tragen Fell

Das Bayerische Nationalmu­seum erforscht die Beziehung zwischen Mensch und Hund

- BARBARA TEICHELMAN­N

Es gibt unzählige Mythen und Sagen, aber keiner weiß genau, wie und wo es anfing. Wann schuf sich der Mensch den Hund? Wie gesagt: Man weiß es nicht. Deshalb kann man getrost behaupten: Er war schon immer da, nicht sofort in Mopsform, aber ganz sicher seit vorgeschic­htlicher Zeit mit Fell, Schnauze, Herz und Pfote. Selbst Odysseus hatte einen, und als er nach seiner lebenslang­en Irrfahrt dann doch wieder nach Hause zurückfand, war es der Hund, der ihn als erstes erkannte. Der vierbeinig­e Freund hatte ihn nicht vergessen. Die Ausstellun­g „Treue Freunde. Hunde und Menschen“im Nationalmu­seum nähert sich diesem emotionale­n Thema mit über 200 Werken aus verschiede­nsten Epochen, von der Antike bis zur Gegenwart. Es gibt Malerei, Fotografie, Film, Zeichnunge­n, Schmuck, Altartafel­n, Skulpturen – und Geschichte­n. Los geht es mit Thomas Mann, dessen Buch „Herr und Hund“vor hundert Jahren im Herbst 1919 erschienen ist, und quasi Anlass und Auftakt gleicherma­ßen darstellt. Mann setzte damit einem seiner Hunde – Bauschan war sein Name – ein literarisc­hes Denkmal. Dass sich sogar der streng durchdiszi­plinierte Thomas Mann von einem Hund hat um die Pfote wickeln lassen, ist irgendwie beruhigend. Wie vielfältig die Beziehung zwischen Mensch und Hund ist und wie sie sich im Lauf der Zeit verändert hat, verdeutlic­hen 12 Kapitel, in denen sich die Ausstellun­g organisier­t. Es geht um Freundscha­ft, um Befremdlic­hkeiten, um den Hund als Status- und Machtsymbo­l, als Helfer oder Jagdgefähr­ten, um Spiel, um Mode, um Bisse, um Gefahr und um Erotik. Gegen Ende der Ausstellun­g begegnet man einem Hundeportr­ät, das der Simpliciss­imus-karikaturi­st Thomas Theodor Heine im Jahr 1921 in Dießen am Ammersee gemalt hat. Mopswelpe Siegfried sitzt alleine auf einem roten Samtsessel. So klein er ist, er ist der alleinige Bildmittel­punkt. Und es ist klar, dass da eine große, wenn auch haarige Persönlich­keit sitzt. Ganz im Sinne von Loriot, der ja bekanntlic­h ein Leben ohne Mops für sinnlos hielt. Wer gerade das Glück hatte, der Mops an seiner Seite zu sein, der durfte auch in seinen Filmen oder Karikature­n mitwirken. Andy Warhol hatte zwar „nur“einen Dackel, aber er liebte ihn nicht minder: „I just got a dog and I think I’m falling in love with him. I think about him all the time, and I know he does, too.“Der kleine Hund mit dem weichen Blick und den weichen Ohren wurde sein Alter Ego, das er in Interviews gerne auffordert­e, für ihn zu antworten: „Talk, Archie, talk.“Aber Archie blieb stumm. Und genau das ist eine der größten Besonderhe­iten bei Freundscha­ften mit Tieren. Man verbringt viel Zeit miteinande­r, man kennt sich unglaublic­h gut, man kommunizie­rt unablässig miteinande­r – aber eben nicht mit Wörtern. Herrchen oder Frauchen schon, aber der Hund bleibt stumm. Er bellt zwar und wedelt mit dem Schwanz, er quietscht, er schnarcht, er jault auch mal. Aber er sagt nichts. Erklärt nichts. Hinterfrag­t nicht. Gibt keine Ratschläge. Zieht nicht ironisch die Augenbraue­n nach oben (obwohl?). Er diskutiert nicht. Er ist einfach da. Kein Wunder, dass er in der westlichen Kultur vor allem für Freundscha­ft und Treue steht.

 ??  ?? Thomas Theodor Heine erfand nicht nur die rote Simpliciss­imus-dogge, er hielt sich zeitweise auch bis zu sechs Möpse – darunter Mopswelpe Siegfried, den er porträtier­te.
Thomas Theodor Heine erfand nicht nur die rote Simpliciss­imus-dogge, er hielt sich zeitweise auch bis zu sechs Möpse – darunter Mopswelpe Siegfried, den er porträtier­te.

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