Sinn und Sinnlichkeit & Zombies
Life is a big fucking Partnerflohmarkt. Gefühlter Untertitel zu Jane Austens Romanwelt. Da geht’s um nix anderes, als möglichst viele ihres Upper-class-casts unter die Haube zu stopfen. In Austens Zeit, zum Centurywechsel 18 auf 19, waren Parship, Lovescout24, Tinder & Co noch verdammt analoge Portale. Zeitvertreib grenzte quasi an ehrliche, harte Arbeit. Etwa so wie Fliegenvertreiben für Zombies. Klassische Kuppel-app-surrogate waren Partys, wo sich die Societyzombies beim Hopsen so lange gestelzte Belanglosigkeiten unter die Frisuren popelten, bis er oder sie nicht mehr konnte und sich willig anleinen ließ. Northanger Abbey spöttelt zwar über die Gothics, die damals hippen Schauerromane, stemmt aber das Kuppelprogramm ein paar Nummern zu seriös. Wäre Austen doch kurz ins Jahr 2016 gereist – via Zeitkutsche oder zu früh erfundener fliegender Dosentelefonzelle – und hätte dann Stolz und Vorurteil & Zombies gekuckt. Da haben die Babes ein Martial-arts-upgrade und spielen emanzipationsmäßig quasi in Old Trafford. Read this, Miss Austen! Elizabeth Bennet: Ich würde für einen Ring niemals auf mein Schwert verzichten. Charlotte Lucas: Für den richtigen Mann vielleicht doch. Elizabeth Bennet: Der richtige Mann würde das nicht verlangen. Catherine Morland, Austens Heldin in Northanger Abbey, ist ein Countrychick. In der Whiskykurstadt Bath verfällt sie einem gewitzten Typen. Nebenbei vergräbt sie sich in Gruselschinken der Autorin Ann Radcliffe, gefühlte Vorfahrin des Harry-potterdarstellers. Der Schundromankonsum generiert einen Don-quijote-effekt. Cathy steht auf Burgen und fantasiert sich wiederholt in Fake-realitys. Für so viel Nocontent ist das Ganze erstaunlich dynamisch und schmunzelig umgesetzt. Nicht, dass man sich auch nur einen Namen merken könnte. Abgesehen davon passt einfach alles. Höfischer Sound. Die Stimmlieferanten machen einen Topjob. Und Ulrich Noethen zuzuhören ist sowieso immer ein Genuss. Und wie sie alle dem Selbstoptimierungswahn verfallen sind, dem Eigenmarktwertpimpzwang, das wäre bei aller austenscher Sozialkritik-ignoranz ihr zumindest als dezentes Lifestyle-bashing gutzuschreiben.
Jane Austen: Northanger Abbey. Hörspiel von Silke Hildebrandt mit Max Bretschneider, Anna Drexler, Anne Müller, Ulrich Noethen u. a., HR 2019, 2 CD, ca. 130 Min., www.hoerverlag.de