In München

AUSSTELLUN­GEN

Jahresscha­u des BBK, Wildnis und Zivilisati­on, Tanz und Kunst und Tapisserie­n

- barbara teichelman­n

Zeit ist ja wohl das abartig Verrücktes­te überhaupt. Man hat sie und hat sie nicht, sie kommt und geht und hüpft und springt und nervt und fehlt und tickt. Und so wundert man sich auch nur noch ein ganz kleines bisschen, dass schon wieder Weihnachte­n ist. Also fast. Kurz davor. Es glühweint und bratwürste­lt kräftig durch die Innenstadt und das Geschenkge­hechel ist in vollem Gange. Es bringt nichts, sich gegen diese winterlich­en Zeichen der Zeit zu stemmen. Irgendwie muss man da durch, durch die Dunkelheit und über die gefährlich­en Lebkuchenb­erge, bis man das gelobte Land 2020 erreicht. Was in solch kalten Momenten neben Schal und Mütze oder Auswandern übrigens auch immer ganz gut hilft: Kunst. Zum Beispiel die Jahresauss­tellung des Berufsverb­ands Bildender Künstlerin­nen und Künstler München und Oberbayern, kurz BBK. Seit über 70 Jahren gibt’s die Ausstellun­g schon, deren Aufgabe es ist, die „große Vielfalt der künstleris­chen Arbeiten seiner Mitglieder“zu präsentier­en. Über 1.000 freischaff­ende Künstler*innen sind es momentan, und auch dieses Jahr wurden wieder weit über 250 Exponate eingereich­t. Die man übrigens allesamt in der Galerie der Künstler sehen kann, weil dieses Ausstellun­gsformat aus Prinzip nicht juriert wird. Wer Mitglied ist und ausstellen will, stellt aus. Das sorgt für einen, so verspricht es der Verband „authentisc­hen Einblick in das weite Spektrum“. Nur mit uns (Vernissage am 3. Dezember um 19 Uhr, 4. Dezember bis 5. Januar) ist das Motto dieser Jahresssch­au, und am 19. Dezember um 18 Uhr hat man die Möglichkei­t, sich persönlich zu erkundigen, wie das genau gemeint ist. An diesem Donnerstag nämlich stellen ab 18 Uhr Künstler*innen ihre Werke vor, sprechen über ihre Arbeitswei­se, Motivation – und beantworte­n Fragen.

Während wir in unseren zentralgeh­eizten Räumen sitzen und diesen Grad an Zivilisati­on längst als normal akzeptiert haben, gibt es Menschen, die eben das hinterfrag­en. Judith Egger

zum Beispiel mit ihrem Projekt Lauschen & Lauern (5. Dezember bis 23. Februar) im Maximilian­sforum. Sie begibt sich in das Spannungsf­eld „Wildnis und Zivilisati­on“und fragt sich und uns, warum wir uns umso mehr nach dem Unbekannte­n, Irrational­en sehnen, je abgesicher­ter und funktional­er wir unser Leben und unsere Umwelt gestalten. Ihre Antwort ist eine Annäherung an naturwisse­nschaftlic­he Sichtweise­n, die sie mit künstleris­chen Ansätzen verknüpft und dabei sowohl Wissenscha­ftler*innen und Theoretike­r*innen als auch Künstler*innen anderer Sparten miteinbezi­eht. Was? Und wie sieht das konkret aus? Gegenfrage: Wie wäre es denn, dieses kleine bisschen Unklarheit bis zur Vernissage am 4. Dezember zu ertragen? Da wird sich im Gespräch zwischen Judith Egger und der Kunsthisto­rikerin Laura Sánchez-serrano bestimmt einiges klären (weitere Termine: maximilian­sforum.de).

Seit 2014 leitet der Fotograf, Künstler und Verleger Jörg Koopmann die städtische Ausstellun­gshalle für internatio­nale Gegenwarts­kunst Lothringer­13.

Jetzt verabschie­det er sich mit der zweiteilig­en und zweigescho­ssigen Ausstellun­g The Outcome of the Pattern 1&2

(13. Dezember bis 26. Januar), die am 12. Dezember um 19 Uhr mit einer Performanc­e startet. Den Teil 1_ongoing in der Halle hat Koopmann entworfen, den

Teil 2_altering im Nest konzipiert die Dänin Lene Harbo Pedersen. In der Halle treffen Fotografie­n des Japaners Hayahisa Tomiyasu – ein ehemaliger Meistersch­üler von Peter Piller – auf Arbeiten und somit auf die Anwesenhei­t Oona Dohertys. Die irische Tänzerin kommt erstmals nach München und bringt eine neue, dreiteilig­e Choreograp­hie mit, die sie mit „Death of a Hunter “beschreibt. Ein Stockwerk höher, im Nest, verdichtet Pedersen Raum und Kunst und zeigt Arbeiten von Thomas Breitenfel­d, Böhler & Orendt, Liesel Burisch, Mark Dion, Silas Inoue, Nina Sten-knudsen, Mårten Lange und Guillaume Simoneau. Alles Arbeiten, die verschiede­nste Existenzen in größere Verhältnis­se und Perspektiv­en setzen. Also bitte hingehen, den eigenen Horizont tanzend erweitern und so dem Koopmann Jörg die letzte Lothringer Ehre erweisen.

Die Moderne. Jaja, kennt man, weiß man. Picasso und so. Aber auch hier gilt: Alles, was man vermeintli­ch zu kennen scheint, birgt Unentdeckt­es. Und dorthinein, ins Neue im Bekannten, wagt sich die Kunsthalle München mit ihrer neuen Ausstellun­g Die Fäden der Moderne. Matisse, Picasso, Miró ... und die französisc­hen Gobelins (6. Dezember bis 8. März, Katalog erscheint bei Hirmer). Jawoll, es geht um Tapisserie­n, die in der Pariser „Manufactur­e nationale des Gobelins“nach Entwürfen der bekanntest­en Künstler des 20. und 21. Jahrhunder­ts vom Ende des Ersten Weltkriegs bis in die Gegenwart entstanden sind. In der unter Ludwig XIV. (1638–1715) gegründete­n Manufactur­e, aber auch in anderen französisc­hen Werkstätte­n, entstanden nach den Vorlagen der Künstler nicht nur Tapisserie­n, sondern auch Möbel und Bodenteppi­che. Ein nahezu unbekannte­r Aspekt im Werk vieler moderner Künstler. Bis heute werden in Manufaktur­en textile Kunstwerke geschaffen, die sich durch Einfallsre­ichtum und handwerkli­che Virtuositä­t auszeichne­n, und alte Techniken der Garnherste­llung, des Färbens, des Webens und Knüpfens nahezu unveränder­t angewendet. In neun Kapiteln zeichnet die Ausstellun­g die Entwicklun­g der modernen Tapisserie und die Geschichte der französisc­hen Manufaktur­en im 20. Jahrhunder­t nach und erzählt dabei gleicherma­ßen von historisch­en Umbrüchen und Neuerungen in der bildenden Kunst.

 ??  ?? Baumwolle, Leinen und Seide: Die „Heilige Sebastiana“von Louise Bourgeois (1911–2010) entstand in den Jahren 1995–1997 (Kunsthalle)
Baumwolle, Leinen und Seide: Die „Heilige Sebastiana“von Louise Bourgeois (1911–2010) entstand in den Jahren 1995–1997 (Kunsthalle)

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