AUSSTELLUNGEN
Jahresschau des BBK, Wildnis und Zivilisation, Tanz und Kunst und Tapisserien
Zeit ist ja wohl das abartig Verrückteste überhaupt. Man hat sie und hat sie nicht, sie kommt und geht und hüpft und springt und nervt und fehlt und tickt. Und so wundert man sich auch nur noch ein ganz kleines bisschen, dass schon wieder Weihnachten ist. Also fast. Kurz davor. Es glühweint und bratwürstelt kräftig durch die Innenstadt und das Geschenkgehechel ist in vollem Gange. Es bringt nichts, sich gegen diese winterlichen Zeichen der Zeit zu stemmen. Irgendwie muss man da durch, durch die Dunkelheit und über die gefährlichen Lebkuchenberge, bis man das gelobte Land 2020 erreicht. Was in solch kalten Momenten neben Schal und Mütze oder Auswandern übrigens auch immer ganz gut hilft: Kunst. Zum Beispiel die Jahresausstellung des Berufsverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler München und Oberbayern, kurz BBK. Seit über 70 Jahren gibt’s die Ausstellung schon, deren Aufgabe es ist, die „große Vielfalt der künstlerischen Arbeiten seiner Mitglieder“zu präsentieren. Über 1.000 freischaffende Künstler*innen sind es momentan, und auch dieses Jahr wurden wieder weit über 250 Exponate eingereicht. Die man übrigens allesamt in der Galerie der Künstler sehen kann, weil dieses Ausstellungsformat aus Prinzip nicht juriert wird. Wer Mitglied ist und ausstellen will, stellt aus. Das sorgt für einen, so verspricht es der Verband „authentischen Einblick in das weite Spektrum“. Nur mit uns (Vernissage am 3. Dezember um 19 Uhr, 4. Dezember bis 5. Januar) ist das Motto dieser Jahressschau, und am 19. Dezember um 18 Uhr hat man die Möglichkeit, sich persönlich zu erkundigen, wie das genau gemeint ist. An diesem Donnerstag nämlich stellen ab 18 Uhr Künstler*innen ihre Werke vor, sprechen über ihre Arbeitsweise, Motivation – und beantworten Fragen.
Während wir in unseren zentralgeheizten Räumen sitzen und diesen Grad an Zivilisation längst als normal akzeptiert haben, gibt es Menschen, die eben das hinterfragen. Judith Egger
zum Beispiel mit ihrem Projekt Lauschen & Lauern (5. Dezember bis 23. Februar) im Maximiliansforum. Sie begibt sich in das Spannungsfeld „Wildnis und Zivilisation“und fragt sich und uns, warum wir uns umso mehr nach dem Unbekannten, Irrationalen sehnen, je abgesicherter und funktionaler wir unser Leben und unsere Umwelt gestalten. Ihre Antwort ist eine Annäherung an naturwissenschaftliche Sichtweisen, die sie mit künstlerischen Ansätzen verknüpft und dabei sowohl Wissenschaftler*innen und Theoretiker*innen als auch Künstler*innen anderer Sparten miteinbezieht. Was? Und wie sieht das konkret aus? Gegenfrage: Wie wäre es denn, dieses kleine bisschen Unklarheit bis zur Vernissage am 4. Dezember zu ertragen? Da wird sich im Gespräch zwischen Judith Egger und der Kunsthistorikerin Laura Sánchez-serrano bestimmt einiges klären (weitere Termine: maximiliansforum.de).
Seit 2014 leitet der Fotograf, Künstler und Verleger Jörg Koopmann die städtische Ausstellungshalle für internationale Gegenwartskunst Lothringer13.
Jetzt verabschiedet er sich mit der zweiteiligen und zweigeschossigen Ausstellung The Outcome of the Pattern 1&2
(13. Dezember bis 26. Januar), die am 12. Dezember um 19 Uhr mit einer Performance startet. Den Teil 1_ongoing in der Halle hat Koopmann entworfen, den
Teil 2_altering im Nest konzipiert die Dänin Lene Harbo Pedersen. In der Halle treffen Fotografien des Japaners Hayahisa Tomiyasu – ein ehemaliger Meisterschüler von Peter Piller – auf Arbeiten und somit auf die Anwesenheit Oona Dohertys. Die irische Tänzerin kommt erstmals nach München und bringt eine neue, dreiteilige Choreographie mit, die sie mit „Death of a Hunter “beschreibt. Ein Stockwerk höher, im Nest, verdichtet Pedersen Raum und Kunst und zeigt Arbeiten von Thomas Breitenfeld, Böhler & Orendt, Liesel Burisch, Mark Dion, Silas Inoue, Nina Sten-knudsen, Mårten Lange und Guillaume Simoneau. Alles Arbeiten, die verschiedenste Existenzen in größere Verhältnisse und Perspektiven setzen. Also bitte hingehen, den eigenen Horizont tanzend erweitern und so dem Koopmann Jörg die letzte Lothringer Ehre erweisen.
Die Moderne. Jaja, kennt man, weiß man. Picasso und so. Aber auch hier gilt: Alles, was man vermeintlich zu kennen scheint, birgt Unentdecktes. Und dorthinein, ins Neue im Bekannten, wagt sich die Kunsthalle München mit ihrer neuen Ausstellung Die Fäden der Moderne. Matisse, Picasso, Miró ... und die französischen Gobelins (6. Dezember bis 8. März, Katalog erscheint bei Hirmer). Jawoll, es geht um Tapisserien, die in der Pariser „Manufacture nationale des Gobelins“nach Entwürfen der bekanntesten Künstler des 20. und 21. Jahrhunderts vom Ende des Ersten Weltkriegs bis in die Gegenwart entstanden sind. In der unter Ludwig XIV. (1638–1715) gegründeten Manufacture, aber auch in anderen französischen Werkstätten, entstanden nach den Vorlagen der Künstler nicht nur Tapisserien, sondern auch Möbel und Bodenteppiche. Ein nahezu unbekannter Aspekt im Werk vieler moderner Künstler. Bis heute werden in Manufakturen textile Kunstwerke geschaffen, die sich durch Einfallsreichtum und handwerkliche Virtuosität auszeichnen, und alte Techniken der Garnherstellung, des Färbens, des Webens und Knüpfens nahezu unverändert angewendet. In neun Kapiteln zeichnet die Ausstellung die Entwicklung der modernen Tapisserie und die Geschichte der französischen Manufakturen im 20. Jahrhundert nach und erzählt dabei gleichermaßen von historischen Umbrüchen und Neuerungen in der bildenden Kunst.