Musik Frisch gepresst
BECK Hyperspace
(Universal)
Sphärisch geht’s gleich mal mit dem Instrumental „Hyperlife“los, dem sogleich das elektronisch pulsierende, mitunter auch unterschwellig nervös klingelnde „Uneventful Days“folgt. Dies, so scheint’s, ist dann also der neue, der überwiegend – immerhin sieben von elf Songs – von Pharrell „Happy“Williams produzierte Beck. „Saw Lightning“beschwört mit einem Loserriff den alten Herrn Hansen und der später einsteigende Beat könnte doch so auch glatt von Fat Boy Slim stammen. Und schon bei „Die Waiting“– mitkomponiert von Cole M.G.N. (Anderson.paak, Snoop Dog, Ariel Pink, Julia Holter) – erwartet man anstelle von Sky Ferreira eigentlich auch gleich Coldplay‘s Chris Martin, der allerdings erst später bei „Stratosphere“als Background-sänger in Erscheinung tritt. Ganz schön eklektisch all das, und auch ganz schön „urban“-poppig, aber alles in allem doch recht schön anzuhören.
COLDPLAY
Everyday Life
(Warner)
Und wenn wir grad schon dabei sind ... Man sollte es sich, finde ich, nicht zu einfach machen und Coldplay per se als Unfug abtun, wie das manch ein kritischer Kulturgeist gerne mal tut, seit dem sie so megaerfolgreich sind. Zumal sie meiner Meinung nach, wenn schon Mainstream, dann doch wenigstens überwiegend die gehaltvoll-geistreiche Variante desselben bespielen. Und selbst, wenn diese dann oft mal pathetisch und klischeehaft anmutet, wo kommt nur all der Hass her? Ist es der Eklektizismus der die Gemüter so erregt, dann werden die Wellen auch hier wieder hoch schlagen: „Broken“ist ein traditioneller Gospel, mit „Cry Cry Cry“hält eine astreine 50s-to-the-60sschnulze Einzug, „When I Need A Friend“kommt als sakrales Chorarrangement daher und in „Church“wird per sphärischem Gesangs-overdub der Orient heraufbeschworen. Zu letzterem passten dann auch die live im Internet zu sehenden Release-konzerte über den Dächern der jordanischen Hauptstadt Amman, eines zum Sonnenaufgang, eines zum -untergang, adäquat also zur Unterteilung dieses Doppelalbums in „Sunrise“und „Sunset“. Nur ein paar Tage später folgte ein Gig im Londoner Natural History Museum zugunsten der Umweltschutzorganisation Clientearth und gleichzeitig Chris Martins Ankündigung erst wieder auf Welttournee zu gehen, wenn diese „... nicht nur nachhaltig, sondern aktiv nutzbringend sein kann.“Und weiter: „wir wären enttäuscht, wenn sie nicht klimaneutral wäre.“An diesen Worten werden sie sich dann aber auch messen lassen müssen, um von den Hatern nicht wieder als Unfug abgetan zu werden ... Wie auch immer, die Fans können ja derweil dem neuen, überwiegend hörenswerten Album lauschen und sich wehmütig an das überragende, leider aber ganz und gar nicht klimaneutrale Konzert im Juni 2017 im Olympiastadion erinnern.
V/A
Come On Up To The House: Women Sing Waits
(Dualtone)
Am 7.12. wird mit Tom Waits einer der größten und wichtigsten Sänger, Komponisten und überhaupt Musiker, die die Welt je gehört hat, 70 Jahre alt. Gefeiert wird das bestimmt im Hause Waits, seine Frau Kathleen Brennan wird ihm – wenn er Glück hat – vielleicht dieses Tribute-album schenken, ihm dazu einen schönen Kuchen backen und vielleicht auch ein paar neue Songs mit ihm schreiben, nur so, zum Zeitvertreib ... Denn hinter jedem noch so genialen Menschen steht früher oder später irgendwo dann auch mal ein/e geniale/r Partner*in und im Fall Waits ist es eben Brennan, die spätestens seit dem Album „Swordfishtrombones“aus dem Jahr 1983 als Co-autorin und -Produzentin ihren großen Anteil an seinem Oeuvre hat. Daher also auch die oftmals feminine Seite seiner durch und durch grandiosen Songs, denen nun eine Gruppe famoser Musikerinnen ihre gefühlvolle, durchwegs wunderschön anzuhörende Aufwartung macht, darunter die Damen von Joseph, Aimee Mann, Phoebe Bridgers, Shelby Lynne & Allison Moorer, Angie Mcmahon, Corinne Bailey Rae, Patty Griffin, Rosanne Cash, Kat Edmonson, Iris Dement,
Courtney Marie Andrews und The Wild Reeds. Happy Birthday Mr. Waits!
AFROB
Abschied von gestern
(G-lette Music)
Es kommt ja nicht von ungefähr, dass in dieser Kolumne die Genrebezeichnungen Rap und Hiphop nur relativ selten vorkommen. Vom einen wie vom anderen (was war noch gleich der genaue Unterschied?), habe ich freilich Grundkenntnisse, dennoch ist mein fachspezifisches Wissen überschaubar. Aber muss sich Afrob nun Sorgen machen, weil mir sein Album gefällt? Ist er dann doch einen Schritt zu weit Richtung Mainstream gerutscht, wo dann so mehr oder weniger unbedarfte Rap-pappnasen wie ich auch mit können? Heißt das nun im Umkehrschluss, dass Hardcore-freunde des Rap/hiphop sich nun von ihm abwenden? Wohl kaum ... denn: „Abschied von gestern“ist funky Urban-rap-soul der besonderen Art und inhaltlich – zumindest für mich – ein bemerkenswertes Album und mit so beeindruckend tiefgründigen und nachdenklichen Texten wie zu „Fluechtling4life“, „Wo gehör ich hin“, „Stadtmensch“u.a. ein nicht ganz unwichtiges Zeitdokument.