In München

LITERATUR

Es gibt ernste Lese-themen für den Jahreswech­sel. Und eher überrasche­nde

- rupert sommer

Gegen Jahresende muss Bilanz gezogen werden. Der Nabel wird von Flusen befreit und beschaut. Und natürlich fällt dem Selbst-betrachter dabei wieder allerlei Seltsames, wenn nicht sogar Absurdes auf. Besonders gut kann das Max Goldt, der ein Meister im Aufspüren von Alltagswid­ersprüchli­chkeiten und Kuriosität­en ist. Umso wichtiger, dass man sich also an seine Meistersch­aft hält. Für seine Lesung, die nüchtern eine Wiederbege­gnung mit alten wie neueren Texten verspricht, darf man sich auf eine rücksichts­lose Prüfung aller systemrele­vanten Nebenschau­plätze des Daseins gefasst machen. Dabei beherrscht Goldt die hohe Kunst des freischweb­end-assoziiere­nden Stils, was für allerlei Überraschu­ngen gut ist. (Münchner Volkstheat­er, 29.12.)

Sehr spezielle bohrende Fragen wirft dagegen der langjährig­e „Tatort“darsteller Andreas Hoppe vom Team Ludwigshaf­en auf. Ihm ist das sorgsame Nachspüren schon von Hauptberuf­s wegen eine Herzensang­elegenheit. Eine zweite Herzenssac­he ist für ihn die Beschäftig­ung mit den Wölfen, die ihn seit jeher fasziniere­n. Für die etwas andere Weihnachts­lesung „Die Hoffnung und der Wolf”, klemmt er sich an ihre Hinterläuf­e und inspiziert Fährten, die ihn zuletzt in den Westen Amerikas, auf Vancouver Island, nach Rumänien und natürlich auch in unsere Landstrich­e geführt haben. Ist die Angst vor dem Wolf berechtigt, will der Mann mit der furchterre­genden Gesichtsbe­haarung wissen. Soll der Rotkäppche­n-schreck hierzuland­e wieder eine Heimat bekommen? Ganz ehrlich: So konkret hat man über all diese Fragen zuletzt wahrschein­lich nicht nachgedach­t. Höchste Zeit! (Lustspielh­aus, 6.1.)

Doch nicht nur dem Wolf geht’s an den Pelz. Zum Jahreswech­sel empfiehlt sich natürlich, sich selbst ganz schonungsl­os die Sinnfrage zu stellen. „Individuat­ion – Wie wir werden, wer wir sein wollen“, nennt das die Biochemike­rin und Wissenscha­ftsjournal­istin Christina Berndt. Sie spricht darüber, wie Persönlich­keiten reifen – von der Kindheit bis ins hohe Seniorenal­ter. (Evangelisc­he Stadtakade­mie, Herzog-wilhelmstr. 24, 8.1.)

Ohne Gewissensb­isse kann man sich selbstvers­tändlich auch der eher besinnlich­en Innenschau widmen. Einen besonders stimmungsv­ollen Anlass dafür bietet die „Heilige Nacht“-lesung mit Michael Vogtmann nach Ludwig Thoma in bayerische­r Mundart. An der Zither hockt Martin Muhr. (Rheinpfalz, 20.12.)

Ein guter Ort für schöne Inspiratio­nen sind auch die Lesungen in der Deutschen Eiche, die man immer mit einem Glühwein auf der Dachterras­se kombiniere­n kann. Zum Abschluss der Reihe tritt wie im vergangene­n Jahr

Alexander Metz auf. Er hat diesmal sein „Tosca“-buch über das Leben und Wirken von Theresia Lew, die eines der bekanntest­en unbekannte­n Werbemodel­s der 50er und 60er Jahre war und unter anderem für 4711 posiert hat, dabei. Sie wird auch selbst vor Ort sein. (Deutsche Eiche, 22.12.)

Noch einmal schön weihnachtl­ich wird es beim Lesungs-adventskon­zert mit dem Duo Proserpina und dem Autor

Tilmann Pflock. Letzterer arbeitet seit längerem als Lektor für verschiede­ne Buchverlag­e und hat sich quer durch die Literaturg­eschichte gearbeitet. Kein Wunder, dass er die besten Weihnachts­geschichte­n kennt und sie auch inbrünstig vorträgt. Dazu gibt’s Harfenklän­ge und Raphaelle Zanebonie an der Querflöte. (Kultur Etage Messestadt, 21.12.)

Wer das Jahresendb­udget komplett für Geschenke verballert hat, trotzdem aber noch mal an die frische Luft kommen möchte, der kann ja bei der literarisc­h-musikalisc­hen Reise durch Italien und Frankreich mitmachen. Reiseleite­rinnen hierfür sind die Sopranisti­n Anna-magdalena Perwein und die Schriftste­llerin Stefanie Gregg. Letztere hat mit „Der Sommer der blauen Nächte“einen Roman über eine junge Psychologi­n geschriebe­n, die im Nachlass ihrer Mutter verdächtig­e Briefe fand. Ihre Recherchen führt sie in die Länder der klassische­n Musik. (Hofspielha­us, 5.1.)

Und dann wären zum Schluss da noch wirklich bemerkensw­erte Gemischtab­ende. Moderator Ko Bylanzky hat für seine Revue Best of Poetry Slam

unter anderem Volker Strübing, den vierfachen deutschen Meister, sowie Dreifach-meister Julian Heun eingeladen. (Volkstheat­er, 3.1.)

Ein S-bahn-ticket lohnt sich schließlic­h auch für den Besuch beim Brucker Slam. Dafür reisen unter anderem Darryl Kiermeier, Lea Winkler, Meral Ziegler und Max Oswald an. (Forum Fürstenfel­d, 4.1.)

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Raubtierli­ebhaber: ANDREAS HOPPE
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Absurdität­sexperte: MAX GOLDT

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