LITERATUR
Es gibt ernste Lese-themen für den Jahreswechsel. Und eher überraschende
Gegen Jahresende muss Bilanz gezogen werden. Der Nabel wird von Flusen befreit und beschaut. Und natürlich fällt dem Selbst-betrachter dabei wieder allerlei Seltsames, wenn nicht sogar Absurdes auf. Besonders gut kann das Max Goldt, der ein Meister im Aufspüren von Alltagswidersprüchlichkeiten und Kuriositäten ist. Umso wichtiger, dass man sich also an seine Meisterschaft hält. Für seine Lesung, die nüchtern eine Wiederbegegnung mit alten wie neueren Texten verspricht, darf man sich auf eine rücksichtslose Prüfung aller systemrelevanten Nebenschauplätze des Daseins gefasst machen. Dabei beherrscht Goldt die hohe Kunst des freischwebend-assoziierenden Stils, was für allerlei Überraschungen gut ist. (Münchner Volkstheater, 29.12.)
Sehr spezielle bohrende Fragen wirft dagegen der langjährige „Tatort“darsteller Andreas Hoppe vom Team Ludwigshafen auf. Ihm ist das sorgsame Nachspüren schon von Hauptberufs wegen eine Herzensangelegenheit. Eine zweite Herzenssache ist für ihn die Beschäftigung mit den Wölfen, die ihn seit jeher faszinieren. Für die etwas andere Weihnachtslesung „Die Hoffnung und der Wolf”, klemmt er sich an ihre Hinterläufe und inspiziert Fährten, die ihn zuletzt in den Westen Amerikas, auf Vancouver Island, nach Rumänien und natürlich auch in unsere Landstriche geführt haben. Ist die Angst vor dem Wolf berechtigt, will der Mann mit der furchterregenden Gesichtsbehaarung wissen. Soll der Rotkäppchen-schreck hierzulande wieder eine Heimat bekommen? Ganz ehrlich: So konkret hat man über all diese Fragen zuletzt wahrscheinlich nicht nachgedacht. Höchste Zeit! (Lustspielhaus, 6.1.)
Doch nicht nur dem Wolf geht’s an den Pelz. Zum Jahreswechsel empfiehlt sich natürlich, sich selbst ganz schonungslos die Sinnfrage zu stellen. „Individuation – Wie wir werden, wer wir sein wollen“, nennt das die Biochemikerin und Wissenschaftsjournalistin Christina Berndt. Sie spricht darüber, wie Persönlichkeiten reifen – von der Kindheit bis ins hohe Seniorenalter. (Evangelische Stadtakademie, Herzog-wilhelmstr. 24, 8.1.)
Ohne Gewissensbisse kann man sich selbstverständlich auch der eher besinnlichen Innenschau widmen. Einen besonders stimmungsvollen Anlass dafür bietet die „Heilige Nacht“-lesung mit Michael Vogtmann nach Ludwig Thoma in bayerischer Mundart. An der Zither hockt Martin Muhr. (Rheinpfalz, 20.12.)
Ein guter Ort für schöne Inspirationen sind auch die Lesungen in der Deutschen Eiche, die man immer mit einem Glühwein auf der Dachterrasse kombinieren kann. Zum Abschluss der Reihe tritt wie im vergangenen Jahr
Alexander Metz auf. Er hat diesmal sein „Tosca“-buch über das Leben und Wirken von Theresia Lew, die eines der bekanntesten unbekannten Werbemodels der 50er und 60er Jahre war und unter anderem für 4711 posiert hat, dabei. Sie wird auch selbst vor Ort sein. (Deutsche Eiche, 22.12.)
Noch einmal schön weihnachtlich wird es beim Lesungs-adventskonzert mit dem Duo Proserpina und dem Autor
Tilmann Pflock. Letzterer arbeitet seit längerem als Lektor für verschiedene Buchverlage und hat sich quer durch die Literaturgeschichte gearbeitet. Kein Wunder, dass er die besten Weihnachtsgeschichten kennt und sie auch inbrünstig vorträgt. Dazu gibt’s Harfenklänge und Raphaelle Zanebonie an der Querflöte. (Kultur Etage Messestadt, 21.12.)
Wer das Jahresendbudget komplett für Geschenke verballert hat, trotzdem aber noch mal an die frische Luft kommen möchte, der kann ja bei der literarisch-musikalischen Reise durch Italien und Frankreich mitmachen. Reiseleiterinnen hierfür sind die Sopranistin Anna-magdalena Perwein und die Schriftstellerin Stefanie Gregg. Letztere hat mit „Der Sommer der blauen Nächte“einen Roman über eine junge Psychologin geschrieben, die im Nachlass ihrer Mutter verdächtige Briefe fand. Ihre Recherchen führt sie in die Länder der klassischen Musik. (Hofspielhaus, 5.1.)
Und dann wären zum Schluss da noch wirklich bemerkenswerte Gemischtabende. Moderator Ko Bylanzky hat für seine Revue Best of Poetry Slam
unter anderem Volker Strübing, den vierfachen deutschen Meister, sowie Dreifach-meister Julian Heun eingeladen. (Volkstheater, 3.1.)
Ein S-bahn-ticket lohnt sich schließlich auch für den Besuch beim Brucker Slam. Dafür reisen unter anderem Darryl Kiermeier, Lea Winkler, Meral Ziegler und Max Oswald an. (Forum Fürstenfeld, 4.1.)