Schweinerei!!!
„The Gentlemen“von Guy Ritchie
— Eine „Stürmische Liebe“, so der Titel seiner viel geschmähten Romanze aus dem Jahr 2002, verband Guy Ritchie mit seiner damaligen Hauptdarstellerin Madonna. Acht Jahre lang war er mit dem „Material Girl“verheiratet, was insofern von Interesse ist, weil er mehrfach Musikvideos für die Pop-ikone inszeniert hat – rasant geschnittene, aufwändig produzierte und kontrovers diskutierte Clips wie „What It Feels Like for a Girl“.
Diese Art blitzschnellen, sprunghaften Erzählens hat der Brite in seinen Kinoarbeiten immer weiter perfektioniert, seit ihm 1998 mit seinem Erstling „Bube, Dame, König, gras“der Durchbruch gelang. Explodierende Gewalt und kühles Understatement vereinte er da mit lässiger Nonchalance im Comicstrip-stil, landete einen Hit, der im harten Kontrast zu den landestypischen Sozialdramen oder Bbchochglanzproduktionen stand. Eskapismus pur ist bei ihm angesagt, temporeiche Unterhaltung mit Stars als Rückversicherung. Robert Downey Jr. und Jude Law etwa bei seinen „Sherlock Holmes“abenteuern, Oscar-preisträger Matthew Mcconaughey („Dallas Buyers Club“) nun bei „The Gentlemen“. Smart und knallhart ist er als Exil-amerikaner Mickey Pearson, ein Marihuana-imperium hat er sich aufgebaut, die Anbauflächen dafür stellt der chronisch klamme Landadel zur Verfügung.
Nun soll damit Schuss sein, der Entrepreneur will mit Gattin – Michelle Dockery aus „Downton Abbey“– sein Londoner High-society-leben genießen. Ein Käufer für die versteckten Hanfplantagen ist im exzentrischen Milliardär Matthew Berger (Jeremy Strong) schnell gefunden. Doch kaum macht die Geschichte vom Verkauf die Runde, treten weitere potentielle Interessenten in Erscheinung – von Triaden-boss Lord George (Tom Wu) über den durchgeknallten Emporkömmling Dry Eye (Henry Golding) bis hin zum schmierigen Privatdetektiv Fletcher (Hugh Grant).
Der Ermittler rollt die Story im Rückblick auf. Ray, der rechten Hand des Drogenlords, (gespielt von „Son of Anarchy“Charlie Hunnam, dessen Gesicht ein schicker Hipster-bart ziert) legt er sein Beweismaterial vor. In „Drehbuchform“, was die Möglichkeit zu einem Film-im-film eröffnet – mit unterschiedlichen Versionen und (noch) offenem Ende. Ein typischer Ritchie-twist, der dem Opener folgt, in dem Pearsons Werdegang – quasi vom Cowboy zum in feinstem Tweed gewandeten Landjunker – kurz zusammengefasst wird. Der Ton ist gesetzt. Ein wüster, atemloser Genremix. Der Plot schlägt unzählige Volten, die Opferzahl ist hoch, die Brutalität nichts für Zartbesaitete. Man muss diese Art hemdsärmeliger Tour de Force mögen, über so manche homophobe oder rassistische Äußerung – eine Figur heißt schlicht
„Der Jude“– hinwegsehen, und dass mit einem Schwein zwangskopuliert wird, ist gewiss nicht jedermanns Sache. Schlechter Geschmack ist Trumpf. Wie dieser jedoch präsentiert wird, ob in Bild, Ton(-design) oder Musikauswahl, nötigt Respekt ab. Wer’s mag, kommt auf seine Kosten. Am besten in der Originalversion, wegen Ritchies pointierter Dialoge sowie der ziselierten Sprache von Grant, Colin Farrell, Eddie Marsan und Co., die so gar nicht zur Grobmotorik ihrer Charaktere passt.