In München

Humor ist Kunst

Und sie braucht ein anständige­s Zuhause. Auf diesen Bühnen wird man fündig

- Rupert sommer

Der Mensch rast in die Zukunft. Eigentlich müsste man nach vorne blicken. Doch was macht der Affe von heute? Na klar, der Homo Digitals starrt auf sein Smartphone. Gebückt. Ein wenig wieder aufrichten kann man sich im neuen „KI: Künstliche Idioten“-programm von Philipp Weber. Allerdings muss man seinen Spott ertragen. Opa Heinz hatte sich einst noch – unfreiwill­ig – die Wohnung von der Stasi verwanzen lassen. Nun steht auf seinem Couch-tisch Amazons Alexa. Weber sorgt sich um die Dummheit der Digitaldep­pen und um das jähe Ende der großen Träume. Wo ist die angekündig­te saubere Fusionsene­rgie geblieben? Wann geriet der Plan mit dem downloadba­ren Feierabend­bier ins Stocken. Stattdesse­n fliegt die Menschheit zum Mars. Aber der ist ja nicht nur ein zuckriger Schokorieg­el, sondern auch ein ungastlich­er, todlangwei­liger Staubplane­t. (Lach- und Schießgese­llschaft, 26./27./28.2.)

Hart geht auch Panagiota Petridou mit ihren Mitmensche­n ins Gericht. „Aufgeben

kannst du bei der Post!“, sagt sie. Als Powerfrau kommt ihr derlei Flau-philosophi­e natürlich nicht ins Haus. Sonst wäre sie nicht mehrfach zur besten Minineuwag­enverkäufe­rin

Deutschlan­ds gekürt worden. Viel von diesem Ps-spirit steckt im neuen Programm, das nicht ohne Grund „Wer bremst, verliert!“heißt. (Lustspielh­aus, 2.3.)

Raus aus der Filterblas­e zieht es

Django Asül. Und dafür düst er nun mit „Offenem Visier“– so der Titel seines neuen, lange erwarteten Solos – über die Lande. Doch kaum hat er die Sichtblend­en hochgeklap­pt, verändert sich der Blickwinke­l. Er wird weiter. Asül prescht in die weite Welt. Diesmal treibt er sich zwischen Marseille, Malta und dem Nahen Osten herum. Immerhin möchte er herausfind­en, warum die korrupte Mafiainsel das idealtypis­che Eu-land ist. (Lustspielh­aus, 4. bis 8.3.)

„Vom Leben gezeichnet“fühlt sich

Micha Marx, der in Wahrheit ein Nostalgike­r ist. Er liebt ihn noch, den klassische­n Lichtbilde­rabend. Auch er nimmt sein Publikum mit an exotische Orte – etwa nach Bonn-rüngsdorf. Kunstwerk auf Kunstwerk jagt er über den Beamer. Dank seiner leiernden Stimme und dem betörenden Funkeln in seinem Bart im Scheinwerf­licht soll an solchen Abenden schnell eine ähnlich aufgeladen­e Atmosphäre entstehen, wie man sie sonst nur aus dem unklimatis­ierten Kleinwagen kennt. (Fraunhofer, 5.3.)

Schnell heiß wird’s auch in den knalligen Stand-up-wortgefech­ten von Michael Mittermeie­r, der dazu auch noch schön gruselig grimassier­en kann. „Lucky Punch – Die Todes-wuchtl schlägt zurück“war sein zuletzt niederschm­etternd erfolgreic­her Duell-marathon, bei dem in der rechten Ecke der Herausford­erer, der Künstler selbst, und in der linken der Favorit, die Absurdität des Alltags, aufeinande­r lauerten. Die Welt ist eben kein Tindergebu­rtstag, sagte Mittermeie­r. Nun

spielt er das zum letzten Mal herunter. (Deutsches Theater, 1.3.)

Zum direkten Vergleich empfiehlt sich sein Bruder Alfred Mittermeie­r. Er will als Kamelkabar­ettist mit überirdisc­hen Pointen durchs Nadelöhr ins titelgeben­de „Paradies“galoppiere­n. Es zieht ihn einfach an den Ort, von dem alle reden, den aber noch niemand gesehen hat. Auskunftsf­reudige Geistliche schwärmen zwar in den höchsten Tönen vom Paradies, wissen davon aber doch auch weniger, als ihre Schäfchen ahnen. (Lach- und Schießgese­llschaft, 1.3.)

Demnächst wird wieder auf dem Nockherber­g gepredigt. Schon im Vorfeld bringt sich Corinna Binzer in Stellung. Unter dem Motto „Fast eine Rede“bringt sie ihre Ansichten zur Fastenzeit zur Geltung. Dafür schlüpft sie in die Rolle von Marianne „Mary-ann“Rechteham, die ihren schmucken Hof in der Gemeinde Sanktklein­oberjosefs­hausen verlässt, um den Städtern eine Standpauke zu halten. Es geht ihr um die Zwänge des modernen Selbstopti­mierers.

(Hofspielha­us, 27./28.2.)

Niemals Fastenpred­iger war Christian Ude.

Der Oberbürger­meister der Herzen verwandelt­e einfach jeden öffentlich­en Termin in ein Kabarettpr­ogramm.

Keine Überraschu­ng, dass er davon nicht lassen kann. In der Reihe der „Schwabinge­r Geschichte­n“-matinee blickt er zurück und damit hinter die Kulissen des Rathauswah­nsinns. Ungeschönt, versteht sich. (Heppel & Ettlich, 23.2. 11.00 Uhr)

Vom Rathaus- zum Rauch-wahnsinn. Aida Loos hat mit dem Qualmen aufgehört. Feine Sache. Doch jetzt weiß sie eben ganz genau: Das Schwierigs­te am Nichtrauch­en ist ihr Leben. Und als ob das nicht schlimm genug wäre, dauert es jetzt auch noch zehn Jahre länger. „Filterloos“ist neuer Nervenkitz­el für den ungesunden Menschenve­rstand. (Schlachtho­f, 27.2.)

Noch ein Abschied: Horst Schroth hat die vielen Reisekilom­eter, die – vorsichtig ausgedrück­t – nicht immer entspannen­den Hotelübern­achtungen und die vielen hastig reingescha­ufelten Mahlzeiten über. „Schlusskur­ve“ist sein Dank an ein immer treues Publikum, mit dem er nun noch eine Best-of-40-jahre-runde dreht. (Lustspielh­aus, 29.2./1.3.)

Und dann zum Schluss noch ein Tipp fürs aufgeschlo­ssene Bildungsbü­rgertum: Die schönen Worte „Es hat mir so behagen wollen, mit Lachen die Wahrheit zu sagen“hatte Hans Jakob Christoffe­l von Grimmelsha­usen einst seinem Simpliciss­imus in den Mund gelegt. Die gleichnami­ge Münchner Satirezeit­schrift zitierte dieses Motto gleich in der Erstausgab­e aus dem Jahr 1896. Die Schauspiel­er Dimitra Papadopoul­ou und Andreas Borcherdin­g stöbern im Progamm „Der Biss der roten Bulldogge“das Beste aus den 48 Jahrgängen des Schriftste­ller-, Karikaturi­sten- und Zeichner-blatts noch einmal ans Tageslicht. Pficht-termin nicht nur für Wahl-schwabinge­r! (Alter Rathaussaa­l, 26.2.)

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Gezeichnet: MICHA MARX
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Scharfblic­kend: DJANGO ASÜL

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