Du siehst was, das es nicht gibt
Charlotte Rampling, abstrakte Räume, experimentelle Fotografie und architektonische Täuschungsmanöver
Sauber. Die britische Schauspielerin Charlotte Rampling übernimmt dieses Jahr den Jury-vorsitz des Künstlerfilmfestivals Kino der Kunst, das vom 22. bis zum 26. April zum vierten Mal in München stattfindet. Das ist zwar noch eine kleine Weile hin, aber gerade deshalb kann und sollte man sich diese fünf Tage schon mal im Kalender vormerken. Außerdem sitzen in der Jury der in Hongkong lebende Kameramann Christopher Doyle, hier vor allem durch seine Zusammenarbeit mit dem Regisseur Wong Kar-wai bekannt, und die irische Künstlerin Teresa Hubbard. Auch die diesjährige Preisträgerin steht bereits fest, es ist die 1971 in Seoul geborene, seit Jahren in New York lebende Künstlerin Anicka Yi. Sagt Ihnen nix? Umso besser, dann nutzen Sie die
Münchner Gelegenheit, ihre Arbeiten kennenzulernen. Im internationalen Wettbewerb laufen dann noch 50 weitere Filme – unter anderem Neues von Matthew Barney, Yael Bartana, Neïl Beloufa, Cao Fei, Shirin Neshat oder Mika Rottenberg. Ich sag ja: schon mal vormerken!
Zugegeben, der Titel klingt ein wenig abstrakt – Melkung mittendrin (19. Februar bis 4. März) – aber letztlich ist die Gruppenausstellung der Klasse Jochen Flinzer von der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg dann doch recht konkret. Grob gesagt geht es um Räume, um nach außen gestülpte Innenräume, pervertierte Gyms, toxische Schutzräume, leuchtende Kathedralen und Drags. Felix Burger hat die Ausstellung in der Halle der Platform kuratiert und sein Ziel war: „Wie in Ridley Scotts Blade-runner-filmen, die es schaffen, in einer einzigen Kameraeinstellung eines Straßenbildes eine gesellschaftliche und soziale Heterotopie darzustellen, in der Unterschicht und Oberschicht, exekutive Hierarchie und Ohnmacht, Hochglanz und Schäbigkeit zu einem Bild verschmelzen, habe ich versucht, bei der Konzeption der Ausstellung ein räumliches Gesamtbild mit den Studierenden zu erarbeiten, das zeitgenössische Fragestellungen verhandelt und zu einer betretbaren Bühne wird.“Hingehen. Betreten. Anschauen.
Und Fotografie? Wie konkret ist sie? Kann sie überhaupt konkret sein? Und wie abstrakt ist sie grundsätzlich? Toni Schneiders war einer der stilprägenden deutschen Fotografien nach 1945, der die Bildsprache der Nachkriegsavantgarde mitgestaltet hat. Er war dabei, als die Fotografengruppe „fotoform“1949 gegründet wurde, und Teil der Bewegung „subjektive fotografie“, die Anfang der 1950er Jahre gegründet wurde und vor allem experimentell arbeitete. Er sah sich nicht als Fotoreporter, sondern begriff sich eher als eine Art Lichtkünstler: „Die Fotografie hat viele Gesichter. Für mich ist sie das ideale Medium der Dokumentation … doch ich bin kein Reporter. Mich interessiert es mehr, was ich mit dem vorhandenen Licht anfangen kann, um zu meinen Bildern zu kommen … und die Menschen und die kleinen und großen Dinge ringsherum mit den Mitteln der Fotografie in eine bildhafte Form zu bringen.“Zu seinem Geburtstag, der sich am 13. Mai zum 100. Mal jährt, zeigt das Kunstfoyer mit Schaut her! Toni Schneiders (19. Februar bis 7. Juni, Katalog) eine Retrospektive, die sich zwischen den Polen Gestaltungswillen und Wirklichkeitsbezug bewegt und den international bekannten Fotografen als Porträtist und Reise- und Landschaftsfotograf neu entdeckt. Für seine präzise komponierten Aufnahmen suchte er Motive in den einfachen und naheliegenden Dingen in der Natur und im Alltag der Menschen. Mit streng formalem Blick wählte er Bildausschnitte, hob Linien, Konturen und Strukturen hervor und arbeitete mit dem vorhandenen Licht. In seinem Lebensumfeld im Alpenvorland und auf Reisen hielt Schneiders markante Momente der Wirklichkeit fest, deren Protagonisten ein Mensch, ein Objekt oder eine Landschaft sein konnten. So streng seine Bildästhetik anmutet, sein Humor und sein Einfühlungsvermögen sind trotzdem immer spürbar.
Aktuelle Architektur – was unterscheidet sie von der Kunst und wo gibt es Gemeinsamkeiten? The Architecture of Deception (4. März bis 19. Juli, Rahmenprogramm: bnkr.space) heißt der erste Part einer zweiteiligen Ausstellung, die das Kuratorenduo Sam Bardaouil und Till Fellrath dieses Jahr im BNKR umsetzt. Dabei wird der Gebäudetypus des Bnkr-bunkers in der Ungererstraße zum konzeptionellen Ausgangspunkt.
In der Außenansicht als Wohngebäude gestaltet, handelt es sich um einen Hochbunker, der 1943 vom nationalsozialistischen Regime erbaut wurde, um der Bevölkerung im Stadtteil Nordschwabing einen Schutzraum zu bieten. Als Reaktion auf diese architektonische Irreführung zeigen die Kuratoren zeitgenössische Künstler, die sich in Ihrer Arbeit gezielt mit räumlicher und visueller Täuschung beschäftigen und so irritierende Raumerlebnisse schaffen. Es geht darum, dem Offensichtlichen nicht zu trauen. Gezeigt werden Fotografie, Video, Skulptur und Installation von Emmanuelle Lainé, Hans Op de Beeck, Bettina Pousttchi, Gregor Sailer, The Swan Collective und anderen. Der zweite Teil der Ausstellung ist für September geplant.
Zum Schluss hüpfen wir noch in die Galerie der Künstler und schauen uns Blaue Zipfel – für Axel (4. März bis 19. April, Publikation) an. Macht irgendwie neugierig, oder? Es handelt sich um eine Gruppenausstellung ehemaliger Student*innen von Axel (!) Kasseböhmer, der von 1995 bis zu seinem Tod 2017 an der Akademie der Bildenden Künste in München als Professor die Klassen Malerei und Grafik betreute. In diesen 22 Akademiejahren hat er mehrere Generationen von Kunststudent*innen begleitet und geprägt, die dennoch ganz verschieden sind. 39 Ehemalige zeigen ihre Arbeiten – kombiniert mit Werken von Axel Kasseböhmer. Macht immer noch neugierig, oder?