Straßenund Kunst-kick
Mit diesen Lesungen hält man sich im Restwinter fit
Er war der Gollum, der auf einem Schatz saß, den er nur selbst besitzen und bewundern wollte. Weil der spektakuläre Kunstfund von Cornelius Gurlitt in einer Schwabinger Wohnanlage aufkam, ist natürlich auch Alexandra Cedrinos Roman „Die Galerie am Potsdamer Platz“ein schönes München Pflicht-thema. Die Autorin stammt nämlich selbst aus der Kunsthändlerfamilie Gurlitt. Inspirieren ließ sie sich von ihrem Großvater Wolfgang Gurlitt, der in Berlin eine gut gehende Kunsthandlung und einen prominent besuchten Salon betrieb. Erzählt wird von den Anfängen des Nationalsozialismus und von der Schwierigkeit, sich zwischen Anpassung und Widerstand behaupten zu müssen. (Autorengalerie 1, 27.2.)
In München war Goethe nur einmal – und nicht wirklich begeistert. Trotzdem dürfte die Wieder-vorstellung seiner Selbstfindungserzählung „Die italienische Reise“ein Fest werden. Und das liegt daran, dass Denis Scheck, der charmant scharfzüngige Tv-literaturkritiker, der Neuerscheinungen gerne mal direkt in den Papiermüll befördert, sich zum Goethe-deuter macht. (Gasteig Black Box, 26.2.)
Der Münchner Autor und Anwalt Georg M. Oswald hat mit „Vorleben“wieder eine dunkle Spurensuche durch die Stadt vorgelegt. Er erzählt von der Journalistin Sophia, die einen spannenden Auftrag ergattert. Sie soll für das Symphonieorchester ein Programmheft gestalten und die Musiker bei Proben und Konzertreisen begleiten. Schwierig wird der Auftrag, als sie sich in den gefeierten Cellisten Daniel verliebt und mit ihm eine Affäre beginnt. Denn je genauer sie sich – auch journalistisch – mit Daniel befasst, desto mehr Verstörendes findet sie über seine Vergangenheit heraus. (Seidlvilla, 26.2.)
Frankfurt wurde zur zweiten Heimat für den Pariser Studentenführer und späteren Star-politiker Daniel Cohnbendit. Vieles weiß man über den „roten Danni“dass er glühender Fußballfan und leidenschaftlicher Straßenkicker ist, war bislang nur Eingeweihten ein Begriff. In „Unter den Stollen der Strand“hat er eine sehr originelle, angriffslustige Biografie über „Fußball und Politik – Mein Leben“geschrieben. Seine Eltern waren als Juden aus Nazi-deutschland geflohen. Schon das legendäre 1954er Finale der Fußballwm stürzte Cohn-bendit in schwere Gewissensbisse. Für Deutschland hat er nie gejubelt, für die Eintracht natürlich schon. Auch darüber diskutiert er mit Reporter-legende Marcel Reif. (Literaturhaus, 4.3.)
Es gibt dann allerdings auch großartige Bücher, die in aller Munde sind, die aber so gut wie nie gelesen werden. Der „Ulysses“zum Beispiel. Oder aber „Der Leopard“von Guiseppe Tomasi di Lampedusa, den man meist nur in der Visconti-verfilmung mit Burt Lancaster kennt. Die Vereinigung Deutsch-italienischer Kultur-gesellschaften möchte das ändern. Daher steigt ein deutschlandweiter „Leopard“-lesemarathon, den in München die Schauspieler Thomas Loibl und Michele Cuciuffo starten.
(Literaturhaus, 5.3.)
Ganz viel erleben – quasi im privat zusammenzustellenden Marathon-programm – kann man wieder in der genialen Wortspiele-reihe, die dieser Tage zum 20. Mal stattfindet. An drei Tagen stellen in der Lounge-atmosphäre und begleitet von der Kunstperformance von Nikolai Vogel 18 Autoren ihre neuen Bücher vor. Zum Start ackern Lana Lux, Dana von Suffrin, Raphaela Edelbauer oder Joshua Groß durch ihre spannenden Texte. (Muffatwerk, 4. bis 6.3.)
Literatur sichtbar machen, sonst eine Spezialität von Sprach-bild-künstler Vogel, ist dann auch die Spezialität beim Festival für Visuelle Poesie. Eröffnet wird es von niemand Geringerem als
Eugen Gomringer, dem „Vater der konkreten Poesie“, der eben erst seinen 95. Geburtstag gefeiert hat. Glückwunsch!
(Lyrik Kabinett, 3. bis 5.3.)
Von der Magie der Bücher schwärmt Nino Kerl, der unter dem Namen Ninotaku seiner Begeisterung für japanische Popkultur im Netz freien Lauf lässt. Mit „Herz aus Stern“hat er nun seinen ersten Roman geschrieben, der von einer mutigen Weltraum-piratenbande erzählt. (Hugendubel Karlsplatz, 28.2.)
Zum Schluss empfiehlt sich noch ein Ausflug ins Voralpenland. Dort liest der Münchner Turmschreiber und Bayern-2-moderator Gerald Huber. Er streift augenzwinkernd durch die baierische Sprache, deren Schönheiten er bewahren möchte. „Bairisch ist nicht die Operettensprache eines schuhplattelnden und schnaderhüpfelnden Tourismusvolks“, sagt er, „sondern die zeitgemäße, moderne Sprache moderner Menschen.“Recht hat er. (Kloster Seeon, 21.2.)