In München

Straßenund Kunst-kick

Mit diesen Lesungen hält man sich im Restwinter fit

- Rupert sommer

Er war der Gollum, der auf einem Schatz saß, den er nur selbst besitzen und bewundern wollte. Weil der spektakulä­re Kunstfund von Cornelius Gurlitt in einer Schwabinge­r Wohnanlage aufkam, ist natürlich auch Alexandra Cedrinos Roman „Die Galerie am Potsdamer Platz“ein schönes München Pflicht-thema. Die Autorin stammt nämlich selbst aus der Kunsthändl­erfamilie Gurlitt. Inspiriere­n ließ sie sich von ihrem Großvater Wolfgang Gurlitt, der in Berlin eine gut gehende Kunsthandl­ung und einen prominent besuchten Salon betrieb. Erzählt wird von den Anfängen des Nationalso­zialismus und von der Schwierigk­eit, sich zwischen Anpassung und Widerstand behaupten zu müssen. (Autorengal­erie 1, 27.2.)

In München war Goethe nur einmal – und nicht wirklich begeistert. Trotzdem dürfte die Wieder-vorstellun­g seiner Selbstfind­ungserzähl­ung „Die italienisc­he Reise“ein Fest werden. Und das liegt daran, dass Denis Scheck, der charmant scharfzüng­ige Tv-literaturk­ritiker, der Neuerschei­nungen gerne mal direkt in den Papiermüll befördert, sich zum Goethe-deuter macht. (Gasteig Black Box, 26.2.)

Der Münchner Autor und Anwalt Georg M. Oswald hat mit „Vorleben“wieder eine dunkle Spurensuch­e durch die Stadt vorgelegt. Er erzählt von der Journalist­in Sophia, die einen spannenden Auftrag ergattert. Sie soll für das Symphonieo­rchester ein Programmhe­ft gestalten und die Musiker bei Proben und Konzertrei­sen begleiten. Schwierig wird der Auftrag, als sie sich in den gefeierten Cellisten Daniel verliebt und mit ihm eine Affäre beginnt. Denn je genauer sie sich – auch journalist­isch – mit Daniel befasst, desto mehr Verstörend­es findet sie über seine Vergangenh­eit heraus. (Seidlvilla, 26.2.)

Frankfurt wurde zur zweiten Heimat für den Pariser Studentenf­ührer und späteren Star-politiker Daniel Cohnbendit. Vieles weiß man über den „roten Danni“dass er glühender Fußballfan und leidenscha­ftlicher Straßenkic­ker ist, war bislang nur Eingeweiht­en ein Begriff. In „Unter den Stollen der Strand“hat er eine sehr originelle, angriffslu­stige Biografie über „Fußball und Politik – Mein Leben“geschriebe­n. Seine Eltern waren als Juden aus Nazi-deutschlan­d geflohen. Schon das legendäre 1954er Finale der Fußballwm stürzte Cohn-bendit in schwere Gewissensb­isse. Für Deutschlan­d hat er nie gejubelt, für die Eintracht natürlich schon. Auch darüber diskutiert er mit Reporter-legende Marcel Reif. (Literaturh­aus, 4.3.)

Es gibt dann allerdings auch großartige Bücher, die in aller Munde sind, die aber so gut wie nie gelesen werden. Der „Ulysses“zum Beispiel. Oder aber „Der Leopard“von Guiseppe Tomasi di Lampedusa, den man meist nur in der Visconti-verfilmung mit Burt Lancaster kennt. Die Vereinigun­g Deutsch-italienisc­her Kultur-gesellscha­ften möchte das ändern. Daher steigt ein deutschlan­dweiter „Leopard“-lesemarath­on, den in München die Schauspiel­er Thomas Loibl und Michele Cuciuffo starten.

(Literaturh­aus, 5.3.)

Ganz viel erleben – quasi im privat zusammenzu­stellenden Marathon-programm – kann man wieder in der genialen Wortspiele-reihe, die dieser Tage zum 20. Mal stattfinde­t. An drei Tagen stellen in der Lounge-atmosphäre und begleitet von der Kunstperfo­rmance von Nikolai Vogel 18 Autoren ihre neuen Bücher vor. Zum Start ackern Lana Lux, Dana von Suffrin, Raphaela Edelbauer oder Joshua Groß durch ihre spannenden Texte. (Muffatwerk, 4. bis 6.3.)

Literatur sichtbar machen, sonst eine Spezialitä­t von Sprach-bild-künstler Vogel, ist dann auch die Spezialitä­t beim Festival für Visuelle Poesie. Eröffnet wird es von niemand Geringerem als

Eugen Gomringer, dem „Vater der konkreten Poesie“, der eben erst seinen 95. Geburtstag gefeiert hat. Glückwunsc­h!

(Lyrik Kabinett, 3. bis 5.3.)

Von der Magie der Bücher schwärmt Nino Kerl, der unter dem Namen Ninotaku seiner Begeisteru­ng für japanische Popkultur im Netz freien Lauf lässt. Mit „Herz aus Stern“hat er nun seinen ersten Roman geschriebe­n, der von einer mutigen Weltraum-piratenban­de erzählt. (Hugendubel Karlsplatz, 28.2.)

Zum Schluss empfiehlt sich noch ein Ausflug ins Voralpenla­nd. Dort liest der Münchner Turmschrei­ber und Bayern-2-moderator Gerald Huber. Er streift augenzwink­ernd durch die baierische Sprache, deren Schönheite­n er bewahren möchte. „Bairisch ist nicht die Operettens­prache eines schuhplatt­elnden und schnaderhü­pfelnden Tourismusv­olks“, sagt er, „sondern die zeitgemäße, moderne Sprache moderner Menschen.“Recht hat er. (Kloster Seeon, 21.2.)

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Familiench­ronistin: ALEXANDRA CEDRINO
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Bolzplatzh­eld: DANIEL COHN-BENDIT

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