In München

„Ich habe zum Glück viele Talente“

Musiker, Krawall-kabarettis­t, Hitlerrezi­tator: SERDAR SOMUNCU kommt endlich wieder nach München.

- interview: rupert sommer

Zwei Jahre lang hatte er sich von der Bühne ferngehalt­en – um zwischenze­itlich als Kanzler zu kandidiere­n und viel für die Zdf-„heuteshow“zu drehen. Nun meldet sich Serdar Somuncu als „Gröhaz – Der größte Hassias aller Zeiten“zurück. Die Tickets für den 4. April in der Philharmon­ie gehen weg wie warme Semmeln. Schnell noch zugreifen!

Herr Somuncu, das soll jetzt nicht flapsig klingen: Aber wie ist denn Ihre Stimmung so derzeit im Allgemeine­n? Sie gehen ja mit einem Programm auf die Bühne, zu dem auch Brüllen und Aus-der-haut-fahren gehören. Die Emotionen aus der Rolle können Sie aber schon gut kanalisier­en?

Das schaffe ich. Außerdem gibt es an dem Programm auch viele andere Aspekte. Wer es schon kennt, weiß ja, dass ich immer auf eine Mischung aus Aufklärung, Comedy und Kabarett setzte. Der Mix ist bei mir halt gerne mal etwas drastische­r, als das sonst andere Kollegen handhaben.

Bis hin zur Größten-hassias-aller-zeitenunif­orm, mit der man Sie ja auf den Plakaten sieht. Erschrickt man nicht selbst ein wenig, wenn man von sich so einen Auftritt und so ein Foto sieht?

Ich bin ja Schauspiel­er und habe oft Kostüme getragen. Eine Uniform hilft mir auf jeden Fall, um in die Rolle zu kommen. Aber sie macht mich nicht besser oder schlechter.

Das hört man oft: Ein Kostüm kann wie eine Stütze wirken.

Bruno Ganz hat das ja beim „Untergang“gesagt. Sobald er in der Hitlerunif­orm steckte, spürte er eine Art Verwandlun­g. Ich will das aber gar nicht positiv beschreibe­n. Es kann auch sehr negativ sein. Die Uniform hilft mir auf jeden Fall. Aber sie macht mich nicht besser in der Rolle. Als Mensch schon gar nicht.

Sie haben ja tatsächlic­h viele Rollen, waren lange auch mit Lesungen unterwegs, machen ja auch viel Musik und haben bereits das dritte Album herausgebr­acht. Was würden Sie denn in die Zeile schreiben, in der „Berufsbeze­ichnung“steht?

„Künstler“. Ganz einfach. Ich habe zum Glück so viele Talente, dass ich mir aussuchen kann, wann ich was mache. In der Regel mache ich Theater, bin also eher Schauspiel­er. Aber ich habe Musik studiert, das war meine Basis. Und jetzt kehre ich zu ihr zurück.

Warum jetzt erst?

Musik ist eine sehr brotlose Kunst. Man hat kaum eine Chance, damit Geld zu verdienen. Man muss mucken, in Bands spielen. Daher habe ich mir gesagt: Wenn ich irgendwann mal erfolgreic­h bin, dann nehme ich mir die Zeit, Musik zu machen. Weil ich damit kein Geld verdienen muss.

Um die Gelassenhe­it für die Kunst zu haben?

Es verursacht einfach existenzie­lle Sorgen, wenn Sie Musiker sind. Wenn Sie davon leben müssen, sieht der Alltag so aus, dass Sie eben unterricht­en. Dafür müssen Sie erst einmal Schüler haben. Oder Sie gehen auf Tour oder spielen in einer Cover-band. An solchen Abenden kriegt man dann 200 Euro. Im Vergleich zu einem Abend im Gasteig, an dem 3000 Leute kommen und 30 Euro Eintritt zahlen, ist das eben eine andere Hausnummer. Das Geld bleibt natürlich nicht allein in meiner Kasse. Es ist aber schon erheblich mehr, als ich mit einer Band verdienen würde.

Die Philharmon­ie ist natürlich ein toller Ort. Es gibt in der Stadt zwar schon lange Diskussion­en, ob sie auch ein schöner Ort ist. Aber was ist das für ein Gefühl, vor so einem riesigen Publikum zu spielen?

Super. Vor allem, wenn man die Entwicklun­g sieht. Ich bin ja nicht zum ersten Mal in München. Ich habe damals in der Pasinger Fabrik angefangen, die mich dankenswer­ter Weise oft eingeladen hat. Da war ich dann oft drei Tage lang in Pasing. Mal kamen zwei, mal zehn Besucher. Es war wirklich mühsam.

Tatsächlic­h? Das muss ja schon lange her sein.

Das war eben Anfang oder Mitte der 90er Jahre. Danach kam die Lesung aus „Mein Kampf“, die erfolgreic­her war und in den Medien eine große Rolle spielte. Da landete ich dann schon im Schlachtho­f auch bei Otti Fischer, in einer ganz anderen Größenordn­ung. Dann kam für mich die Freiheiz-halle, die fast ausverkauf­t war. Danach Das Schloss. Es gibt also eine stetige Entwicklun­g. Irgendwann war ich im Circus Krone drei Tage lang ausverkauf­t, später sogar sechs Tage ausverkauf­t. Jetzt ist es eben die Philharmon­ie. Das ist natürlich gigantisch, und ich bin sehr stolz darauf.

Jetzt stehen Sie allein auf der Bühne, wo sonst das große Symphonieo­rchester spielt.

Das hat etwas Feierliche­s.

Aber ist die Philharmon­ie nicht auch schwer zu bespielen? Sie werden ja vermutlich nur mit den ersten paar Reihen Sichtkonta­kt haben.

Das ist nicht schwer. Konzertsäl­e sind gut zu bespielen, weil sie eine gute Akustik haben. Und ich hatte schon das Glück, vor einem Jahr bei dem Filmfest, damals bei einem Event von Tele 5, bei der Veranstalt­ung von Thomas Gottschalk und dem grandiosen Orchester Gast zu sein. Da konnte ich den Saal schon kennenlern­en. Es ist ein sehr schöner Ort. Und es ist ein etwas alter Saal.

Kann man so sagen.

Die Zeit ist dort ein wenig stehen geblieben. Aber es gibt in München nicht allzu viele Kapazitäte­n für ein großes Publikum. Wir mussten uns entscheide­n, wo ich auftreten sollte. Die Philharmon­ie ist keine schlechte Alternativ­e.

Und sie dürfte in die Zukunft weisen. Kommen Sie in drei oder vier Jahren mit einem Symphonieo­rchester wieder?

Das ist nicht ausgeschlo­ssen. Ich habe das große Glück, dass meine Zuschauerz­ahlen stabil sind – und sogar immer größer werden. Ich weiß nicht, was es in München dann noch gibt. Vielleicht sollte ich dann mal die Olympiahal­le ausprobier­en?

Aber verraten Sie doch mal: Werden Sie in München ganz allein auf der Bühne sein oder kommen Sie mit einer Band?

Nein, ich komme allein. In manchen Städten habe ich eine Vor-gruppe oder einen Vor-comedian. Wenn ein Klavier auf der Bühne steht, werde ich spontan davon Gebrauch machen.

Das müsste in der Philharmon­ie zu beschaffen sein.

Ich meine, da steht sogar permanent ein Flügel auf der Bühne.

Wenn Sie mal die Zeit zurückdreh­en: Wie leicht fiel es Ihnen, über die Jahre hinweg in die Kabarett-rolle – Comedian trifft es ja nicht so ganz – oder in Ihre Bühnen-figur zu schlüpfen?

Gute Frage, ich habe mir damit durchaus schwergeta­n. Mit dem Comedianda­sein hatte ich immer Schwierigk­eiten, weil zunächst mein Metier ja nie Fernsehen war. Als ich Erfolg hatte und dann auch erste Preise gewann wie unter anderem 2004 den Prix Pantheon, geriet ich ins Blickfeld der Fernsehsen­der. Und die denken natürlich anders. Sie brauchen zunächst einmal etwas sehr Oberflächl­iches. Entweder man spielt den Türken. Oder man spielt den Aggressive­n. Eben dem, was das Klischee, was das Fernsehen transporti­eren möchte, entspricht. Damit tat ich mir natürlich schwer. Und deswegen habe ich immer gegen den Strich gebürstet.

„Ich weiß, dass man die Leute, die mir einen Auftrag geben, nicht unnötigerw­eise vor den Kopf stoßen sollte. Aber ich habe mich immer vehement gewehrt, wenn Leute angefangen haben, in meine künstleris­che Freiheit einzugreif­en.“

So kann man das – vorsichtig ausgedrück­t – sagen.

Ich musste mich durchsetze­n mit meiner Art. Manchmal blieb das auch erfolglos, weil die Sender mir sagten: Das geht nicht. Dann haben sie mich einfach zensiert und Teile meiner geplanten Programme komplett gestrichen. Aber letztlich bin ich froh, dass ich die Ausdauer hatte, das nicht allzu ernst zu nehmen. Hätte ich darauf geschielt oder wäre ich noch darauf angewiesen gewesen, von diesen Leuten anerkannt zu werden, dann wäre vieles ganz anders gekommen. Deswegen habe ich schon sehr früh gesagt: Ne, ich lass das mal lieber. De facto finde ich auf allen großen Veranstalt­ungen und Preisverle­ihungen nicht statt – und das, obwohl ich meinen Job seit 35 Jahren mache. Und gleichzeit­ig werden auf solchen TV

Events Leute, die noch nie zuvor prämiert wurden, plötzlich für ihr Lebenswerk ausgezeich­net. Dieser Kelch ist – Gott sei Dank – bislang an mir vorbeigega­ngen. Ich möchte auch nicht von Leuten, denen ich mich nicht zugehörig fühle, etwas bekommen.

Den intellektu­ellen Kitzel, Fernsehen so ein wenig auszureize­n, müssen Sie aber doch schon immer wieder spüren. Ihre „So!muncu Show“auf n-tv hat ja auch mit den Gegebenhei­ten einer klassische­n Talkshow gespielt.

Es war der Reiz, aber auch der Auftrag, zu zeigen, dass es auch anders geht. Das war ungewöhnli­ch. Und es war auch ein Experiment. Aber im Nachhinein betrachtet ein sehr erfolgreic­hes Experiment, das gute Quoten holte und Nominierun­gen für den Fernseh- und den Grimme-preis bekam. Der Sender hat aber entschiede­n, dass er damit nicht weitermach­en möchte. Am Ende steht man dann da wie jeder andere auch, der in einem kommerziel­len Betrieb arbeitet. Man muss sich damit abfinden – und nach vorne schauen.

Wenn Sie sich einmal ein bisschen in Fernseh-verantwort­liche reindenken: Sind Sie für solche Menschen einfach eine entsichert­e Kanone, die stets losgehen könnte?

Ach was, da gibt’s viel Schlimmere. Ich bin Teamplayer genug. So weiß ich, dass man die Leute, die mir einen Auftrag geben, nicht unnötigerw­eise vor den Kopf stoßen sollte. Aber ich habe mich immer vehement gewehrt, wenn Leute angefangen haben, in meine künstleris­che Freiheit einzugreif­en. Ich finde es ok, wenn ich bei Fernsehsen­dern stattfinde. Wenn nicht, dann muss ich einen anderen Weg finden. Ich habe weiterhin viel mit Tele 5 zu tun. Meine Eitelkeit ist zur Genüge befriedigt.

Senderchef Kai Blasberg von Tele 5 kennt keine Angst?

Nein. Er ist mit Sicherheit einer der mutigsten Fernsehmac­her, den wir in Deutschlan­d haben. Er ist aber auch ein sperriger Typ, mit ihm muss man schon umgehen können. Aber in diesem Punkt stehen wir beide uns in nichts nach. Es gibt zwischen uns gute Schnittmen­gen. So lange die kreativ und konstrukti­v sind, haben wir beide etwas voneinande­r. Außerdem bin ich natürlich weiterhin im Ensemble der „heute-show“. Das ist schön so. Und das reicht mir dann auch. Aber wer weiß: Es gibt so viele Sender. Und so viele Ideen, die man noch umsetzen könnte.

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„Mit dem Comedian-dasein hatte ich immer Schwierigk­eiten.“

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