CHRISTOPHER KLOEBLE
Das Museum der Welt (dtv)
Er ist die wohl größte Nervensäge der aktuellen Literaturneuerscheinungen. Selbstgefällig, neunmalklug, distanzlos gegenüber sich selbst. Und vermutlich gerade deswegen ist Bartholomäus, der kleinwüchsige, von einem bayerischen Missionar in einem Waisenhaus in Bombay aufgezogene Weltbeobachter, so ein großartiger Romanheld. Christopher Kloeble, der weitgereiste Wissenschaftler, der selbst mit einer Inderin verheiratet ist und den unübersichtlichen Subkontinent gut kennt, hat eine kluge Wahl getroffen, Bartholomäus zum Erzähler seines neuen Wälzers zu machen. Kloebles geistreiches, witziges, erhellendes Buch legt man nur ungern aus der Hand. Der wissbegierige kleine Junge ist das perfekte Gegenbild zu den nicht minder pompösen historischen Forschungsreisenden Albert, Hermann und Robert Schlagintweit aus Bayern, die Mitte des 19. Jahrhunderts auf Empfehlung ihres Mentors und Vorbilds Alexander von Humboldts nach Indien aufbrachen, um Himalayagipfel zu besteigen, das Land zu vermessen, Gebräuche zu beschreiben, Mineralien und Pflanzen zu sammeln, wuchernde Städte zu kartografieren und mittelbar den kapitalistischen Kolonialkampf der britischen East India Company voranzutreiben. Der Waisenjunge Bartholomäus, der selbst das extrem ehrgeizige Projekt vorantreiben möchte, in seinem „Museum der Welt“, einem überbordenden Notizbuch, ganz Indien zu beschreiben, schließt sich den kauzigen Schlagintweits als Übersetzer an – und als Verunklärer. Immerhin liefert er eine ganz andere Sicht auf die Welt. Und in der ist der Westen nur ein fernes barbarisches Land mit Alkoholproblemen und urwüchsigen oberbayerischen Kraftausdrücken. (Lesung bei den „Wortspielen“, Ampere, 6.3.)