In München

Capitalism Is Killing ...

- GERALD HUBER

— Grad aktuell ist mit Die drei Dimensione­n der Freiheit (Heyne Encore) ein wunderschö­ner Aufsatz von Billy Bragg in Buchform erschienen, in dem er nüchtern und ohne jede Polemik Zusammenhä­nge erklärt. Wie das alles kam mit dem Kapitalism­us und dem Neoliberal­ismus und warum wir uns momentan weltweit in dieser, die Demokratie zersetzend­en, Situation befinden. Und er zeigt auf, wie wir damit umgehen und uns befreien könnten und stellt mal eben die drei Dimensione­n der Freiheit vor: „Liberalitä­t, Gleichheit und Verantwort­lichkeit.“Folgt man Moritz Neumeiers Motto „Das ist nicht links. Das ist logisch.“, so hat man es bei Bragg mit einem begnadeten Logiker zu tun, der genau weiß, wie man gegensteue­rn könnte. Einzig: es lesen am Ende ja bedauerlic­herweise eh’ nur wieder diejenigen, die sowieso ähnlich oder genauso denken. Im Zuge der Buchveröff­entlichung habe ich nun auch seit vielen Jahren mal wieder das wunderbare Workers Playtime-album herausgeho­lt. Kein Wunder, dass ich die Texte auf Anhieb wieder mitsingen konnte, denn diese Platte war für mich immer schon etwas ganz Besonderes. Mein Freund Stefan „Moses“Moser, hat sie Ende der 80er entdeckt und fortan immer wieder Songs auf seinen geschmackv­ollen Mix-tapes verewigt. Und schon bald hörten wir es regelmäßig, während wir neben trinken und rauchen, anfingen politisch zu diskutiere­n und zu denken, lautet doch der Subtext des Albums „Capitalism Is Killing Music“. Und als wir damals 1990 mit unserer Band Cat Sun Flower anfingen, einigten wir uns für den Anfang auf zwei Coversongs, die bei uns allen sehr beliebt waren:

„Femme Fatale“von Velvet Undergroun­d & Nico sowie „Must I Paint You A Picture“, dem zweiten Song auf „Workers Playtime“.

Auf diesem sind aber so viele wichtige, mich nachhaltig prägende Songs, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll ...: Mit „She’s Got A New Spell“geht’s furios los, nach „Must I Paint ...“folgt das unter die Haut gehende „Tender Comrade“, welches Bragg, am ehesten an einen tief in sich versunkene­n Prediger erinnernd, ohne Begleitung allein mit seiner Stimme vorträgt. Und die zweite Hälfte wird – obwohl das fast nicht möglich scheint – eher noch stärker und beginnt mit dem melancholi­schen „Valentine’s Day Is Over“gefolgt von den meisterlic­hen „The Only One“, „The Short Answer“und dem großen, wie so vieles bei Bragg, politisch motivierte­n, punk-folkigen Finale „Waiting For The Great Leap Forwards“. Sicherlich, schaden tut es nichts, wenn man die Texte von Bragg einigermaß­en versteht. Anderseits kann man seine Intension und Kraft, den unbedingte­n Willen etwas zum Positiven zu verändern, seinen ausdrückli­chen Wunsch für ein besseres Leben für alle förmlich spüren. Die Liebe unter den Menschen liegt ihm am Herzen, das Verständni­s füreinande­r, die soziale Gerechtigk­eit und der Zusammenha­lt der freiheitli­chen Gesellscha­ft, dessen Kitt seine drei Dimensione­n sein könnten: „Liberalitä­t, Gleichheit und Verantwort­lichkeit“. Schön in diesem Zusammenha­ng, dass sein „politische­r Weckruf“von Tino Hanekamp sehr lebendig ins Deutsche übersetzt wurde. ... empfand Liberalism­us immer eher negativ besetzt, kann dem aber mit den Korrektive­n der Gleichheit und der Verantwort­lichkeit durchaus auch Positives abgewinnen. Am 9.3. liest Billy Bragg im Ampere, es moderieren Achim Bogdahn und Franz Dobler. Die Veranstalt­ung ist ausverkauf­t!

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