Wo kommt eigentlich das ganze Geld her?
— Geld ist ein Monster. Es hat unser Gehirn erobert und okkupiert es wie die Suppe die Nudeln. Wir sind nicht mehr in der Lage, uns die Welt ohne Geld vorzustellen. Wer’s versucht, landet bei der Geschichte, der Mensch habe das Geld erfunden, um den Tauschhandel zu erleichtern. Das erzählen uns sog. „Wissenschaftler“, die sich aus Restscham ein „Wirtschafts-“vor ihre Berufsbezeichnung bappen, und manch unbedarfter Pfuschhistoriker plappert es nach.
Aber der Tauschhandel, von dem da gefaselt wird, ist nichts anderes als ein Handel mit Geld, bloß ohne Münzen und Scheine; außerdem hat es ihn VOR dem Geld nie gegeben und danach nur dann, wenn grad kein „richtiges“Geld da ist.
Daß „ursprünglich“weder mit Tausch noch mit Geld, sondern gar nicht gehandelt wird, weiß jeder, der im Geldwahn einen Funken Verstand bewahrt hat und sich an die eigene Kindheit erinnern kann: In Familien tut (oder tat) man das generell nicht, sondern man teilt. Unter Freunden ebenso. Und außer dem Menschen verfahren die meisten Lebewesen so: Einer findet was, bedient sich und überläßt den Rest den anderen – manchmal zähne- oder schnabelknirschend, weil man weiß, daß der nächste Hunger bald kommt, manchmal selbstlos, weil andere nicht wissen, wo es was Gutes zu essen gibt. Bienen und Vögel, Wölfe, Löwen, Rindviecher und Schmeißfliegen trommeln die ganze Bagage zusammen, Bäume und Grashalme teilen sich friedlich ihr Grundwasser
und vertrocknen notfalls lieber gemeinsam, wenn der Mensch mal wieder das Klima ändert.
Trotzdem predigen uns die Prediger der Geldreligion: Geld und Handel seien ein Segen, eine Gesellschaft ohne Geld nicht vorstellbar. Gab es aber auch im Menschenvolk und gibt es eventuell (ich bin kein Ethnologe) immer noch. Es werden ja ab und zu in unzugänglichen Tälern und auf versteckten Inseln Gesellschaften entdeckt, die zuvor niemand gesehen hat und denen Pest, Cholera und Kapitalismus völlig fremd sind.
An denen könnte man überprüfen, wie segensreich die „Erfindung“des Geldes war. Man könnte ihnen Bilder von Fabriken, Büros, Wohnblocks zeigen, von Autobahnen, Panzern und „Luftschlägen“, Börsen, Schrottplätzen, Elendsvierteln und Müllbergen, von Kraftwerken und Atomexplosionen. Man könnte sie fragen, ob sie nicht Lust hätten, in einem solchen Paradies zu leben.
Wahrscheinlich nicht. Aber wenn man ihnen Geld gäbe, hätten sie gar keine andere Wahl. Mit dem Geld kommt die Armut in die Welt, Neid und Gier, Arbeit, Wettbewerb, Beschiß und Ausbeutung. Dagegen kann der Mensch nichts tun. Weil das Geld selbst diese Verheerungen anrichtet und der Mensch gegen das Geld keine Chance hat – er ist sein recht- und willenloser Sklave.
Es gibt, soweit ich weiß, in der Weltliteratur nur eine gelungene Darstellung dieser Vorgänge: von Carl Barks (dessen Geschichten man sicherlich verboten hätte, wenn sie in einem weniger unverdächtigen Medium als „Micky Maus“erschienen wären). Da erleidet Dagobert Duck vom ständigen Geldrummel einen Nervenschaden, der nur durch Entzug heilbar ist. Also reist er samt Neffen und Großneffen ins Land Tralala (irgendwo im Himalaya), wo man kein Geld kennt, die Menschen zufrieden und fröhlich alles teilen und ihr Leben genießen.
Leider landet der Kronkorken der letzten Nervenmedizin, die Dagobert im Flugzeug einnimmt, irgendwo in Tralala. Das Ding ist zu nichts zu gebrauchen und nichts wert, aber es glitzert hübsch, was einem Bewohner gefällt, und so wird der Stöpsel plötzlich doch was wert. Nun nämlich wird gehandelt: Man tauscht Lebensmittel in bald unfaßbaren Mengen dafür ein, der Wert steigt exponentiell. Der Neid wird zur Gier, die Gier zur Tobsucht, alle drehen durch, Dagoberts Nerven drohen zu reißen.
Da kommt die rettende Idee, die alles vernichtet: Schütten wir doch einfach per Flugzeug eine Milliarde Kronkorken nach Tralala hinein! Zack! ist das Tal voll, alles zugekorkt; der kollektive (sollen wir sagen: kommunistische?)
Wir sind nicht mehr in der Lage, uns die Welt ohne Geld vorzustellen.
Wohlstand ertrinkt in Lawinen von Blechmüll, die niemand wegräumen kann.
Das ist der Unterschied zu unserer Welt: Die wird zugeschissen mit Geld, als verdaute sich ein ganzes Universum in eine Planetenoberfläche hinein. Weil das Zeug aber nur virtuell existiert und sofort bei Erschaffung auf die Konten der Reichen gebucht wird, verstopft es zumindest nicht die Kanalisation.
Andererseits müssen Milliarden Menschen dafür schuften, hungern, leiden und sterben. Ob es das wirklich wert ist, ist eine Frage, die Menschen beantworten müßten, deren Hirn noch nicht vom Geld in eine Nudelsuppe verwandelt wurde.