Amnesty verteidigt Prostitutionsbeschluss
Menschenrechtler erhoffen sich mehr Schutz für Prostituierte – Alice Schwarzer entrüstet
(AFP/KNA) - Nach scharfer Kritik hat Amnesty International (AI) die Resolution für eine Legalisierung von Prostitution verteidigt. „Wo Sexarbeit verboten ist, gibt es deutlich mehr Gewalt gegen Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter als anderswo“, erklärte die Generalsekretärin von AI in Deutschland, Selmin Caliskan. Kritiker werfen der Menschenrechtsorganisation vor, sie legitimiere mit der Forderung ein Verständnis der „Frau als Ware“.
Der Internationale Rat von Amnesty hatte beschlossen, sich für die „Entkriminalisierung aller Aspekte der einvernehmlichen Sexarbeit“einzusetzen. Laut AmnestyGeneralsekretärin Salil Shetty solle damit eine Politik gefördert werden, die die „Menschenrechte von Prostituierten fördert“. Die Staaten sollten „Sexarbeitern“vollen und gleichen Rechtsschutz zusichern.
Frauenrechtlerin Alice Schwarzer reagierte empört. Die Entscheidung Amnestys sei „der nackte Hohn“, sagte Schwarzer. Amnesty schlage sich auf die Seite der Täter. „Ich kann nur hoffen, dass dieser skandalöse Beschluss pro Prostitution und gegen Prostituierte auch innerhalb der sich als links verstehenden Organisation noch diskutiert wird.“
Auch das Bündnis Koalition gegen Frauenhandel (CATW) kritisierte die Entscheidung. „Es gibt keine Logik in der Annahme, dass man zum Schutz der Ausgebeuteten die Ausbeuter entkriminalisieren muss“, sagte CATW-Chefin Taina Bien-Aimé. Lea Ackermann, Gründerin der Organisation Solwodi, die sich für Opfer von Zwangsprostitution einsetzt, sagte, es sei unbegreiflich, wie eine Organisation wie AI, „dafür einstehen kann, dass Prostitution ein normaler Teil unseres Lebens werden kann“.
Indes erhielt Amnesty Unterstützung vom Deutschen Frauenrat: Der Beschluss sei eine Stärkung für die Frauenrechte, sagte die stellvertretende Vorsitzende Susanne Kahl-Passoth. Der familienpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Marcus Weinberg (CDU), sagte, Entkriminalisierung bedeute nicht Schutz von Zuhältern und Freiern. Mit Blick auf das geplante neue Prostitutionsgesetz in Deutschland fügte er hinzu: „Gewalt, Einschüchterung und menschenverachtende Arbeitsverhältnisse müssen durch dieses Gesetz bekämpft werden.“
(dpa) - „Ich bin schockiert!“, sagt die bekannte Feministin Alice Schwarzer am Tag nach der Entscheidung in Dublin. Dort hat sich die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) am Dienstag darauf verständigt, weltweit gegen Strafen für Prostitution zu kämpfen. Die Grundsatzentscheidung hat Empörung ausgelöst. Das zeigt: Wenn es um käuflichen Sex geht, gibt es keine einheitliche Linie. Nicht einmal unter Frauenrechtlern.
Für Schwarzer setzt sich AI mit der Entscheidung dafür ein, dass Frauenhändler, Zuhälter und Bordellbetreiber noch unbehelligter ihrem Geschäft nachgehen können. „Damit schlägt Amnesty sich auf die Seite der Täter“, sagt sie. Die Begründung: Dieses Signal „bestärkt die Frauenhändler und macht den Frauen das Leben noch schwerer“.
Aus Sicht von Amnesty International aber ebnet die Resolution den Weg, dass die Organisation eine Politik zum Schutz der Menschenrechte von Prostituierten verfolgen könne, wie Generalsekretär Salil Shetty einer Mitteilung zufolge sagte. AI-Delegierte aus aller Welt hatten sich auf die Empfehlung verständigt. Die internationale Führung von Amnesty ist nun befugt, eine entsprechende Politik zu entwickeln.
Verbote helfen nicht
Der Deutsche Frauenrat sieht es wie Amnesty: Wenn Prostitution straffrei bliebe, würde das den Schutz für Prostituierte verbessern. „Auch Prostituierte sollen sich darauf verlassen können, dass der Gesetzgeber ihnen ein sicheres, angstfreies Leben ohne gesellschaftliche Ächtung ermöglichen will“, sagt die stellvertretende Vorsitzende Susanne Kahl-Passoth. Amnesty stärke mit dem neuen Kurs langfristig die Frauenrechte. „Prostitution ist erfahrungsgemäß durch Verbote nicht aus der Welt zu schaffen, vielmehr wird sie dadurch nur mehr in den Untergrund getrieben.“
Terre des Femmes veröffentlichte keine Reaktion auf die Empfehlung, fordert aber in einem Grundsatzpapier ein gesetzliches Verbot des Kaufs von Sex. Das Ziel der Organisation ist klar: eine Gesellschaft ohne Prostitution. „Dieses Ziel ist mit der Bekämpfung von Armut, Diskriminierung und Gewalt, nicht aber mit der Kriminalisierung von Prostituierten zu erreichen“, heißt es.
Sexarbeit in der Illegalität führe zu Menschenrechtsverletzungen, sagte die Grünen-Politikerin Katja Dörner der „Hamburger Morgenpost“. Es sei richtig, auf die Stärkung der Rechte der Prostituierten zu setzen. Die Kampagne von Amnesty sei deshalb wichtig und mutig.
Hierzulande ist Prostitution grundsätzlich zulässig. „Trotzdem sind wir in Deutschland auch noch nicht komplett entkriminalisiert“, sagt Johanna Weber. Sie ist politische Sprecherin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen – die Empfehlung komme ihrem Gewerbe entgegen. „Wir brauchen mehr Rechte, denn das ist unser Schutz, und keine Verbote.“Im Verborgenen arbeiten, auf irgendwelche „schwierigen Kreise“angewiesen sein, um an sein Geld zu kommen – das sei die Konsequenz der Verbote – und gefährlich.
Der Berufsverband Sexarbeit hatte sich vor dem Amnesty-Treffen an Unterschriftenaktionen beteiligt, die sich für eine mögliche Amnesty-Position für die Entkriminalisierung von Sexarbeit aussprachen. Genauso gab es Unterschriftenaktionen dagegen: Einen Protestbrief hatten unter anderem die Oscar-Preisträgerinnen Meryl Streep, Kate Winslet und Emma Thompson unterzeichnet.
Die Verfasser des Briefes äußerten „tiefe Besorgnis“über den Vorstoß. Sie schrieben, dass Amnestys Ruf irreparabel befleckt würde, „wenn es eine Politik annehmen sollte, die Partei ergreift für Käufer von Sex, Zuhälter und andere Ausbeuter, anstatt für die Ausgebeuteten“.