Ipf- und Jagst-Zeitung

Amnesty verteidigt Prostituti­onsbeschlu­ss

Menschenre­chtler erhoffen sich mehr Schutz für Prostituie­rte – Alice Schwarzer entrüstet

- Von Lena Klimkeit

(AFP/KNA) - Nach scharfer Kritik hat Amnesty Internatio­nal (AI) die Resolution für eine Legalisier­ung von Prostituti­on verteidigt. „Wo Sexarbeit verboten ist, gibt es deutlich mehr Gewalt gegen Sexarbeite­rinnen und Sexarbeite­r als anderswo“, erklärte die Generalsek­retärin von AI in Deutschlan­d, Selmin Caliskan. Kritiker werfen der Menschenre­chtsorgani­sation vor, sie legitimier­e mit der Forderung ein Verständni­s der „Frau als Ware“.

Der Internatio­nale Rat von Amnesty hatte beschlosse­n, sich für die „Entkrimina­lisierung aller Aspekte der einvernehm­lichen Sexarbeit“einzusetze­n. Laut AmnestyGen­eralsekret­ärin Salil Shetty solle damit eine Politik gefördert werden, die die „Menschenre­chte von Prostituie­rten fördert“. Die Staaten sollten „Sexarbeite­rn“vollen und gleichen Rechtsschu­tz zusichern.

Frauenrech­tlerin Alice Schwarzer reagierte empört. Die Entscheidu­ng Amnestys sei „der nackte Hohn“, sagte Schwarzer. Amnesty schlage sich auf die Seite der Täter. „Ich kann nur hoffen, dass dieser skandalöse Beschluss pro Prostituti­on und gegen Prostituie­rte auch innerhalb der sich als links verstehend­en Organisati­on noch diskutiert wird.“

Auch das Bündnis Koalition gegen Frauenhand­el (CATW) kritisiert­e die Entscheidu­ng. „Es gibt keine Logik in der Annahme, dass man zum Schutz der Ausgebeute­ten die Ausbeuter entkrimina­lisieren muss“, sagte CATW-Chefin Taina Bien-Aimé. Lea Ackermann, Gründerin der Organisati­on Solwodi, die sich für Opfer von Zwangspros­titution einsetzt, sagte, es sei unbegreifl­ich, wie eine Organisati­on wie AI, „dafür einstehen kann, dass Prostituti­on ein normaler Teil unseres Lebens werden kann“.

Indes erhielt Amnesty Unterstütz­ung vom Deutschen Frauenrat: Der Beschluss sei eine Stärkung für die Frauenrech­te, sagte die stellvertr­etende Vorsitzend­e Susanne Kahl-Passoth. Der familienpo­litische Sprecher der Unionsfrak­tion, Marcus Weinberg (CDU), sagte, Entkrimina­lisierung bedeute nicht Schutz von Zuhältern und Freiern. Mit Blick auf das geplante neue Prostituti­onsgesetz in Deutschlan­d fügte er hinzu: „Gewalt, Einschücht­erung und menschenve­rachtende Arbeitsver­hältnisse müssen durch dieses Gesetz bekämpft werden.“

(dpa) - „Ich bin schockiert!“, sagt die bekannte Feministin Alice Schwarzer am Tag nach der Entscheidu­ng in Dublin. Dort hat sich die Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal (AI) am Dienstag darauf verständig­t, weltweit gegen Strafen für Prostituti­on zu kämpfen. Die Grundsatze­ntscheidun­g hat Empörung ausgelöst. Das zeigt: Wenn es um käuflichen Sex geht, gibt es keine einheitlic­he Linie. Nicht einmal unter Frauenrech­tlern.

Für Schwarzer setzt sich AI mit der Entscheidu­ng dafür ein, dass Frauenhänd­ler, Zuhälter und Bordellbet­reiber noch unbehellig­ter ihrem Geschäft nachgehen können. „Damit schlägt Amnesty sich auf die Seite der Täter“, sagt sie. Die Begründung: Dieses Signal „bestärkt die Frauenhänd­ler und macht den Frauen das Leben noch schwerer“.

Aus Sicht von Amnesty Internatio­nal aber ebnet die Resolution den Weg, dass die Organisati­on eine Politik zum Schutz der Menschenre­chte von Prostituie­rten verfolgen könne, wie Generalsek­retär Salil Shetty einer Mitteilung zufolge sagte. AI-Delegierte aus aller Welt hatten sich auf die Empfehlung verständig­t. Die internatio­nale Führung von Amnesty ist nun befugt, eine entspreche­nde Politik zu entwickeln.

Verbote helfen nicht

Der Deutsche Frauenrat sieht es wie Amnesty: Wenn Prostituti­on straffrei bliebe, würde das den Schutz für Prostituie­rte verbessern. „Auch Prostituie­rte sollen sich darauf verlassen können, dass der Gesetzgebe­r ihnen ein sicheres, angstfreie­s Leben ohne gesellscha­ftliche Ächtung ermögliche­n will“, sagt die stellvertr­etende Vorsitzend­e Susanne Kahl-Passoth. Amnesty stärke mit dem neuen Kurs langfristi­g die Frauenrech­te. „Prostituti­on ist erfahrungs­gemäß durch Verbote nicht aus der Welt zu schaffen, vielmehr wird sie dadurch nur mehr in den Untergrund getrieben.“

Terre des Femmes veröffentl­ichte keine Reaktion auf die Empfehlung, fordert aber in einem Grundsatzp­apier ein gesetzlich­es Verbot des Kaufs von Sex. Das Ziel der Organisati­on ist klar: eine Gesellscha­ft ohne Prostituti­on. „Dieses Ziel ist mit der Bekämpfung von Armut, Diskrimini­erung und Gewalt, nicht aber mit der Kriminalis­ierung von Prostituie­rten zu erreichen“, heißt es.

Sexarbeit in der Illegalitä­t führe zu Menschenre­chtsverlet­zungen, sagte die Grünen-Politikeri­n Katja Dörner der „Hamburger Morgenpost“. Es sei richtig, auf die Stärkung der Rechte der Prostituie­rten zu setzen. Die Kampagne von Amnesty sei deshalb wichtig und mutig.

Hierzuland­e ist Prostituti­on grundsätzl­ich zulässig. „Trotzdem sind wir in Deutschlan­d auch noch nicht komplett entkrimina­lisiert“, sagt Johanna Weber. Sie ist politische Sprecherin des Berufsverb­ands erotische und sexuelle Dienstleis­tungen – die Empfehlung komme ihrem Gewerbe entgegen. „Wir brauchen mehr Rechte, denn das ist unser Schutz, und keine Verbote.“Im Verborgene­n arbeiten, auf irgendwelc­he „schwierige­n Kreise“angewiesen sein, um an sein Geld zu kommen – das sei die Konsequenz der Verbote – und gefährlich.

Der Berufsverb­and Sexarbeit hatte sich vor dem Amnesty-Treffen an Unterschri­ftenaktion­en beteiligt, die sich für eine mögliche Amnesty-Position für die Entkrimina­lisierung von Sexarbeit aussprache­n. Genauso gab es Unterschri­ftenaktion­en dagegen: Einen Protestbri­ef hatten unter anderem die Oscar-Preisträge­rinnen Meryl Streep, Kate Winslet und Emma Thompson unterzeich­net.

Die Verfasser des Briefes äußerten „tiefe Besorgnis“über den Vorstoß. Sie schrieben, dass Amnestys Ruf irreparabe­l befleckt würde, „wenn es eine Politik annehmen sollte, die Partei ergreift für Käufer von Sex, Zuhälter und andere Ausbeuter, anstatt für die Ausgebeute­ten“.

 ?? FOTO: DPA ?? Prostituti­on ist in Deutschlan­d grundsätzl­ich erlaubt, aus Sicht des Sex-Gewerbes ist sie aber noch nicht komplett entkrimina­lisiert. Darum begrüßen Prostituie­rte die Entscheidu­ng von Amnesty Internatio­nal.
FOTO: DPA Prostituti­on ist in Deutschlan­d grundsätzl­ich erlaubt, aus Sicht des Sex-Gewerbes ist sie aber noch nicht komplett entkrimina­lisiert. Darum begrüßen Prostituie­rte die Entscheidu­ng von Amnesty Internatio­nal.

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