Gröhe weckt hohe Erwartungen
Der Umgang mit den Alten und Schwachen, mit denen, die sich selbst nicht mehr helfen können, sagt viel über eine Gesellschaft und ihre menschliche Qualität aus. Mit der Einführung der Pflegeversicherung ist hierzulande vor zwei Jahrzehnten eine wichtige zusätzliche Säule in das soziale Sicherungssystem eingezogen worden. Nach 20 Jahren kommt jetzt Schritt für Schritt die Renovierung, und die Pläne von Gesundheitsminister Hermann Gröhe sind eine richtige Weichenstellung.
Allein schon die Tatsache, dass der CDU-Politiker anders als seine Vorgänger das Thema nicht mehr weiter aufgeschoben, sondern sich an die notwendigen Reformmaßnahmen gemacht hat, ist ein klarer Gewinn. Immer mehr Menschen stehen vor der Frage, wie sie ihre Pflege im Alter sichern wollen und können, und immer mehr Angehörige pflegen ihre Lieben. Künftig wird es aus der Pflegekasse Hilfe für mehr Menschen als bisher geben. Demenzkranke und psychisch Kranke sollen die gleichen Leistungen erhalten wie Pflegebedürftige mit körperlichen Beeinträchtigungen. Das ist eine gute Nachricht. Und auch die Minderung der Einbußen für pflegende Angehörige ist deutlich mehr als Symbolpolitik.
Doch es bleiben offene Baustellen: Wo bleibt die Änderung beim sogenannten Pflege-TÜV, dem Qualitätssicherungsprogramm in der Pflege? Woher soll das dringend notwendige Pflegepersonal kommen? Und vor allem: Wie soll dieses Pflegesystem künftig finanziert werden, wenn es einmal wirtschaftlich nicht mehr so gut läuft und die geburtenstarken Jahrgänge auf Pflege angewiesen sein werden?
Gröhe weckt mit seiner Reform Erwartungen, die er vielleicht nicht lange einhalten kann. Schon jetzt rufen die Arbeitgeber nach einem Beitragsmoratorium. Das Geld wird kaum ausreichen, um die Leistungen auf Dauer zu gewähren, geschweige denn, um weitere Reformschritte zu finanzieren. Ohne ergänzende kapitalgedeckte Elemente dürfte das nun mit der Reform erreichte, sinnvolle Niveau kaum zu halten sein.