NPD streckt Fühler nach Meßstetten aus
Partei will im Ort angeblich eine Landesgeschäftsstelle eröffnen – Kommunalpolitiker zweifeln an Faktenlage
(kab) - Der badenwürttembergische NPD-Landesverband will angeblich in Meßstetten eine Landesgeschäftsstelle einrichten. Zu diesem Zweck wolle die rechtsextreme Partei einen völlig überteuerten Preis für eine Gaststätte bezahlen, sagte deren Besitzer. Nun grübeln Stadt und Gemeinderat, ob dies ein Trick sei, um den Preis für die Immobilie in die Höhe zu treiben, oder ob sie selbst das Gasthaus kaufen sollen. Ein linkes Bündnis ruft für Samstag zum Protest auf.
- Die NPD plant angeblich den Kauf einer Gaststätte in Meßstetten im Zollernalbkreis, um dort ihre Landesgeschäftsstelle zu errichten. Oder platziert die rechtsextreme Partei diese Information nur, um den Wert der Immobilie in die Höhe zu treiben? Die Faktenlage ist dünn. Und doch muss sich die Stadt entscheiden, ob sie das „Waldhorn“überteuert kauft. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als mit der NPD zu pokern.
Seit vergangenem November gibt es in Meßstetten eine Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge. Ausgerechnet hier, etwa einen Kilometer entfernt von der zur Aufnahmestelle umgenutzten Zollernalbkaserne, will die NPD wohl ihre baden-württembergische Zentrale einrichten. Bisher laufen die Geschäfte des Landesverbands von Bayern aus. Ein Bündnis aus antifaschistischen Gruppierungen, Verbänden und linken Parteien unter dem Namen „Keine Basis der NPD“ruft dagegen für kommenden Samstag um 15 Uhr zu einer Kundgebung auf dem örtlichen Marktplatz auf. Es ist nicht das erste, doch es könnte das letzte Aufbäumen sein, bevor Fakten geschaffen werden. Am darauffolgenden Freitag nämlich soll die Gaststätte „Waldhorn“notariell den Besitzer wechseln.
Informationen vom Besitzer
In Meßstetten gibt es seit April Gerüchte um die Bestrebungen der NPD. „Die Fakten, die man meint zu haben, kann man aber nicht hundertprozentig glauben“, sagt Andreas Raschke vom SPD-Ortsverein, der auch im Bündnis aktiv ist. Informationen zum angeblich geplanten Verkauf stammten in aller Regel vom Besitzer der Gaststätte „Waldhorn“. Er zeige Fotos von Dokumenten wie einem Verkaufsvorvertrag und sage, er sei aus finanzieller Not gezwungen zu verkaufen. Zumal die NPD knappe 500 000 Euro für die Immobilie biete. Klarer Wucher, weiß Raschke, denn die Stadt habe ein Gutachten in Auftrag gegeben. Aus vertrauenswürdiger Quelle kenne er das Ergebnis: Der Wert liege bei 200 000 Euro.
Genau hier kommen die kommunalen Entscheidungsträger von Stadt und Gemeinderat ins Grübeln – und mit ihnen auch Andreas Raschke. Will die NPD tatsächlich so viel Geld für das „Waldhorn“zahlen? Oder passiert in Meßstetten das, was die Partei andernorts schon praktiziert hat: Den Preis für ein Grundstück in die Höhe treiben, warten, bis die Stadt dieses völlig überteuert kauft und dann gemeinsam mit dem Verkäufer abkassieren? „Wir wissen in keinster Weise, was da abgeht“, sagt Tarzisius Eichenlaub zur momentanen Lage. Er ist Vorsitzender der Freien Wähler, der größten Fraktion im Meßstettener Gemeinderat, und positioniert sich klar: „Wir wollen prinzipiell hier keine NPD.“Doch wirklich niemand wolle Geld aus dem städtischen Haushalt der NPD zukommen lassen. „Wir wissen im Moment kein bisschen, was wir tun sollen“, sagt Eichenlaub.
An die Theorie der Preistreiberei glaubt Andreas Raschke nicht so recht. „Es geht vieles zurück auf den Besitzer und darauf, welche Informationen er preisgibt. Aber ein Hochschaukeln des Preises sehe ich nicht, es gibt ja kein Gegengebot.“Eichenlaub hingegen berichtet von Gesprächen mit dem Besitzer, von Angeboten seitens der Stadt. „Doch er hat gesagt, wir würden ihm viel zu wenig bieten“, sagt der Vorsitzende der Freien Wähler vor Ort. Er und auch Raschke blicken ungewiss auf den Notartermin am Freitag kommender Woche. „Es ist nur seltsam, dass der Notar irgendwo in Richtung Schwarzwald ist und nicht direkt vor Ort“, sagt Eichenlaub.
Ihren Freunden in sozialen Medien berichten NPD-Funktionäre bereits, was sie alles zur Einweihung der neuen Landesgeschäftsstelle in Meßstetten am 20. September planen. Äußern will sich der Landesvorsitzende Alexander Neidlein in der „Schwäbischen Zeitung“allerdings nicht.
Furcht vor den Konsequenzen
Zum möglichen überteuerten Kauf der Gaststätte durch die Gemeinde sagt Raschke: „Es ist eine schwierige Entscheidung, bei der man erst hinterher weiß, ob sie die richtige war.“Er fürchte allerdings die Konsequenzen, und die könnten bedeuten, dass in dem Haus künftig Konzerte, Infoveranstaltungen und Schulungen zu rechtsextremem Gedankengut abgehalten werden könnten.
Was ihn wirklich ärgere: „Diese vermeintlich abstrakte Gefahr NPD regt hier niemanden so richtig auf.“Er wünsche sich klarere Positionierungen von den Gemeinderäten, vom Bürgermeister und auch von den Bürgern von Meßstetten. Sie alle ruft er dazu auf, am Samstag zur Kundgebung zu kommen. Und er hat einen Wunsch: „Ich möchte die Vielfalt der Gesellschaft am Samstag auf dem Marktplatz sehen, Turnerinnen und Fußballer in Trikots.“Um diesem Wunsch Nachdruck zu verleihen, will er heute einen Aufruf starten.