Wie aus Konservativen „Rechte“werden
Wer ist eigentlich „rechts“? Angesichts martialisch vor Flüchtlingsunterkünften aufmarschierender Neonazis, brennender Asylbewerberheime und lauthals gegen Ausländer pöbelnder Demonstranten eigentlich keine schwierige Frage, sollte man annehmen.
Aber so einfach ist es nicht. Als „rechts“gilt heute auch, wer sich gegen Bildungspläne wendet, in denen Kinder Bordelle entwerfen und im Stuhlkreis über ihre Sexualität berichten sollen, wer sich für das Betreuungsgeld einsetzt und Gender-Mainstreaming als den neuen Kreationismus bezeichnet. „Rechts“ist, wer sich für den Lebensschutz einsetzt und die vom Grundgesetz geschützte Ehe nicht als Beziehungsform „für alle“sieht. Mit „rechts“ist dabei nicht etwa „konservativ“gemeint, sondern jenes „Rechts“, das im Dritten Reich seine unsagbaren Gräuel entwickelte, und das heute von dumpf grölenden Neonazis repräsentiert wird. Diese Gleichsetzung von Neonazis und konservativen Positionen ist nicht etwa eine Übertreibung, sondern nachzulesen beispielsweise auf Jakob Augsteins Autorenblog „Freitag“. Hier werden Wertkonservative, die sich gegen Gender-Mainstreaming, den baden-württembergischen Bildungsplan und eine „Ehe für alle“aussprechen, als „Nazibräute“betitelt und „die geifernde Hetze der ewig-gestrigen religiösen Eiferer“mit Rechtsradikalen in einem dunkelbraunen Topf verrührt.
Nun ist der „Freitag“ein randständiges linkes Forum. Um so überraschender, dass er sich auch auf eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) namens „Radikalisierungstendenzen am rechten Rand der Kirchen“beruft. Auf Nachfrage bei der KAS handelt es sich dabei „nur“um ein „internes Diskussionspapier“, das allerdings seinen Weg unmittelbar in den „Spiegel“und andere Medien bis hin zu besagtem „Freitag“sowie in die sozialen Netzwerke gefunden hat. In der Studie
„Eine gelassene Debatte auch konservativer Positionen muss möglich bleiben.“
Monika Metternich
werden namentlich benannte christliche Personen – viele davon CDUMitglieder – aufgeführt, die sich in oben genannten Belangen engagieren, das Menschenbild Konrad Adenauers teilen und nun unter Berufung auf eine CDU-Stiftung öffentlich als „Rechte“im schärfsten Sinne des undifferenzierten Begriffs verleumdet werden. Nun kann man von der „Ehe für alle“, vom Betreuungsgeld, von der Beschaffenheit einer Familie und von einem durchsexualisierten Bildungsplan sicher auch ganz anders denken als konservative Protagonisten. Die allermeisten Demokraten wären aber wohl der Auffassung, dass es sich hier um Meinungen und Überzeugungen handelt, die in einem freien Land ausdiskutiert werden können.
Während in Paris und Rom jeweils über eine Million Menschen gegen die „Ehe für alle“auf die Straße gehen konnten, ohne in die Nähe von Faschisten gerückt zu werden, scheint es in Deutschland einen Konsens zu geben, dass es für einige Themen eine Meinungshoheit gibt. Der kann zwar widersprochen werden, aber nur um den Preis einer ultrarechten politischen Platzierung, die Existenzen vernichten kann. Die in der Studie der KAS erwähnten „unheiligen Allianzen“mit als problematisch erachteten Medien sowie das Liebäugeln auch einiger christlicher Bürger (nicht aber der nun am Pranger stehenden Persönlichkeiten) mit zweifelhaften Bewegungen wie „Pegida“oder der inzwischen abgewrackten AfD könnte genau in dieser praktischen Verunmöglichung eines gelassenen gesellschaftlichen Diskurses begründet liegen. Es wäre Aufgabe aller Volksvertreter, in Fragen von Ehe, Familie, Kindererziehung, Lebensschutz und Grundwerten in einen Dialog mit denjenigen Wählern zu treten, die sich diesbezüglich in politischen Programmen kaum mehr wiederfinden. Willkürlich konservative Personen und Meinungen als „rechts“an den Pranger zu stellen und zum gesellschaftlichen Abschuss freizugeben, hat noch nie Positives bewirkt. Man muss es ja nicht unbedingt mit Voltaire halten, der sogar die freie Äußerung ihm unerträglicher Meinungen mit seinem Leben verteidigen wollte. Aber eine gelassene Debatte auch konservativer Positionen muss möglich bleiben. Angesichts der gewaltsamen Angriffe auf Flüchtlinge hat sich die Politik mit einer echten „Gefahr von rechts“zu beschäftigen, die Leib und Leben von Menschen gefährdet. Billigend in Kauf zu nehmen, dass konservative Positionen und fremdenfeindlicher Hass in ein und denselben rechten Topf geworfen werden, bedeutet eine Verharmlosung von Rechtsextremismus und rechtem Terrorismus. Monika Metternich, 1957 in München geboren, wuchs in Ratzenried bei Wangen im Allgäu auf. Nach Abitur in England, Studium und Familienphase arbeitet sie als Autorin („Lob des Sonntags“, „Vornehm geht die Welt zugrunde“) und freie Journalistin in Bonn. Monika Metternich, Matthias Matussek, Michael Wolffsohn und Rezzo Schlauch schreiben an dieser Stelle im Wechsel über gesellschaftspolitische Themen.