Deutschland muss 55 Milliarden Euro für atomare Altlasten ausgeben
Bundesumweltministerium legt „Nationales Entsorgungsprogramm“vor – 70 000 Bürger hatten Einsprüche eingereicht
- „Im Jahr 2050 bin ich 98“, sagt Barbara Hendricks (SPD). „Ob ich noch erleben werde, dass Brennstäbe eingelagert werden, weiß ich nicht.“Hendricks geht es aber jetzt darum, „Verantwortung zu zeigen“.
Am Mittwoch gab das Bundeskabinett grünes Licht für das „Nationale Entsorgungsprogramm“. Wie alle EU-Staaten legt Deutschland damit einen Masterplan für die AtommüllEntsorgung vor. Nur Finnland und die Schweiz seien in Europa in der Frage der Endlagersuche weiter als Deutschland, lautet das Fazit von Hendricks.
Erstmals wurde nun das Volumen des Atommülls beziffert. Das Umweltministerium spricht von 10 500 Tonnen bestrahlter Brennelemente in 1100 Castoren, 300 Behälter mit hoch- und mittelradioaktiven Abfällen aus der Wiederaufbereitung im Ausland und 500 Behälter mit Brennelementen aus Forschungsreaktoren. Hinzu kommen etwa 600 000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktiver Atommüll unter anderem aus dem Rückbau von Kernkraftwerken.
200 000 Kubikmeter befinden sich noch in der Schachtanlage Asse II, in die Wasser eingedrungen ist. Bis zu 100 000 Kubikmeter Abfälle werden aus der Urananreicherungsanlage in Gronau erwartet. Die notwendigen Ausgaben für die atomaren Altlasten werden mit 55 Milliarden Euro angegeben. Zum Vergleich: Die vier Atomkonzerne haben für die Atommüll-Entsorgung Rücklagen von 38,5 Milliarden Euro gebildet.
70 000 Bürger hatten Einsprüche gegen das „Nationale Entsorgungsprogramm“eingereicht. Ein Teil ist berücksichtigt worden, insbesondere die aus der Region um das geplante Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Abfall in Schacht Konrad bei Salzgitter. Vor Ort fürchtet man eine Erweiterung des Lagers. Wie Hendricks klarstellte, soll in Schacht Konrad kein Atommüll aus der Asse und aus der Anlage in Gronau eingelagert werden. Folge: Dieser Müll müsste ins geplante Endlager für hochradioaktive Abfälle, dessen Standort erst im Jahr 2031 feststehen wird und das frühestens im Jahr 2050 in Betrieb genommen werden dürfte. Der Müll müsste solange anderswo aufbewahrt werden.
Hendricks erklärte, es sei davon auszugehen, dass die Betriebsgenehmigungen einiger Zwischenlager verlängert werden müssten.
Die Frage der Rückführung von 26 Castoren mit Atommüll aus Deutschland bleibt weiter offen. Im Juni war es zu einem Eklat gekommen, als Hendricks eine Einigung mit den Atomkonzernen präsentierte, wonach die Behälter in Hessen, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Bayern zwischengelagert werden sollen. Der Freistaat legte sein Veto ein. „Wir sind in guten Gesprächen, was die Castoren anbelangt“, sagt Hendricks und rechnet „zeitnah“mit einer Einigung. Was den Widerstand aus München gegen eine Endlagersuche in Bayern angeht, bleibt die Umweltministerin hart.