Politsatiriker
Politik und Satire auseinanderzuhalten ist in Köln zuweilen schwer: Weil das Vertauschen von Wahlzetteln aufgefallen war, verlor Grün-Rot im Mai ihre Ratsmehrheit in Deutschlands viertgrößter Stadt. Das ist Politik. OB-Kandidat fordert stilettofreundliches Pflaster in der Innenstadt. Das ist dann Satire.
Benecke (44) ist Doktor der Rechtsmedizin, berühmter Kriminalbiologe und Buchautor, der sogar Hitlers Schädel untersucht hat. Als NRW-Landeschef der Satirepartei Die Partei tritt er in einem Monat bei der Oberbürgermeisterwahl als zweiter Kandidat auf dem Wahlzettel an.
Chancen auf einen Sieg hat Benecke kaum: Favorit ist der lokale SPD-Parteichef Jochen Ott, der sein Ratsmandat im Mai bei der Neuauszählung der Stimmen verlor. Doch eine Chance auf bis zu 15 Prozent der Stimmen rechnet sich der Außenseiter Benecke trotzdem aus. Entspannt sitzt er im Ledersessel seines mit Sachbüchern vollgepackten Büros in einem lauschigen Kölner Innenstadtviertel in Rheinnähe. Warum er einen Achtungserfolg erwartet? Viele Kölner hätten das Vertrauen in die Lokalpolitik und den ehernen rheinischen Grundsatz „Et hätt noch emmer joot jejange“(Es ist bisher noch immer gut gegangen) verloren. Benecke verweist auf die Lokalzeitung: Die schreibt an diesem Tag, dass die für Herbst geplante Neueröffnung der Oper ausfällt, weil die Sanierung länger dauert und teurer wird. Nun braucht das Ensemble eine kurzfristige Ausweichmöglichkeit. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Ebenso wie nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009, der wohl auf Baupfusch zurückzuführen war. Keine Satire, sondern Kölner Realität. Klaus Wieschemeyer