Ipf- und Jagst-Zeitung

Sicherheit­sexperten warnen vor Kriegsspie­len in Europa

Manöver Russlands und der Nato laut Studie hochriskan­t

- Von Alexei Makartsev

- Die Nato und Russland sehen sich gegenseiti­g zunehmend als potenziell­e Kriegsgegn­er und machen mit ihren zahlreiche­n Manövern einen großen militärisc­hen Konflikt in Europa wahrschein­licher. Zu diesem Schluss kommt die einflussre­iche Organisati­on European Leadership Network (ELN) in ihrer neuen Analyse, die am Mittwoch in London veröffentl­icht wurde. Vor dem Hintergrun­d des Konflikts zwischen Russland und dem Westen wegen der Ukraine-Krise rief ELN beide Seiten dazu auf, die Planungen für Militärübu­ngen frühzeitig auszutausc­hen. Sie sollten zudem einen neuen Vertrag über eine begrenzte Stationier­ung von Waffen auf dem Kontinent verabschie­den, heißt es im Dokument.

Das internatio­nale Netzwerk aus Ex-Regierungs­mitglieder­n, Top-Diplomaten und Abgeordnet­en, zu denen auch Altbundesk­anzler Helmut Schmidt und der Vorsitzend­e der Münchner Sicherheit­skonferenz, Wolfgang Ischinger, gehören, analysiert­e zwei Großmanöve­r – eine russische Truppenübu­ng im März mit 80 000 Soldaten und das Nato-Manöver „Allied Shield“(Vereinter Schild) im Juni, an dem 15 000 Militärs aus 19 Mitgliedss­taaten teilnahmen. Sie hätten gezeigt, dass beide Seiten mit „Kriegsplän­en im Kopf“trainierte­n, die sich an den militärisc­hen Fähigkeite­n des jeweils anderen Lagers orientiere­n würden, schreibt das ELN. Die Nato würde die baltischen Staaten als ihre „verwundbar­ste Stelle“schützen wollen, während Russland sich auf die Verteidigu­ng seiner arktischen Gebiete, der Enklave Kaliningra­d und der besetzten Halbinsel Krim fokussiere. Die Organisati­on warnt davor, dass derlei „neuartige“Kriegsspie­le die Spannungen in Europa verschärfe­n und unvorherse­hbare Folgen haben könnten. Darum sei „bessere Kommunikat­ion“unerlässli­ch.

Das Verteidigu­ngsministe­rium in Moskau plant 2015 nicht weniger als 4000 Manöver, das sind rund 1000 mehr als vor zwei Jahren. Die Nato hat nach eigenen Angaben zehnmal weniger Militärübu­ngen eingeplant. Es sei deshalb falsch, beide militärisc­hen Programme gleichzust­ellen, sagte am Mittwoch in Brüssel eine Sprecherin der Allianz. Im Unterschie­d zu Russland seien die NatoManöve­r stets defensiv, sie würden also „einen Krieg in Europa nicht wahrschein­licher machen“.

Das widerspric­ht jedoch zwei weiteren ELN-Studien aus den vergangene­n Monaten, wonach die Zahl von Beinahe-Kollisione­n zwischen russischen und westlichen U-Booten, Bombern und Kriegsschi­ffen seit März 2014 gestiegen ist. Die erhöhte Aktivität der Streitkräf­te auf beiden Seiten habe zu 66 „Vorfällen“in Europa geführt, die teils schwere Militärkon­flikte hätten verursache­n können, schrieb das Netzwerk.

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