Sicherheitsexperten warnen vor Kriegsspielen in Europa
Manöver Russlands und der Nato laut Studie hochriskant
- Die Nato und Russland sehen sich gegenseitig zunehmend als potenzielle Kriegsgegner und machen mit ihren zahlreichen Manövern einen großen militärischen Konflikt in Europa wahrscheinlicher. Zu diesem Schluss kommt die einflussreiche Organisation European Leadership Network (ELN) in ihrer neuen Analyse, die am Mittwoch in London veröffentlicht wurde. Vor dem Hintergrund des Konflikts zwischen Russland und dem Westen wegen der Ukraine-Krise rief ELN beide Seiten dazu auf, die Planungen für Militärübungen frühzeitig auszutauschen. Sie sollten zudem einen neuen Vertrag über eine begrenzte Stationierung von Waffen auf dem Kontinent verabschieden, heißt es im Dokument.
Das internationale Netzwerk aus Ex-Regierungsmitgliedern, Top-Diplomaten und Abgeordneten, zu denen auch Altbundeskanzler Helmut Schmidt und der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, gehören, analysierte zwei Großmanöver – eine russische Truppenübung im März mit 80 000 Soldaten und das Nato-Manöver „Allied Shield“(Vereinter Schild) im Juni, an dem 15 000 Militärs aus 19 Mitgliedsstaaten teilnahmen. Sie hätten gezeigt, dass beide Seiten mit „Kriegsplänen im Kopf“trainierten, die sich an den militärischen Fähigkeiten des jeweils anderen Lagers orientieren würden, schreibt das ELN. Die Nato würde die baltischen Staaten als ihre „verwundbarste Stelle“schützen wollen, während Russland sich auf die Verteidigung seiner arktischen Gebiete, der Enklave Kaliningrad und der besetzten Halbinsel Krim fokussiere. Die Organisation warnt davor, dass derlei „neuartige“Kriegsspiele die Spannungen in Europa verschärfen und unvorhersehbare Folgen haben könnten. Darum sei „bessere Kommunikation“unerlässlich.
Das Verteidigungsministerium in Moskau plant 2015 nicht weniger als 4000 Manöver, das sind rund 1000 mehr als vor zwei Jahren. Die Nato hat nach eigenen Angaben zehnmal weniger Militärübungen eingeplant. Es sei deshalb falsch, beide militärischen Programme gleichzustellen, sagte am Mittwoch in Brüssel eine Sprecherin der Allianz. Im Unterschied zu Russland seien die NatoManöver stets defensiv, sie würden also „einen Krieg in Europa nicht wahrscheinlicher machen“.
Das widerspricht jedoch zwei weiteren ELN-Studien aus den vergangenen Monaten, wonach die Zahl von Beinahe-Kollisionen zwischen russischen und westlichen U-Booten, Bombern und Kriegsschiffen seit März 2014 gestiegen ist. Die erhöhte Aktivität der Streitkräfte auf beiden Seiten habe zu 66 „Vorfällen“in Europa geführt, die teils schwere Militärkonflikte hätten verursachen können, schrieb das Netzwerk.