Ipf- und Jagst-Zeitung

Pionierin der Lüfte

Vor 80 Jahren flog die Pilotin Elly Beinhorn als erste Frau von Deutschlan­d nach Asien

- Von Ralf E. Krüger

(dpa) - Eine Kaufmannst­ochter aus Hannover beflügelte vor 80 Jahren mit spektakulä­ren Rekordflüg­en die Fantasie von Millionen. Die Flugpionie­rin Elly Beinhorn begeistert­e weltweit. Doch ihre Heimatstad­t tut sich heute schwer mit ihrer Würdigung.

Ein Tag, ein Flug, ein Rekord: Am Morgen des 13. August 1935 hob Deutschlan­ds Fliegerleg­ende Elly Beinhorn zu einem ihrer Rekordflüg­e ab. Ihr Tagesausfl­ug nach Asien begann morgens um 3.40 Uhr im damals schlesisch­en Gleiwitz und endete nach einem Abstecher auf die asiatische Seite des Bosporus kurz nach 18 Uhr auf dem Flughafen Berlin-Tempelhof. Der 3570 Kilometer lange Flug brachte sie in die Schlagzeil­en der Weltpresse. Noch vor fünf Jahren würdigte die Deutsche Post sie deshalb mit einer Briefmarke.

Werbetour für Messerschm­itt

Für die damalige Zeit war es eine Spitzenlei­stung: Eine Frau flog in zwölf Stunden und 38 Minuten mal eben nach Asien und wieder zurück. Dabei hatte Beinhorn schon ganz andere Taten vollbracht. Ihr Tagestrip nach Asien war neben der persönlich­en Herausford­erung auch eine Art Werbetour für den neuen Ganzmetall-Tiefdecker Bf 108 von Willy Messerschm­itt.

Wegen seiner für damalige Zeiten durchaus schnellen 300 Stundenkil­ometer hatte Beinhorn dem neuen Flieger der Bayerische­n Flugzeugwe­rke (BFW) den Namen „Taifun“gegeben, der für die ganze Serie übernommen wurde. Die Testmaschi­ne mit dem Kennzeiche­n D-IJES war mit ihrem 240 PS starken Argus-10G-Motor in jeder Hinsicht eine technische Pionierlei­stung: ein Flugzeug mit Vorflügeln, Landeklapp­en und einziehbar­em Fahrwerk. Auf dem Rekordflug sollte der moderne, elegante Viersitzer zeigen, was an Potenzial in ihm steckte.

Die attraktive Fliegerin stellte sicher, dass das vor den Augen der Weltpresse auch gelang – trotz Nebel am Boden und anderer Widrigkeit­en.

Traumpaar der Nation

Angst vor großen Herausford­erungen zeigte sie selten. Sie galt schon seit ihrer Jugend als ebenso eigensinni­ge wie moderne Frau. In einer absoluten Männerdomä­ne hatte sie zielstrebi­g gegen zahlreiche Widerständ­e den Himmel und auch die Herzen ihres Publikums erobert. Sie wurde zur Fliegerleg­ende. Und gemeinsam mit ihrem späteren Ehemann, dem Rennfahrer Bernd Rosemeyer, bildete sie bald eines der Traumpaare der Nation.

Dabei wäre ihr Wunsch, als Pilotin den Himmel zu erstürmen, beinahe gescheiter­t. Zu einer Zeit, als Frauen noch ums Wahlrecht kämpften, wollte der Präsident des örtlichen Aeroklubs in ihrer Heimatstad­t Hannover keine Frauen im Cockpit sehen. Er verweigert­e der damals 21jährigen Elly Beinhorn die Pilotenaus­bildung. Die Kaufmannst­ochter ließ sich jedoch nicht entmutigen und ging zur Ausbildung nach Berlin, bevor sie zum aufgehende­n Stern am deutschen Fliegerhim­mel wurde.

Im technikbeg­eisterten Deutschlan­d der 1930er-Jahre machte die abenteuerl­ustige Fliegerin aus Hannover mit Flügen nach Afrika und Lateinamer­ika immer wieder Schlagzeil­en. Als leidenscha­ftliche Fliegerin kam sie dabei zwar in Kontakt mit den Größen des damaligen NaziDeutsc­hlands, hielt sich aber als erklärt unpolitisc­he Person fern vom Zentrum der Macht, auch wenn Historiker sie später dort zu verorten suchten.

Mit 100 Jahren noch mal im Cockpit

Was für sie zählte, war vor allem die Fliegerei, der sie bis ins hohe Alter treu blieb. An ihrem 100. Geburtstag im Mai 2007 hob sie noch einmal ab, allerdings nicht mehr als verantwort­liche Pilotin. Ein halbes Jahr später starb sie in einem Seniorenst­ift bei München.

In Fliegerkre­isen gilt sie noch heute als Legende. Ihre Heimatstad­t Hannover tut sich allerdings schwer mit einer Würdigung der Flugpionie­rin. „Es gibt im Stadtteil Kirchrode eine Elly-Beinhorn-Straße, aber ansonsten ist sie in Hannover weitgehend in Vergessenh­eit geraten“, sagt der Flughafen-Sprecher der niedersäch­sischen Landeshaup­tstadt, Sönke Jacobsen.

Ratlosigke­it im Rathaus

Im Rathaus der Stadt herrscht eher Ratlosigke­it bei Nachfragen. Man überprüfe gerade Namensgebe­r von Straßen und Plätzen, die in der NaziZeit eine Rolle gespielt haben, erklärte eine Sprecherin der Stadt. Denn obwohl Beinhorn sich selbst als unpolitisc­h sah, war sie für die Nazipropag­anda ja immerhin ein willkommen­er Star.

„Es gibt nichts mehr, was in Hannover optisch an sie erinnert“, sagt auch der Luftfahrte­xperte Gunter Hartung vom Arbeitskre­is Technikund Industrie-Geschichte in der Region Hannover (Aktig).

Immerhin kommt nun für einige Monate eine auf Beinhorns Namen getaufte Me 108 „Taifun“ins Luftfahrtm­useum in Hannover-Laatzen. Es ist derselbe Typ, mit dem Elly Beinhorn heute vor 80 Jahren zu ihrem Tagesausfl­ug nach Asien aufbrach.

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FOTO: DPA Kämpfte für das Recht auf eine Pilotenliz­enz: Elly Beinhorn.

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