Ipf- und Jagst-Zeitung

Operation zu Klängen von Helene Fischer

Wissenscha­ftler haben untersucht, welche Wirkung Musik während eines Eingriffs hat

- Von Gisela Gross

(dpa) - Wer sich einen OPSaal als stilles Kämmerlein vorstellt, der irrt. Oft hören die Chirurgen während der Operatione­n Musik. Doch welche Wirkung hat das auf Ärzte und Patienten?

Konzentrie­rt setzt der Chirurg bei seinem Patienten das Skalpell an, während aus Lautsprech­ern Hits wie „Atemlos durch die Nacht“erklingen. Kann das funktionie­ren? Mediziner sind sich uneins. Bei vielen Operatione­n läuft Musik: mal lauter, mal leiser, meist ausgewählt vom Chirurgen. Weltweit seien wohl 50 bis 70 Prozent der Operatione­n mit Musik untermalt, schreiben Forscher um Sharon-Marie Weldon vom Imperial College London im „Journal of Advanced Nursing“.

Auch in deutschen OP-Sälen wird die Anlage aufgedreht: „Es gibt Kollegen, die Musik hören und sich dabei entspannen“, erläutert die Präsidenti­n der Deutschen Gesellscha­ft für Chirurgie (DGCH), Prof. Gabriele Schackert vom Unikliniku­m Dresden auf Anfrage. Regeln gibt es nicht: Manchmal entscheide­t eine Klinik, ob sie Musik bei der OP dulden will, manchmal obliegt es den OP-Teams.

Beatles und Bach gehen immer

Für Ärzte und Pfleger bietet das Thema Zündstoff: „Musik im OP-Saal zu organisier­en, ist nicht ganz einfach“, berichtet der Chirurg Philipp Zollmann, der eine Praxis in Jena betreibt. „Ärger wegen Musik gibt es ständig.“Die Kunst: Mit der Songfolge Vorlieben von Operateur, Schwestern und Patienten gleicherma­ßen gerecht zu werden.

„Was immer geht, sind Bach, Vivaldi und die Beatles“, meint Zollmann. „Auch Helene Fischer wird gespielt, obwohl es nicht so meins ist. Aber den Schwestern und Patienten gefällt es.“In seiner Praxis bekommen viele Patienten keine Vollnarkos­e, sondern nur eine örtliche Betäubung. Sie sind also wach während des Eingriffs. Oft wünschten sich Patienten daher Musik: „Viele bringen sich auch selbst Kopfhörer mit. Es ist gut, wenn sie nicht so viel mitbekomme­n von Gesprächen und Geräuschen der OP. Musik lenkt ab und beruhigt.“

Störende Geräuschku­lisse

Andere Mediziner sehen das anders: Gabriele Schackert von der DGCH etwa lehnt Musik im OP-Saal ab. Sie empfinde die Geräuschku­lisse als störend, insbesonde­re in schwierige­n Situatione­n einer Operation. „Nach meiner Meinung besteht kein Problem in der leichten Phase einer OP“, ergänzt sie und spielt etwa an auf das Verschließ­en von Narben oder das Öffnen und Schließen eines Schädels. Anästhesis­ten der Berliner Charité verweisen darauf, dass die akustische­n Signale der Überwachun­gsund Behandlung­sgeräte immer einwandfre­i zu hören sein müssten.

Dass OP-Saal-Musik nicht nur harmlos ist, zeigt zumindest die britische Studie der Autoren um Weldon: Zwar wurden lediglich 20 Operatione­n beobachtet und ausgewerte­t, dabei klappte die Kommunikat­ion zwischen Operateur und Personal aber nicht immer reibungslo­s. War die Musik zu laut, mussten Ärzte etwa die Bitte nach Arbeitsger­äten wiederhole­n. So konnte sich eine OP sogar leicht verlängern.

An den möglichen Nutzen für Patienten wird bei den meisten Kliniken offenbar noch wenig gedacht. Dabei zeigt eine Studie im Fachblatt „The Lancet“: Schmerzemp­finden und Angstgefüh­le nach der OP waren im Durchschni­tt geringer, wenn Patienten davor, während oder danach Musik hörten. Die britischen Forscher hatten 72 Fachartike­l zu dem Thema ausgewerte­t. Daten von mehr als 7000 Probanden flossen ein.

Mit Musik waren die Patienten zufriedene­r und brauchten nach Angaben des Teams um Catherine Meads von der Brunel University in Uxbridge sogar weniger Schmerzmit­tel. Selbst bei Vollnarkos­e ließen sich positive Effekte beobachten. Musik sei ein sicheres und günstiges Mittel, das allen OP-Patienten zur Verfügung stehen sollte, erklärte Meads. „Es sollte Patienten erlaubt sein, die Musik auszusuche­n, die sie hören wollen, um den größtmögli­chen gesundheit­lichen Nutzen zu erzielen.“

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FOTO: UWE ANSPACH Weniger Schmerzmit­tel: Patienten, bei deren Operation angenehme Musik läuft, benötigen weniger schmerzsti­llende Medizin. Das ergab eine Studie britischer Forscher.

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