Dem Wald fehlen 100 Liter Wasser pro Quadratmeter
Sterbende Jungpflanzen und mehr Borkenkäfer – Forstdirektor Reinhold Elser betrachtet die Situation mit Sorge
- Seit dem 25. Juli hat es in Ellwangen keinen Tropfen geregnet. Der Wassermangel macht nicht nur Landwirten und Kleingärtnern zu schaffen, sondern auch Forstdirektor Reinhold Elser, Leiter der Forstaußenstelle Ellwangen, zu der neun Forstreviere mit zusammen 15 000 Hektar Wald gehören. Zum Wassermangel hinzu kommen die anhaltend hohen Temperaturen, die den Bäumen zu schaffen machen. Der Wald ist ausgetrocknet, es besteht Brandgefahr der zweithöchsten Stufe.
Die im Frühjahr gepflanzten Douglasien sind teilweise schon vertrocknet. Die Nadeln haben sich dort bereits rostrot verfärbt. Auch die Linden und Birken tragen schon gelbe Blätter, die jungen Triebe an den Ästen trocknen zurück und sterben ab. Moose und die Vegetation am Waldboden sind verdorrt und haben sich braun gefärbt. „Es reicht ein Funke“, sagt Reinhold Elser. Zigaretten, Lagerfeuer und offenes Feuer überhaupt sind derzeit im Wald strengstens verboten. Glücklicherweise komme es in deutschen Wäldern aber fast nie zu einer Selbstentzündung beispielsweise durch Blitzschlag, so Elser.
Der Forstdirektor studiert eine Aufstellung der Wetterstation Stocken. Niederschlagsmenge und Temperaturaufzeichnungen für Ellwangen sind hier exakt festgehalten. Die Diagramme wurden von Manfred Münzer erstellt und zeigen mitunter das Jahresmittel der vergangenen 30 Jahre. Fest steht, wir steuern auf ein Rekordjahr zu. „Von den Temperaturen her liegen wir in diesem Jahr jeden Monat über dem 30-jährigen Mittel.“Im Schnitt war jeder Monat ein bis zwei Grad zu warm. Die Niederschlagsmenge in diesem Jahr beträgt bisher 393 Liter pro Quadratmeter, durchschnittlich müssten es bis zum August mindestens 500 Liter sein. Das ist deutlich zu wenig. „Wir haben noch nicht einmal 50 Prozent der Niederschlagsmenge von Durchschnittsjahren erreicht und weit über die Hälfte des Jahres ist bereits vorüber.“Auch was die Tropentage mit Temperaturen über 30 Grad angeht, liegt das Jahr 2015 mit 28 Tagen weit vorne. „Wenn Trockenheit und Hitze andauern, besteht die Gefahr, dass wir dürres Holz bekommen“, erklärt Elser. In der Konsequenz sterben die Bäume dann ab. Nach dem Jahrhundertsommer im Jahr 2003 hatten die Förster noch bis 2005 mit den Schäden zu tun, vergleichbare Ausmaße drohen auch in diesem Jahr. Denn anders als in der Landwirtschaft oder im heimischen Garten kommt im Wald das Wasser nur von oben. „Die Jungpflanzen werden oft fernab der Wege gepflanzt, eine Bewässerung wäre zu aufwendig“, sagt Elser. Da der Oberboden bereits völlig ausgetrocknet ist, trifft es die Jungpflanzen als erstes. Dass nicht alle überleben, sei normal, für dieses Jahr rechnet Elser aber mit einem Verlust von 20 bis 30 Prozent.
Auch die Bäume schwitzen bei dieser Hitze
„Der Waldboden ist wie ein Schwamm, der das Wasser speichert. Die Baumkronen schützen den Boden vor der direkten Sonneneinstrahlung“, erklärt der Forstdirektor. Die Bäume brauchen das Wasser, um Blätter und Nadeln zu kühlen. „Dieses System kommt gerade an die Grenze, da von unten zu wenig Wasser nachkommt.“Lärche und Laubbäume können Nadeln und Blätter abwerfen, die Fichte nicht. „Die Fichte ist unser Sorgenkind.“
Für diese hohen Temperaturen ist die Fichte nicht gemacht, Schädlinge wie der Borkenkäfer setzen dem Nadelbaum zusätzlich zu. „Kupferstecher und Buchdrucker vermehren sich bei den heißen Temperaturen verstärkt. Wir hatten aber das Glück, dass die Anzahl der Borkenkäfer im Frühjahr sehr gering war.“Doch die Population baut sich auf. „Wir haben gerade ein Borkenkäfer-Monitoring am Laufen, bisher ist der Käferbefall überraschend gering, aber an ein paar Stellen geht es bereits los“, erklärt Elser.
In gefällten Baumstämmen entdeckt er kleine Löcher in der Rinde, die von Holzmehl umgeben sind – ein eindeutiges Zeichen. Und tatsächlich, unter der Rinde tummeln sich die kleinen weißen Larven, die sich von der Schicht zwischen Rinde und Holz, der Lebensader des Baumes, ernähren. Ist der Baum erst einmal befallen, hilft nur noch Fällen. „Der Käfer muss dann so schnell wie möglich aus dem Wald gebracht werden, sonst verbreitet er sich am stehenden Holz weiter.“Zusätzlich senden die Forstschädlinge Duftstoffe aus, die Artgenossen anlocken.
Um die Wasserspeicher des Waldbodens wieder aufzufüllen, müsste es in den kommenden Wochen mindestens 50 Liter pro Quadratmeter regnen, besser wären 100 Liter. Mehr als Niederschlag wünscht sich der Leiter der Forstaußenstelle Ellwangen aber kühlere Temperaturen. „Dann würden die Käfer ihre Aktivität wieder etwas reduzieren.“Trotz allem: „Wir sind überrascht, wie gut der Wald noch da steht.“