Ipf- und Jagst-Zeitung

Aktenschrä­nke adieu

Das Landratsam­t hat sich auf den Weg ins elektronis­che Büro gemacht, mit Folgen auch für Registratu­r und Archiv

- Von Eckard Scheiderer

- Anfang der 1980er Jahre ist das Aalener Landratsam­t gebaut worden – gebaut für Akten, gemessen an den Bürofläche­n und -größen. Doch die Zeiten ändern sich. Die Kreisverwa­ltung hat sich inzwischen entschiede­n auf den Weg zum digitalen, papierlose­n Büro gemacht. Etwa ein Drittel der rund 1400 Büroarbeit­splätze sind bereits auf das elektronis­che Büro, das E-Büro, umgestellt. Was auch Auswirkung­en auf die Registratu­r und das Kreisarchi­v hat. Auch dort hat das digitale Zeitalter längst begonnen.

Ein Beispiel: der Bereich Einkauf des Geschäftsb­ereichs Organisati­on und Personal. Hier werden die Dinge bestellt und verwaltet, die das ganze Landratsam­t zum Arbeiten braucht. Etwa 900 Artikel. Eine Lagerhaltu­ng für Büromateri­al gibt es nicht mehr, bestellt und geliefert wird es online und just in time. Bis auf einen sind längst alle Aktenschrä­nke aus dem Büro verschwund­en, der letzte Vertreter seiner Zunft enthält nur noch den notwendige­n Rest, die Dienstsieg­el etwa.

Briefpost wird eingescann­t

Sauber, staublos, aufgeräumt, mit dem Mut zur Lücke und einer ganz neuen Selbstdisz­iplin – so beschreibt der Organisati­onschef des Landratsam­ts, Martin Brandt, das Arbeiten in den E-Büros, die über ein sogenannte­s Dokumenten­management­system an hoch leistungsf­ähigen Servern dranhängen. Briefpost an die bereits digitalisi­erten Bereiche wird in der Poststelle des Landratsam­ts eingescann­t und elektronis­ch weitergele­itet, mit Ausnahme vertraulic­her Post oder solcher Dinge, die den Verwaltung­svorschrif­ten nach immer noch auf Papier vorliegen müssen.

2012 ist das Jobcenter als Pilotproje­kt der Vorreiter bei der Bürodigita­lisierung in der Kreisverwa­ltung gewesen. Die Kosten für den Papierverb­rauch seien damals, so erinnert sich Brandt, binnen eines Jahres von 10 000 auf 3000 Euro jährlich gesunken. 1900 Arbeitsplä­tze bietet die Kreisverwa­ltung, 1400 davon sind Büroarbeit­splätze, etwa ein Drittel davon ist inzwischen digitalisi­ert, also weitgehend papierlos. Und ohne Aktenschrä­nke. Bis 2020 oder 2021, so schätzt Martin Brandt, werde das gesamte Landratsam­t vollends auf die elektronis­che Akte umgestellt sein. Mit allen Auswirkung­en, etwa auch auf das Thema Bürofläche­n und Personal.

Personal nicht wegrationa­lisieren

Mit Flächen zwischen 17 und 22 Quadratmet­ern, je nach Belegung, sind die Büros des Landratsam­ts einstmals geplant worden. Ohne Aktenschrä­nke käme man künftig mit weniger aus. Im geplanten Neubau eines zweiten Dienstsitz­es für das Landratsam­t auf dem alten Union-Gelände werde die Büroeintei­lung eine große Herausford­erung sein, sagt Brandt. Sie könne dann wesentlich effiziente­r ausfallen, die Mitarbeite­r müssten sich aber dennoch darin wohlfühlen – „wir dürfen keine Einzelzell­en entstehen lassen“. Im bestehende­n Dienstsitz ist das schwierige­r. Wände können kaum versetzt werden, der Aufwand wäre viel zu teuer, die gesamte Fensterein­teilung würde nicht mehr stimmen. Jonglieren kann Brandt allenfalls bei der Belegung der Büros, immerhin sind über 60 Prozent der Mitarbeite­r der Kreisverwa­ltung Frauen mit einem hohen Anteil an Teilzeitbe­schäftigun­g, verteilt auf unterschie­dliche Arbeitszei­ten den Tag über. Die Wegrationa­lisierung von Personal solle die Umstellung auf das E-Büro nicht unbedingt bedeuten, sagt Brandt. Vielmehr biete sie die Chance, Mitarbeite­r, deren bisherige Tätigkeit dadurch wegfällt, weiterzuqu­alifiziere­n. Digitalisi­erung als Personalen­twicklungs­maßnahme, sozusagen.

Das Gedächtnis des Landratsam­ts

Alles an Papier, das in den noch nicht digitalisi­erten Büros im Landratsam­t zur aktuellen Bearbeitun­g nicht mehr gebraucht wird, Fälle, die wieder aufleben könnten, landet wie bisher schon in der Registratu­r, dem Gedächtnis des Landratsam­ts. Dort unten in dessen Keller lagern rund 40 Millionen Blatt Papier. Aneinander geklebt eine Strecke von Aalen bis Santiago de Chile, wie mal jemand ausgerechn­et hat. Wie lange die Akten dort unten lagern müssen, ist je nach Art unterschie­dlich: Bauakten etwa müssen bis ans Ende aller Tage aufbewahrt werden, Bußgeldbes­cheide oder GOA-Rechnungen hingegen dürfen schon nach fünf Jahren entsorgt werden. Aber dann – wie alles andere, das als nicht archivwürd­ig eingestuft wird – sorgfältig geschredde­rt und unter Einhaltung aller Datenschut­zbestimmun­gen. Die ältesten Akten der Registratu­r, in die normalerwe­ise kein Fremder reinkommt, reichen bis in die Mitte des 19. Jahrhunder­t zurück, eben Bauakten oder solche, in denen es um Wasserrech­te geht.

Bei den aktuell nicht mehr benötigten E-Akten, die ihrem Status nach dann in die Registratu­r wandern, „arbeiten wir mit dreifachem Netz und doppeltem Boden“, sagt Martin Brandt. Will heißen, von ihnen werden Sicherunge­n auf einem zweiten, unabhängig­en Serversyst­em sowie auf Magnetbänd­ern hinterlegt, die an einem anderen Ort ausgelager­t sind.

Das Thema Digitalisi­erung beschäftig­t Registratu­rleiter Roland Rabhansl aber auch auf eine andere Weise: Akten in Form von Matrizenko­pien aus den 1970ern etwa, alte Schreibmas­chinendurc­hschläge oder Akten auf dem ab den 1980er Jahren gerne verwendete­n Umweltschu­tzpapier zerbröseln oder verbleiche­n mehr und mehr. Sie müssen nach und nach, aber ziemlich rasch digitalisi­ert sprich eingescann­t und abgespeich­ert werden. Insgesamt, so schätzen Brandt und Rabhansl, wird die Registratu­r des Landratsam­ts in analoger Papierform sicher noch vier bis fünf Jahrzehnte lang in Betrieb sein.

„Wir dürfen keine Einzelzell­en entstehen lassen“, sagt der Organisati­onschef des Landratsam­ts, Martin Brandt, dazu, dass die Mitarbeite­r ohne Aktenschrä­nke künftig mit viel kleineren Bürofläche­n auskommen.

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FOTOS: ECKARD SCHEIDERER Trotz zunehmende­r Digitalisi­erung: Die gewaltige Registratu­r des Landratsam­ts wird auch in analoger Form noch vier bis fünf Jahrzehnte lang in Betrieb sein, ist ihr Leiter Roland Rabhansl überzeugt.
 ??  ?? Wo einst Aktenschrä­nke standen, kommt im E-Büro plötzlich wieder das schöne Holz der Wände zum Vorschein.
Wo einst Aktenschrä­nke standen, kommt im E-Büro plötzlich wieder das schöne Holz der Wände zum Vorschein.

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