Familiengründung auf Distanz
Schwanger werden trotz Fernbeziehung – Geduld und Eisprung-Kalender können helfen
Erst zusammenziehen und dann ein Kind? Oder erst mal gucken, ob das mit dem Schwangerwerden überhaupt klappt, bevor die sicheren Zelte abgebrochen werden? Paare, die aus beruflichen Gründen eine Fernbeziehung führen und sich trotzdem ein Kind wünschen, entscheiden sich häufig für die letztere Variante, sagt Vanadin Seifert-Klauss. Sie ist leitende Oberärztin an der Frauenklinik am Klinikum rechts der Isar in München. In ihre Hormonsprechstunde kämen immer mehr Frauen, die im Beruf zunächst kein Risiko eingehen möchten: „Die Patientinnen wollen erst schwanger werden und dann ihr Leben ändern.“
Doch das ist gar nicht so einfach. Während in einer Beziehung mit gemeinsamer Wohnung und regelmäßigem Sex die Wahrscheinlichkeit, innerhalb eines Jahres schwanger zu werden, bei gesunden Frauen bei 80 Prozent liegt, fällt die Quote in Fernbeziehungen in der Regel deutlich schlechter aus. „Die wenige gemeinsame Zeit fällt eben nicht immer mit dem Eisprung zusammen“, sagt die Ärztin.
Auch Paare, die jedes Wochenende miteinander verbringen, landen nicht automatisch einen Treffer, sagt Klaus Doubek, Vorsitzender des Berufsverbands der Frauenärzte. „Die gemeinsame Zeit muss zum Zeitfenster des Eisprungs passen.“Doch darüber herrscht bei vielen Frauen noch viel Unwissen, bestätigt auch Seifert-Klauss: „Oft schätzen Frauen den eigenen Zyklus falsch ein oder denken, sie hätten den Eisprung, obwohl dieser bereits vorbei ist.“
Fruchtbare Tage dokumentieren
Tatsächlich ist die Chance, schwanger zu werden, mit dem Eisprung schon so gut wie verpasst. „Die Eizelle ist jetzt nur noch circa zwölf Stunden befruchtungsbereit“, sagt Seifert-Klauss. Mit höheren Chancen verbunden sei deshalb der Geschlechtsverkehr zwei bis drei Tage vor dem Eisprung. „Die Samen des Mannes überleben bis zu 72 Stunden im Körper der Frau und können somit rechtzeitig zum Eisprung vor Ort sein.“
Doch wie erkennen Frauen dieses kleine Zeitfenster? Gynäkologe Doubek empfiehlt, über mehrere Monate den Zyklus in einem Kalender zu dokumentieren. Wann ist die Menstruation? Ist der Zyklus immer gleich lang? Testsysteme mit Messstreifen für Urin oder Temperaturmessungen helfen dabei, die fruchtbaren Tage zu orten. „Zu 100 Prozent sicher sind die Messungen aber nicht“, sagt Doubek. „Doch immerhin kann man damit ganz gut sehen, ob das Besuchswochenende ungefähr mit der fruchtbaren Phase übereinstimmt.“
Er empfiehlt Paaren in Fernbeziehungen, den Eisprung besonders in der Urlaubsplanung zu berücksichtigen. „Frauen mit einem regelmäßigen Zyklus können ganz gut berechnen, wann sie die nächsten Eisprünge haben, und dementsprechend mit dem Partner die freien Tage einkalkulieren.“Bei einem einwöchigen Urlaub, der die Zeit rund um den Eisprung abdeckt, sei die Wahrscheinlichkeit dann relativ hoch, dass es klappen könnte. „Ich rate aber dennoch sehr davon ab, sich unter Erfolgsdruck zu setzen“, sagt der Gynäkologe. „Versuchen Sie, die Zeit zu genießen und sich zu entspannen.“Denn: Stress und innere Anspannung könne dafür sorgen, dass der Zyklus gestört wird oder ein Eisprung sogar ganz ausbleibt.
Wenn die Monate ohne positives Schwangerschaftsergebnis ins Land ziehen, ist Frust programmiert. Manche Frauen berichten in den Hormonund Kinderwunschsprechstunden sogar über Jahre vergeblicher Versuche. „So lange sollte man aber nicht warten, bis man sich Hilfe holt“, sagt Melanie Henes, Leiterin des Kinderwunschzentrums an der Universitätsklinik Tübingen. Sie empfiehlt Frauen, schon nach wenigen Monaten einen Arzt zu konsultieren, um die Hormone untersuchen zu lassen.
So kann beispielsweise eine Schilddrüsenunterfunktion oder ein Polyzystisches Ovar-Syndrom (PCOS), unter dem etwa fünf bis acht Prozent aller Frauen leiden, dafür sorgen, dass es mit dem Schwangerwerden nicht klappt. „Wenn man die Ursachen kennt, kann man medikamentös das hormonelle Gleichgewicht wiederherstellen.“
Gynäkologe zurate ziehen
Wenn der Eisprung partout nicht zu den gemeinsamen Tagen passen will oder die Distanz so groß ist, dass man sich nur wenige Tage oder Wochen pro Jahr sieht, könnten Frauen mithilfe ihres Gynäkologen auch tricksen. Möglichkeit eins: die Pille einnehmen und gezielt absetzen. Hormon-Expertin Seifert-Klauss erklärt: „Bei manchen Frauen kommt es direkt danach zu einem stärkeren Anschub der Eierstöcke durch das Follikelstimulierende Hormon FSH, und die Chance auf einen Eisprung erhöht sich.“Möglichkeit zwei ist das gezielte Auslösen des Eisprungs beim Gynäkologen. Durch einen Ultraschall kann der Arzt sehen, wann der Follikel – die Hülle der reifenden Eizelle – groß genug ist, um mit einer hCG-Spritze den Eisprung auszulösen. „Das Schwangerschaftshormon hCG sorgt dann innerhalb von 36 Stunden dafür, dass die Eihülle platzt und die Eizelle befruchtet werden kann.“Paare in Fernbeziehungen müssten dann also sofort in die Bahn oder den Flieger steigen und sich besuchen.
Wer sich für längere Zeit nicht mehr sieht, beispielsweise weil der Partner Soldat im Auslandseinsatz ist, kann Spermien auch auf eigene Kosten einfrieren und sich künstlich befruchten lassen, sagt Henes: „Das kann in einzelnen Fällen eine Möglichkeit darstellen, etwa weil die Frau schon über 40 ist und nicht mehr warten möchte.“„Auf jeden Fall sollten Frauen, die ein Kind bekommen möchten, zudem Folsäure einnehmen“, sagt Klaus Doubek. Das Vitamin sei Grundvoraussetzung für die gesunde Entwicklung des Embryos. Daneben gilt natürlich: Alkohol meiden und nicht rauchen.