Rentschler warnt vor einer „Parallelautobahn“
Nordostring Stuttgart mit Anschluss an die Bundesstraße 29 als West-Ost-Verbindung bis Augsburg im Gespräch
- Der vierspurige Ausbau der Bundesstraße 29 könnte für die Ostalb unerwünschte Nebenwirkungen haben: Die Trasse könnte Teil einer Fernverbindung zwischen der Autobahn 81 bei Stuttgart und Augsburg an der Autobahn 8 werden. Damit würde eine Parallelautobahn entstehen, fürchtet Aalens OB Thilo Rentschler, und die erhofften Vorteile des B 29-Ausbaus wieder zunichte machen. Denn: Im Raum Stuttgart wird neuerdings wieder heftig über den Bau eines sogenannten Nordostrings diskutiert, der den Verkehr aus dem Talkessel fernhalten und an der Landeshauptstadt vorbeiführen soll.
Dieses Vorhaben schien bereits mausetot zu sein. Es stand zwar schon lange im Bundesverkehrswegeplan in der Kategorie „Weiterer Bedarf“, wegen massiver ökologischer Bedenken allerdings versehen mit einem Planungsverbot. Seit der Neuauflage des Bundesverkehrswegeplans im Frühjahr 2016, der bis zum Jahr 2030 gilt, ist alles anders: Gegen den Willen des Landes und seines Verkehrsministers Winfried Hermann hat der Bundestag den Nordostring nicht zuletzt auf Betreiben des Gmünder Verkehrsstaatssekretärs Norbert Barthle in die Kategorie „Weiterer Bedarf mit Planungsrecht“eingestuft. Vorrang haben zwar Projekte des vordringlichen Bedarfs. Sollte aber eines dieser Vorhaben stocken, könnten andere vorrücken, etwa der Nordostring.
Der sieht eine Trassenführung von Kornwestheim über Ludwigsburg in Richtung Waiblingen vor mit einer Einmündung in die Bundesstraße 29 bei Fellbach. Laut Presseberichten hat Barthle nicht nur das Projekt verteidigt mit dem Hinweis, Stuttgart sei Staustadt Nummer 1 in Deutschland, sondern auch offen zugegeben, dass der Nordostring bei Stuttgart Teil des Gesamtausbaus der B 29 bis nach Augsburg sei.
Bis zu 78 000 Fahrzeuge
Berechnungen gehen davon aus, dass der Nordostring täglich mehr als 10 000 Fahrzeuge zusätzlich auf die B 29 bringen würde und die Belastung damit von 67 000 auf 78 000 Fahrzeuge steigen würde.
Warum er ihn gegen den Willen des Landes durchgedrückt hat, begründet Barthle übrigens so: „BadenWürttemberg ist mit seiner Wirtschaftskraft eine tragende Säule unserer Spitzenposition in Europa und der Welt. Deshalb haben wir auch Projekte aufgenommen, die das Land Baden-Württemberg nicht wollte und nicht angemeldet hat. Ein prominentes Beispiel ist der Stuttgarter Nordostring, den wir im Ministerium für wichtig halten. Auch die B 29Trasse von der Röttinger Höhe nach Nördlingen wurde von uns für den ,Vordringlichen Bedarf’ angemeldet.“
Sein Waiblinger CDU-Bundestagskollege Joachim Pfeiffer wird mit den Worten zitiert, am Geld werde das rund 210 Millionen Euro schwere Projekt „mit Sicherheit nicht scheitern“. Dies liege am Paradigmenwechsel des Bundes, der die Mittel für die Verkehrsstruktur um 40 Prozent erhöht habe.
Ein neues Argument der Befürworter: Sie sehen im Nordostring das Heilmittel gegen die Feinstaubprobleme von Stuttgart. Keine oder allenfalls marginale Feinstaubentlastung für den Stuttgarter Kessel verspricht
„Das muss man anders lösen“, sagt Aalens OB Thilo Rentschler.
sich von dem Projekt dagegen der Fellbacher Regionalrat Harald Raß, der vor kurzem zu Gast bei der Ostalb-SPD war (wir berichteten). Und der Sprecher der Stadt Stuttgart, Sven Matis, sagt, die direkte Verbindung von B 27 und B 14 würde kein einziges Auto aus der Stuttgarter Innenstadt wegbringen und ihr Beitrag zur Verringerung der Umweltbelastung und des Feinstaubs sei „gleich null“.
Aber nicht nur deswegen regt sich heftiger Widerstand nicht nur beim Landesverkehrsministerium und bei der Landeshauptstadt, sondern auch beim Landkreis Ludwigsburg und Städten wie Kornwestheim, Ludwigsburg und Fellbach. Erwartet wird nämlich, dass der Ring die ohnehin schon hohe Verkehrsbelastung weiter verschlimmern und zusätzlichen Verkehr anziehen wird. Fernfahrer auf dem Weg zwischen Karlsruhe und Bayrischem Wald oder sogar zwischen West- und Osteuropa könnten die Route über Nordostring und B 29 der vollen A 8 mit ihrem mühsamen Albaufstieg vorziehen.
Straße als Teil des Problems
Außerdem wird sogenannter „induzierter Verkehr“befürchtet. So beschreibt man das Phänomen, dass dann, wenn mehr Straßen zur Verfügung stehen, auch mehr Menschen ins Auto steigen. So würde die Straße nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.
Zu den Gegnern gehört auch die Stuttgarter SPD-Bundestagsabgeordnete Ute Vogt. Sie erwartet keine Entlastungswirkung durch die neue Straße und hält das Vorhaben wegen der ökologischen Risiken, der massiven Eingriffe in die Landschaft und der negativen Auswirkungen auf die ganze Region, etwa beim Natur- und Artenschutz und in der Landwirtschaft, für nicht zu verantworten. Das Projekt zerstöre zudem die letzten großen Frei- und Erholungsräume im Nordosten von Stuttgart.
Und zu den Gegnern gehört nicht zuletzt auch der Aalener Oberbürgermeister. Thilo Rentschler hat vor seinen Parteifreunden von der Ostalb zum Thema Nordostring gesagt: „Das muss man anders lösen!“Er liegt auf einer Linie mit dem Stuttgarter Regierungspräsidenten Wolfgang Reimer, der gesagt hat, in diesem hochverdichteten Raum sei für solch eine autobahnartige Trasse kein Platz mehr.