Kommandeur weiter im Amt
Bisher kein Neubeginn in Skandal-Kaserne Pfullendorf
(mö) - Entgegen der Aussage von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die gesamte Führung des skandal-geschüttelten Bundeswehr-Ausbildungszentrums „Spezielle Operationen“in Pfullendorf sei bereits ausgetauscht worden, versieht der Kommandeur des Zentrums, Oberst Thomas Schmidt, auch vier Wochen nach Bekanntwerden der Vorfälle seinen Dienst. Er wickele die Amtsgeschäfte ab und bereite die Übergabe an seinen Nachfolger vor, bestätigte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Mittwoch auf Nachfrage. Schmidt sei von der Führung entbunden, der Nachfolger trete kommende Woche seinen Dienst an.
Derzeit wird in der Pfullendorfer Kaserne wegen entwürdigender Aufnahmerituale und sexueller Übergriffe ermittelt.
Erstaunen löste in Berlin die Einladung Schmidts zu einem Pressegespräch aus.
- Kopfschütteln, Irritationen, Fragen: Dass Oberst Thomas Schmidt, der Kommandeur des Bundeswehr-Ausbildungszentrums „Spezielle Operationen“in Pfullendorf immer noch sein Amt ausübt, zu einer Pressekonferenz einlädt, um seine Sicht auf die skandalösen Vorgänge zu präsentieren, löst am Dienstag im politischen Berlin großes Erstaunen über die BundeswehrBürokratie aus: „Ich bin höchst irritiert“, sagt Agnieszka Brugger, die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag und Abgeordnete aus Ravensburg.
Auch der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), wundert sich über das Vorgehen. Hatte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) doch seit Bekanntwerden der Vorgänge in der Pfullendorfer Kaserne vor vier Wochen immer wieder starke Worte gewählt, Verantwortliche benannt und versichert: „Deshalb haben wir die gesamte Führung ausgetauscht, und der Standort braucht einen Neuanfang.“Davon ist bis heute wenig zu spüren.
Rückblende. Am Freitag, 27. Januar, gibt die Bundeswehr bekannt, in der Elite-Ausbildungskaserne in Pfullendorf werde Hinweisen auf Körperverletzung, Nötigung und Freiheitsberaubung nachgegangen. Es geht um entwürdigende Aufnahmerituale unter Mannschaftsdienstgraden: Sieben Soldaten werden vom Dienst suspendiert und sollen entlassen werden. Noch schwerer wiegen die Vorwürfe aus dem Ausbildungsbereich: Demnach hatten die Erniedrigungen auch einen sexuellen Hintergrund. Ausbilder zwangen untergebene Soldatinnen zum Tanzen an der Stange und tasteten sie im Intimbereich ab. Fünf Soldaten sollen versetzt werden, gegen zwei oder drei von ihnen läuft ein Disziplinarverfahren.
Ministerin von der Leyen steht unter Druck, sie verspricht seit Beginn der Affäre, „hart durchzugreifen“. Einige Zitate: „Es sind bereits Konsequenzen gezogen worden“, sagt sie an jenem Freitagabend. Es würden auch noch weitere Konsequenzen gezogen werden. Die Vorgänge würden „mit aller Härte aufgeklärt“, verspricht sie. Wenige Tage später legt die Ressortchefin nach und fordert einen offeneren Umgang mit Missständen in der Truppe. Die Ereignisse in Pfullendorf seien „bestürzende Zeichen für einen Mangel an Führung, Haltung und Kultur“.
Zu jenem Zeitpunkt und bis heute ist in Pfullendorf nichts wirklich aufgeklärt, ein Abschlussbericht mit den genauen Sachverhalten fehlt zudem. Ende März soll er dem Verteidigungsausschuss vorliegen. 300 Aussagen müssen ausgewertet werden.
Offen bleibt, warum die Ministerin die konkreten Maßnahmen nicht ebenso zügig, wie sie sie angekündigt hat, umsetzt. Zwar wird die Ausbildung in der betroffenen II. Inspektion neu organisiert, der Chef dieser Ausbildungsinspektion und sein „Spieß“werden versetzt. Insgesamt sollen fünf Soldaten eine neue Aufgabe erhalten – zwei von ihnen beim Kommando Spezialkräfte (KSK) in Calw. Doch ausgerechnet der Kommandeur des Ausbildungszentrums, Oberst Thomas Schmidt, darf seinen Job weiter ausüben, wird nicht einmal vom Dienst freigestellt. Er erscheint bis heute auf der Homepage des Zentrums als Kommandeur. „Er wickelt seine Amtsgeschäfte ab, schreibt Beurteilungen, bereitet die Übergabe des Zentrums an seinen Nachfolger vor“, sagt ein Sprecher des Ministeriums am Mittwoch, „mit Führungsaufgaben ist er aber nicht mehr betraut.“Erst am 1. März soll Schmidt sein Kommando übergeben.
Wenig Verständnis für Schmidt
Nicht nur in der Politik, auch im Verteidigungsministerium lösen die Eigenmächtigkeiten Schmidts Irritationen aus. Dass der Noch-Kommandeur zu einem Pressegespräch einlädt, plötzlich in der Kommunikation selbst aktiv wird und am Tag vor seinem erzwungenen Abschied aus Pfullendorf die Vorgänge aus seiner Sicht klarstellen will, stößt auf wenig Verständnis.
Andererseits wird auch klargestellt: Gegen Schmidt läuft kein Disziplinarverfahren, er wird, wie alle anderen Soldaten auch, „einfach nur versetzt“. „Ehrenrühriges liegt nicht vor“, betonen Beteiligte, „die Ministerin wollte ihre Exempel statuieren und hat sich bei den Mannschaftsdienstgraden durchgesetzt, bei Oberst Schmidt ist sie damit gescheitert.“Der Apparat, die Bürokratie habe von der Leyen ausgebremst, heißt es aus Bundeswehrkreisen. „Man kann aber auch sagen: Das Recht hat sich durchgesetzt, auch für die Soldaten gilt der Grundsatz der Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils.“